Ursprung und Symbolik der Kristallschädel

Die geheimnisvollen Kristallschädel haben ihren Ursprung in Mittelamerika und spielten vermutlich eine wichtige Rolle bei der Nachstellung der Schöpfungsriten der Maya und bei der Vernetzung der Tempelanlagen.

Heilige Relikte oder außerirdische Artefakte?

Obwohl Forscher dutzende von Büchern und hunderte von Artikeln über die Kristallschädel geschrieben haben, haben doch nur wenige versucht, den Ursprung und den Zweck dieser Skulpturen zu erklären. Für einige sind sie Fälschungen aus dem 19. Jahrhundert, andere halten sie für außerirdische Artefakte, während wieder andere sie als Überbleibsel einer untergegangenen Zivilisation betrachten.

Möglicherweise lautet die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass sie ein wesentlicher Bestandteil alter Zivilisationen sind, vor allem der Kultur der Maya, die an den Fundstellen der Kristallschädel in Mittelamerika existierte. Könnten diese Schädel einige der wichtigsten Reliquien in den heiligen Tempelanlagen gewesen sein? Die Kristallschädel regen die Phantasie an, aber sind nicht einige dieser Schädel und ihre Geschichten zu schön, um wahr zu sein?

Der englische Künstler Damien Hirst ordnete seine Ausstellung „Beyond Belief“ (2007) um einen Platinschädel an, der mit 8.601 Diamanten (1.106 Karat) bestückt war. „For the Love of God“ ist ein lebensgroßes Modell eines menschlichen Schädels mit einem großen Diamanten auf der Stirn, der angeblich allein schon 4,2 Mio. US-Dollar wert ist. Hirst finanzierte dieses Projekt selbst und schätzte die Kosten auf etwa 20 bis 30 Mio. US-Dollar. Somit ist es das teuerste Stück moderner Kunst, das je geschaffen wurde. Er verkaufte den Schädel später für geschätzte 200 Mio. US-Dollar an eine nicht genannte Investmentgruppe.

Im vierten Teil der Indiana-Jones-Reihe, „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, liefert sich Indy ein Rennen mit sowjetischen Agenten um einen Kristallschädel. In einer der ersten Folgen der Fernsehserie „Stargate SG-1“ diente ein Kristallschädel, der von einer alten außerirdischen Zivilisation zurückgelassen worden war, als Transportmittel, mit dem Menschen von der Erde zum Heimatplaneten der Außerirdischen und zurück reisen konnten. Wie wir sehen, haben die Kristallschädel Hollywood und der Unterhaltungsindustrie gute Dienste geleistet. Dennoch basieren die Drehbücher der Filmindustrie auf bestehenden Theorien über die Kristallschädel, von denen einer schon vor 30 Jahren für 500.000 US-Dollar versichert wurde. Aber was sind sie nun eigentlich?

Der langsame Aufstieg der Kristallschädel zum Ruhm begann in den 1980ern, vor allem durch das Treffen des Forschers Joshua Shapiro mit Sandra Bowen und Nick Nocerino, die einen Kristallschädel namens Sha-Na-Ra besaßen. Nach und nach stieß Shapiro auf andere Kristallschädel, zum Beispiel den Maya-Kristallschädel, den Mitchell-Hedges-Kristallschädel und den Texas-Kristallschädel (auch bekannt als „Max“, der den Guatemalteken vermutlich von einem tibetischen Heiler überreicht worden war).
Im März 1989 erschien das Buch „Mysteries of the Crystal Skulls Revealed“, das Shapiro, Bowen und Nocerino gemeinsam verfasst hatten. Durch das Buch war es den Autoren möglich, verschiedene weitere Kristallschädel zu „treffen“, nämlich Windsong, Rainbow, Madre, Synergy und sogar zwei, die als Skully und ET bezeichnet wurden. ET ist ein Rauchquarzschädel, der im frühen 20. Jahrhundert in Mittelamerika gefunden wurde. Er erhielt seinen Spitznamen wegen seiner spitzen Schädelform und dem extremen Überbiss, die an ein außerirdisches Wesen erinnern; außerdem ähnelt er dem Schädel, den Indiana Jones im Film finden muss. ET gehört zur Privatsammlung von Joke Van Dieten, die mit ihren Schädeln umherreist, um deren Heilkräfte, an die sie glaubt, mit den Menschen zu teilen.

Heute sind mehrere Dutzend Kristallschädel in Umlauf. Die meisten davon sind das, was man am besten als „Kristallschädel der zweiten Generation“ bezeichnet – moderne Erzeugnisse, die Leuten gehören bzw. von Leuten „bedient“ werden, die die Schädel zum Heilen, zur Meditation, zum Channelling usw. benutzen. Aber es gibt auch ein Dutzend Schädel, die offenbar älter sind und deren Herkunft unklar ist. Diese Kristallschädel tauchten meist wie aus dem Nichts auf und wanderten häufig sofort in Privatsammlungen. Nur zwei Schädel befinden sich in Museen: einer in London und der andere in Paris.

Kontroverse um die Hersteller

Der englische Schädel ist Teil der Ausstellung im Museum of Mankind, wo er eines der wichtigsten Ausstellungsstücke ist. In der Erklärung dazu steht: „Ursprünglich für aztekisch gehalten, aber neuere Forschungen ergaben, dass er europäischen Ursprungs ist“, ein Erzeugnis aus dem späten 19. Jahrhundert. 1897 erwarb das Museum den Schädel für 120 £ von Tiffany & Co., dem berühmten Schmuckunternehmen mit Sitz in New York. Angeblich hatte Tiffany‘s den Schädel von einem vermögenden mexikanischen Soldaten erworben.

Im Jahr 2004 untersuchte Prof. Ian Freestone von der University of Wales in Cardiff den Schädel und kam zu dem Schluss, dass der Schädel mit einem rotierenden Werkzeug geschliffen und poliert wurde, das bei den Azteken nicht gebräuchlich gewesen sei (siehe: http://hnn.us/roundup/comments/9582.html). Freestone behauptete daher, dass die Skulptur postkolumbischen Ursprungs sei und fügte hinzu, dass diese Kristallart zwar in Brasilien, aber nicht in Mexiko, der Heimat der Azteken, vorkomme und dass „die Oberfläche des Schädels, in der kleine Blasen eingeschlossen sind, die im Licht glänzen, schärfer ausgearbeitet ist als die etwas runder wirkenden aztekischen Kristallrelikte, mit denen er verglichen wurde.“ Allerdings erklärte Freestone, es gebe trotz der deutlichen Hinweise, dass das Artefakt aus dem 19. Jahrhundert stamme, dennoch keinen hieb- und stichfesten Beweis dafür.
In den letzten Jahren wurde die Geschichte, wie das Britische Museum in den Besitz des Kristalls gelangt war, von Dr. Jane MacLaren Walsh von der amerikanischen Smithsonian-Institution untersucht.

Sie kam zu dem Schluss, dass sowohl der Schädel des Britischen Museums als auch derjenige im Musée de l’Homme in Paris von Eugene Boban verkauft worden waren. Boban war ein umstrittener Sammler von präkolumbischen Artefakten und Antiquitätenhändler, der etwa zwischen 1860 und 1880/81 in Mexiko-Stadt tätig war. Obwohl Boban vermutlich tatsächlich den Kristallschädel bei Tiffany’s zur Auktion angeboten hat, gibt es dafür keinen Beweis. Dagegen kann beim Schädel des Musée de l’Homme bewiesen werden, dass er 1878 von Alphonse Pinart gespendet wurde, der ihn wiederum von Boban gekauft hatte. In Bobans Katalog von 1881 findet sich noch ein weiterer Kristallschädel, „aus einem Stück und so groß wie ein menschlicher Kopf“, mit einem Preis von 3.500 französischen Francs der teuerste Artikel im Katalog. Möglicherweise fand er keinen Käufer und wurde deshalb bei Tiffany’s zur Auktion angeboten.

Nachdem sie diese Fakten ermittelt hatte, behauptete Walsh jedoch, dass die Schädel keine echten Artefakte, sondern stattdessen zwischen 1867 und 1886 in Deutschland gefertigt worden seien, da die deutschen Handwerker damals als Einzige über die entsprechenden Fertigkeiten verfügt hätten, um die Schädel zu schleifen.

Obwohl Boban umstritten war, unterschied er sich eigentlich nicht von den anderen Händlern auf den damaligen Antiquitätenmärkten, von denen einige wahre Schätze verkauften, wie zum Beispiel den Rosettastein, der bei der Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen half, oder die „Elgin Marbles“, Teile des Skulpturenschmucks des Parthenon in Athen, die noch heute für Unstimmigkeiten zwischen den Ländern sorgen, aus denen sie „exportiert“ wurden, und denen, die sie nun besitzen.

Dennoch gibt es nicht den geringsten Beweis dafür, dass Boban die Schädel aus Deutschland bezogen hatte. Viel logischer ist der Schluss, dass Boban, der sich ja in Mexiko betätigte, die Schädel in Mexiko erworben hatte. Völlig logisch wäre auch, dass sie, wenn sie tatsächlich aztekischen Ursprungs sind, auf dem Antiquitätenmarkt in Mexiko-Stadt angeboten wurden, wo Boban sie entdeckte. Obwohl dies das einleuchtendste Szenario ist, bevorzugt die wissenschaftliche Gemeinde offenbar die moderne Theorie, nach der die Schädel in Deutschland gefertigt wurden, was aber nicht bewiesen werden kann. Warum? Könnte es sein, dass sie sie lieber als Fälschungen bezeichnen, um möglichen Forderungen der mexikanischen Behörden aus dem Weg zu gehen?

In Bezug auf die Tatsache, dass die Kristallschädel mit einem rotierenden Werkzeug poliert wurden, erklärte selbst Professor Freestone, der die Schädel aus London und Paris 2004 untersucht hatte, dies bedeute nicht, dass es sich um moderne Erzeugnisse handele. Obwohl Freestone, Walsh und andere Forscher darauf hinwiesen, dass die Schädel nur mit geringer Wahrscheinlichkeit präkolumbischen Ursprungs seien, erklärten andere Fachleute wie etwa Professor Michael D. Coe von der Yale-Universität, die offensichtlichen Spuren eines rotierenden Werkzeugs bewiesen nicht, dass die Kristallschädel aus postkolumbischer Zeit stammten. Er sagte sogar, dass neue Beweise dem wissenschaftlichen Dogma widersprächen, keine präkolumbische Gesellschaft hätte ein rotierendes Schleifwerkzeug benutzt. Heute weiß man, dass hauchdünner Ohrschmuck aus Obsidian mit Hilfe eines rotierenden Schleifwerkzeugs hergestellt wurde und bis in aztekische und mixtekische Zeit zurückdatiert werden kann. Chris Morton und Ceri Louise Thomas zitieren in ihrem Buch „Tränen der Götter“ Coe wie folgt:

„Die Leute, die nur in ihren wissenschaftlichen Labors sitzen, können die ganze Vielfalt der Kultur, mit der sie sich beschäftigen, gar nicht ermessen. In Wahrheit wissen wir über diese frühen Kulturen nur die Hälfte von dem, was wir zu wissen glauben. Wir müssen unsere Annahmen neu überdenken.“
Walsh und viele ihrer Kollegen stellten Boban weitestgehend als Scharlatan dar, aber sie versäumten dabei zu bemerken, dass Boban bekanntermaßen echte antike Artefakte sowie eine Sammlung von seltenen Büchern und frühen mexikanischen Manuskripten besaß. Er hatte sogar eine wissenschaftliche Abhandlung verfasst, nämlich „Documents pour server à l’histoire du Mexique“ (Dokumente zur Erforschung der Geschichte Mexikos, 1891). Darüber hinaus zog er selbst gegen Betrüger und Fälschungen ins Feld, wie zum Beispiel im Jahr 1881, als er sich gegen die in den Vororten von Mexiko-Stadt hergestellten Fälschungen aussprach. Würde er da im selben Jahr seinen Ruf aufs Spiel setzen, indem er einen falschen Kristallschädel in seinen Katalog aufnimmt?

Die Verbindung zu Deutschland und die Behauptungen über Bobans Unredlichkeit stammen aus dem Brief eines seiner Konkurrenten, Wilson Wilberforce Blake. Er schrieb, dass man bei ihm und nicht bei Boban, der „nicht ehrlich“ sei, kaufen solle, warf Boban vor, dass dessen verkaufter Kristallschädel eine Fälschung sei und unterstellte zugleich, der Schädel sei in Deutschland gefertigt worden. Jedoch wurden diese Behauptungen nie bewiesen, und Blake hatte offensichtlich ein starkes Motiv, um Boban in Verruf zu bringen: Er hatte es auf Bobans Marktanteile abgesehen.

Kurz gesagt entdeckte Walsh also deutliche Hinweise darauf, dass Boban Kristallschädel besaß und sie auch verkauft hatte; aber in Bezug auf die Verbindung zu Deutschland stützte sie sich auf die Aussagen eines Mannes, der beinahe offen zugegeben hatte, dass er Bobans Standesehre in den Schmutz ziehen wollte. So gesehen ist die Geschichte, wie die Kristallschädel von der wissenschaftlichen Gemeinde behandelt wurden, typisch dafür, wie das wissenschaftliche Establishment mit solch ungewöhnlichen Funden umgeht und sie als Fälschungen abtut. Und Kenner der Szene wissen, dass sich die Smithsonian-Institution und das Britische Museum nicht zum ersten Mal in eine solche Kontroverse einmischen.

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