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Das Tagebuch zwischen den Flugzeugsitzen

Manchmal findet man Geschichten im Internet, die sind einfach zu gut, als dass man sich lange mit der Frage aufhalten sollte, ob sie auch stimmen. Für die Wahrheit der folgenden Geschichte können wir unsere Hand leider nicht ins Feuer legen – aber gepackt hat sie uns trotzdem. Angeblich wurde sie schon vor ein paar Jahren online veröffentlicht, aber seltsamerweise innerhalb weniger Tage wieder gelöscht. Jetzt ist sie erneut aufgetaucht – im zwielichtigen Verschwörungs-Forum GodlikeProductions.com. Wir haben die signifikanten Postings für Sie übersetzt. Viel Spaß beim Lesen!


Vor ein paar Tagen flog ich aus dem Urlaub heimwärts. Ich leistete mir ein First-Class-Ticket, weil ich über ein Upgrade verfügte […]. Während des Flugs rutschte mein Handy in die Sitztasche des Vordersitzes und ich musste eine Weile herumsuchen, um es wieder herauszukriegen. Dabei fand ich ein Tagebuch.

Es ist eins dieser im Laden gekauften, künstlerisch gestalteten Notizbücher. Es ist nicht sehr alt, aber offensichtlich schon längere Zeit in Gebrauch, und dürfte den Einträgen und der Handschrift nach aller Wahrscheinlichkeit nach einer Frau gehören. Die Einträge sind nicht datiert, sondern mit aufsteigenden Zahlen versehen; manchmal finden sich auch am Rand Zahlen oder Notizen. Der Name der Besitzerin oder des Besitzers ist nirgends verzeichnet, und alle darin vorkommenden Orte, Menschen und Dinge sind nur mit Buchstabenkombinationen oder Codenamen erwähnt.

Natürlich könnte es sich dabei um totalen Schwachsinn handeln, den ein „Akte X“-Fan hier zurückgelassen hat, um irgendeinem armen Kerl eine Heidenangst einzujagen – aber anderseits gibt es darin ziemlich viele Einträge, die bestimmten Mustern folgen. Ich habe einige Zeit damit zugebracht, sie zu studieren, und möchte sie jetzt anderen zugänglich machen; vielleicht kann sie ja jemand entschlüsseln. Ich selbst bin mittlerweise schon ziemlich besessen davon.

Ich werde jetzt also einige der interessanteren Einträge abtippen und veröffentlichen; vielleicht sogar mit ein paar Bildern, die nicht zu deutliche Hinweise auf die Person geben, um die es hier geht.

Die ersten Einträge:

17

Ich könnte einen Haufen Schwierigkeiten bekommen, weil ich das schreibe, aber scheiß drauf. Ich kann mit niemandem reden, außer mit decom snf iyd noy – als ob die einem jemals (?) helfen würden. Heute zur großen 17 geflogen. Riesenaufregung wegen des Outros in NOLA [wahrscheinlich New Orleans, Louisiana; Anm. d. Übers.]. Sicher, es ist nicht gut, aber wenigstens stellt keiner Fragen. Dazu sind sie viel zu besorgt, wegen der Kontrollen und der Touristen, und genau das will CC [Central Command? Anm. d. Übers.] ja auch. Wer hat denn je von Pearl gehört??

18

Sie haben mich für die Einstufung eingeteilt. MIST!!! Dabei würde ich viel lieber eine Ewigkeit schlafen. Vermisse Mama. Sie klang so traurig, als ich ihr sagte, dass ich dieses Jahr nicht zu Papas Geburtstag kommen kann.

(Anm.: Auslassung nicht durch mich, die Autorin setzt mit Nr. 33 fort.)

33

Endlich draußen aus der Einstufung! Die Leiter sind solche Trottel. Nein, ich habe keine Kontakte. Nein, ich bin kein Spion. Und wenn – glaubt ihr ehrlich, ich würde euch das erzählen?

Mit H und E abends gefeiert. Das beste kantonesische Essen meines Lebens. Habe an KRY St. gedacht und mir den Nudelturm bestellt. Es war so schön, die beiden zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten wie normale Menschen – obwohl es schon komisch war, E nicht in seinem üblichen Anzug zu sehen. Würde morgen ja lieber nicht abfliegen, aber da ist diese große Sache bei DB draußen. Wahrscheinlich sollte ich aufgeregt sein, aber die gehen ja alles derart langweilig und farblos an, dass ich fast selber schon so denke. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist …

(Anm.: Hier wieder eine größere Auslassung durch die Autorin; aber ich springe jetzt ohnehin zu dem guten Zeug weiter, weil die meisten der folgenden Einträge von ganz normalen Sachen handeln. Sie beklagt sich über eine Frau namens B und schreibt wieder, dass sie ihre Eltern vermisst. Aber jetzt folgen die Einträge, die ich echt irre finde.)

68

Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich in der Luft am wohlsten fühle, vor allem bei Überseeflügen. Da ist es manchmal draußen dunkel, alles schläft, die Lampen sind ausgeschaltet, und es gibt nichts als den Lärm der Maschine und die Sterne da draußen. Ich frage mich, ob es sich so anfühlt, Teil eines Kollektivs zu sein: wissen, dass rund um dich andere sind, sie auch zu spüren, aber trotzdem zu fühlen, wie die Isolation des eigenen Verstands einen niederdrückt.

Wahrscheinlich schreibe ich hier nur Scheiße. Egal.

Ich schaffe es halt einfach nicht, die Gedanken an die Tivs aus dem Kopf zu kriegen. Ich weiß schon, dass niemand daran schuld war, sicher. Und ich weiß auch, dass da drinnen nichts von ihnen übrig ist, dass das alles eine neue Masse ist – aber wenn ich ihre leeren Augen blinzeln sehe, sobald ich meine eigenen Augen zumache, kriege ich eine Gänsehaut. Die bloße Vorstellung, so festzustecken … sehen sie eine Rettungsleine? Oder sitzen sie einfach ewig in dieser Dunkelheit fest und nehmen nur gelegentlich winzige, weit entfernte Lichtpunkte wahr?

70

Habe eine Verwarnung bekommen, weil ich ein zu farbenfrohes Kleid getragen habe. Ist das nicht absolut lächerlich? Andererseits rekrutieren die ihre Leute wahrscheinlich nicht wegen ihres Aussehens. Keiner von uns ist besonders schön oder hässlich, sondern eben so durchschnittlich wie möglich. Ich schätze, das ist Absicht. Es fehlt mir dennoch, bunte Farben zu tragen und mich zurechtzumachen. Es sind immer nur die bekannten Gesichter, die auf all die Bälle und Partys gehen dürfen. Unfair. Na ja, eines Tages vielleicht …

Aber ich werde das Kleid nicht zurückgeben. Es gefällt mir, und es war im Ausverkauf! Ich nehme es halt immer auf meine Reisen mit. Irgendwann und irgendwo werde ich es tragen dürfen.

(Anm.: Ich überspringe jetzt wieder einiges. Der nächste Eintrag stammt von einer der Seiten mit am Rand vermerkten Zahlen.)

19 3765 2280 1

101

Habe heute meinen ersten CLO gesehen – also, eigentlich gleich drei von ihnen. H und ich gaben einem der Gesichter Geleitschutz durch das DCB [Dienststelle in Washington, D. C.? Anm. d. Übers.]; vier der Betreuer führten sie durch. Zwei von ihnen müssen ziemlich alt gewesen sein. Sie waren vollständig in lange, rot-orangene Gewänder eingehüllt. Der letzte könnte jung gewesen sein. Er trug ein kürzeres, grünes Gewand und eine tolle Maske, ganz aus Gold und Edelsteinen, mit diesem neutralen Gesichtsausdruck, den sie Fremden gegenüber immer aufsetzen.

Ich glaube, ich könnte nicht mit den CLO arbeiten. Es wäre mir unmöglich, in ihrer Gegenwart objektiv zu bleiben. Sie haben etwas an sich, das mich anzieht, Schwingungen oder so. Vor allem der jüngere. Er hat sich zu mir gedreht und mich direkt angeblickt, was selten ist, wie ich höre. H behauptet, er habe nur ins Leere geschaut, aber ich habe genau gespürt, wie er mir seine Aufmerksamkeit zugewandt hat. Das ist wie eine Droge. Und noch dazu sind sie so elegant und anmutig. Wahrscheinlich liegt es an dem Mysterium, mit dem sie sich umgeben.

H hasst sie. Er wäre wohl als Betreuer geeignet.

102

A und Mama angerufen. Sie klingen ganz OK, aber unser Hund Pooch ist krank. Er ist schon alt. Hoffentlich komme ich noch heim, bevor es mit ihm zu Ende geht. Wäre traurig, wenn ich mich nicht von ihm verabschieden könnte.

103

Reisetag. Bitte, erschießt mich!

(Anm.: Auf diese Zeile folgen ein paar Kritzeleien von Blumen und einem Storch.)

104

Liebes Hauptquartier!

Gebt uns die Ausrüstung nicht, wenn ihr nicht wollt, dass wir sie einsetzen. Arschlöcher.

Alles Liebe

H und I

Was es noch Neues gibt? Ich habe wieder einmal von dem grünen CLO geträumt. Das heißt, ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich weiß, dass diese Träume von ihm handeln – es sind nur abstrakte, farbige Bilder, an die man sich nach dem Aufwachen kaum erinnern kann, aber die Schwingungen fühlen sich genauso an.

Schon wenn ich das aufschreibe, komme ich mir verrückt vor.

Das einzige, an das ich mich richtig erinnere, ist seine Maske. Sie ist mit denselben Edelsteinen ausgestattet wie damals, und sie ist auch aus Gold – aber diesmal lächelt sie. Ich kann fast seine Augen dahinter erkennen. Sie glänzen.

108

Scheißtypisch! Das Hauptquartier hat beschlossen, uns auf die Jagd nach einem Hamsterer zu schicken. Sie behaupten zwar, dass der Auftrag zufällig an uns ging, aber H und ich wissen genau, dass das Quatsch ist. Wir haben mit den Einheimischen geredet, und H hat sich viel zu wohl dabei gefühlt, den großen Detektiv zu spielen. Nachher habe ich ihm gesagt, er soll diesen CSI-Blödsinn lassen. Naja, wenigstens hat er ein paar Stunden lang nicht wegen der Braves [wahrscheinlich die Atlanta Braves, eine US-Baseball-Mannschaft; Anm. d. Übers.] herumgejammert.

Der Gestank war schrecklich, das kann sich kein Mensch vorstellen. Überall Scheiße. Es sah so aus, als hätte er irgendwann ein paar Haustiere gehabt, aber von denen war ansonsten keine Spur mehr zu sehen. Vielleicht hat er ja auch einfach nur Scheiße gesammelt. H behauptet, dass sie sowas tun. Er hat sich sein Nest im Schrank des Elternschlafzimmers gebaut, und genau dort haben wir ihn auch gefunden. Witziges Detail am Rande: Einer von der alten Garde hat gesagt, dass sie über ihre Haut gelben Schleim absondern. Das glaube ich sofort.

Wir haben ihn mitgenommen, aber vorher hat er noch Hs Beine total vollgepisst. Keine Ahnung, was sie mit der Wohnung machen werden – hoffentlich in Brand stecken. Ich brauche dringend eine Dusche und ein chemisches Peeling.

(Anm.: selber Tag, neuer Eintrag nach einer Leerzeile)

Schon wieder von dem CLO geträumt, beinahe sein Gesicht gesehen. Morgen die alte Garde fragen.

(Anm.: Am Rand der Seite steht eine Einkaufsliste.)

Milch

Mehl

Rasierklingen

Müsli

Schokoriegel

Kreuzkümmel

Huhn

Klementinen

109

Habe einen von den Veteranen über die CLO ausgefragt. Er hatte bisher nur mit einer kleinen Zelle im Zentrum von L. A. zu tun und schwört, dass er das Gesicht von einem gesehen hat, als sich einmal eine Maske verschob; der Gesichtsausdruck war zornig, weil die Betreuer Mist gebaut hatten. Wenn sie zornig werden, soll man eigentlich nicht hinsehen. Er weiß auch nicht, was das grüne Gewand bedeutet – vielleicht, dass der CLO irgendeine Krankheit hat. Er behauptet, dass ihre Haut Risse kriegt, wenn sie sich zu lange im Freien aufhalten, und dass sie dann irgendeine Ritual-Lotion auftragen müssen, um sie zu reparieren. Habe ihm nichts von meinen Träumen erzählt.

Wir haben schon wieder einen Hamsterer gekriegt. Was für eine Freude!

110

Das mit dem Hamsterer war nicht so schlimm wie befürchtet. Aus irgendeinem Grund stand er auf Spielzeug, und der Geruch war lange nicht so schlimm wie beim letzten Mal. Ich habe ihn mit meinem Armreif aus der Badewanne gelockt. Gott sei Dank war der billig – verwenden werde ich ihn nämlich nie mehr können. Das Ding sah aus wie eine alte Frau und kaute mit seinem zahnlosen Mund auf dem Armreif herum, während ich ihn hinausbeförderte. H meckerte herum, weil er mich nicht angepisst hat und der vorige ihn schon. Was soll ich machen, ich bin einfach gut!

Aber vielleicht sollte ich gar nicht gut sein. Wenn ich noch mehr mit Hamsterern zu tun bekomme, erschieße ich mich. Ja, genau, decom, ich werde mich erschießen …

111

Pooch ist gestorben, und ich konnte mich nicht von ihm verabschieden. Morgen muss ich wieder reisen. Ich bete zu Gott, dass ich zu Thanksgiving frei bekomme. Steht mir zu, glaube ich. Vielleicht schicken Sie H als meinen „Freund“ mit. Dann kann er sich gemeinsam mit meinem Papa über die Baseball-Ergebnisse ausweinen.

(Anm.: Der nächste Beitrag enthält wieder Zahlen, diesmal oben auf der Seite.)

192 1 11 191 82991 m. links

115

Diesmal konnte ich beinahe sein Gesicht sehen. Ich glaube, ich muss in den sauren Apfel beißen und decom Bericht erstatten, obwohl mir die Träume nichts ausmachen. Bin nur neugierig.

117

THANKSGIVING FREI BEKOMMEN! Ich hätte fast geweint und am liebsten gleich Mama angerufen. Kindisch. Ich weiß gar nicht mehr genau, wann ich das letzte Mal zu Hause war – aber jetzt plane ich schon genau, was wir essen werden, obwohl es noch zwei Monate dauert bis dahin: marinierten Truthahnbraten, gebratene Süßkartoffeln und unbedingt diese Hefebrötchen.

Bin total glücklich.

Außerdem retcom für das Trainingslager in MN [Minnesota? Anm. d. Übers.] morgen. Habe mich getraut, H zu fragen, ob wir dort Teambildungsübungen machen werden. Er auf keinen Fall, hat er gesagt – aber es erinnert mich trotzdem an eines dieser blöden Freizeitlager aus meiner Schulzeit. Wenn ich noch einmal im Leben auf einem Brett und mit einem Stück Schnur über glühende Lava gehen muss, dann …

Idee: Lava-Schuhe

(Anm.: am unteren Seitenrand:)

NICHT DEN 24.09. VERGESSEN!

(Anm.: Hier ist wieder eine Lücke. Es folgt der nächste Eintrag nach Nr. 117.)

125

Wow! Unglaublich, dass es so etwas wie das MN-Lager überhaupt gibt. Das kann einen echt von der Macht des CC und der Gesichter überzeugen. Eine Reihe Blockhäuser nach der anderen – und fast 50 NSTATs, die hier Tag für Tag abgefertigt werden. Wir haben mit einer Tour durch die Anlage begonnen und hatten den ganzen Tag Zeit, uns mit den Haftbedingungen auseinanderzusetzen. Wahrscheinlich wollte man uns damit etwas sagen. Bei unserem Rundgang sahen wir zwei Thetas, die an Pfosten aufgehängt waren. Sie machten diese schrecklichen Geräusche; ich könnte schwören, dass das ihre Art ist, zu weinen. Kann gar nicht anders sein.

Im F-Block befindet sich der größte Tiv, den ich je gesehen habe – 40 bis 60, schätze ich. Sie liegen alle übereinander, also kann man sie nicht wirklich zählen. Wir haben gesehen, wie sie einen der neueren hineingeschleppt haben. Sah aus wie moosbewachsene Haut. Er hat dauernd den Mund geöffnet und geschlossen. Die Anzüge haben gesagt, er sei völlig hinüber, aber das glaube ich nicht. Wenn irgendwie möglich, möchte ich keinem dieser Dinger jemals zu nahe kommen.

Sie ließen mich dann ein bisschen Zeit mit einem RomTom verbringen, das unglaublich süß war. Meine Haare gefielen ihm. Und es sagte immer wieder: „Die ganze Zeit. Die ganze Zeit. Und wir wollen es die ganze Zeit.“ Vielleicht hat es das in einem Lied gehört.

Keine Träume in der Zeit, die ich mich hier aufhielt. Die Landschaft ist schön, aber in den Wäldern rund um das Lager gibt es nur Vögel und Eichhörnchen, also war es zu still. Nächstes Mal muss ich ins AR-Lager [Arkansas? Anm. d. Übers.]. H sagt, dass er sich kurz vor dem Ende seiner Dienstzeit für die Arbeit in einem der Lager bewerben wird. Ist angeblich gut bezahlt. Ich möchte trotzdem keinem Tiv zu nahe kommen, und die Abfertigung könnte ich unmöglich übernehmen. Also mache ich lieber meinen Job weiter. Eine kürzere Lebenserwartung ist ja auch nichts Wünschenswertes.

127

Wieder im Flugzeug. Manchmal frage ich mich, warum sie gerade mich für den Job ausgewählt haben. Es ist zwar nicht so, dass sie eines Tages vor meiner Tür gestanden hätten, aber sie müssen mich von vornherein für ihre Rekrutierungszwecke im Auge gehabt haben – wer weiß, wie lange schon. Kommt mir auch so vor, als hätten wir alle dasselbe Persönlichkeitsprofil: soziale Kompetenz und dennoch Einzelgänger. Wir haben keine Wurzeln, aber irgendwie fühlten wir uns alle auf diesen Weg berufen. Wir waren nur aus logischen Überlegungen heraus mutig.

Heute kann ich nicht mehr zu den Sternen hinaufschauen, ohne das Gefühl zu haben, dass von dort oben etwas zurückstarrt. Es fehlt mir wirklich, wie es früher war. Genauso, wie ich nie geglaubt hätte, dass ich mir einmal wünschen würde, immer im selben Bett zu schlafen und nach dem Aufwachen ein richtiges Frühstück zu mir zu nehmen. Und ich hätte mit Sicherheit nie gedacht, dass ich Menschen vermissen würde, die ich nie gekannt habe.

Nach Thanksgiving werde ich decom wegen der CLO-Träume fragen. Ich will nicht, dass sie ein Veto gegen mich einlegen, weil ich durch die verdorben bin oder sowas.

128

Mit B, H, E und J ausgegangen. B ist nach wie vor eine blöde Schlampe, das überrascht niemanden. Aber immerhin habe ich ein phantastisches Phat Thai gegessen und mir danach gedacht, dass mir das Kochen sehr fehlt. Kann Thanksgiving kaum noch erwarten.

129

Und natürlich war der 22.07. unsere Schuld. Ist ja logisch. [Am 22.07.2011 führte Anders Breivik übrigens seine Anschläge in Norwegen durch … Anm. d. Übers.] Ich werde ganz verbittert, wenn ich nur dran denke. In ein paar Tagen müssen wir wieder ins DCB. Bin irgendwie nervös und zugleich erregt – und gleich noch nervöser, weil ich so erregt bin. Wahrscheinlich werde ich ohnehin nichts sehen. Ich arbeite schon wie lange hier? Und soll noch nie einem CLO begegnet sein?

130

Soeben von der Zentrale erfahren, dass wir umgeleitet werden. Na, wunderbar! Anscheinend ist irgendwo da unten was Größeres passiert, und da brauchen sie ein paar Teams, die sich das näher ansehen. Keine Ahnung, warum sie die Zeit und das Geld investieren, uns einzufliegen – aber soll ich vielleicht mit denen diskutieren, wofür sie ihr Geld ausgeben? Außerdem wissen wir ja gar nicht, wie viele Teams es gibt. H meint, wir sollten uns geehrt fühlen. Ich habe ihm gesagt, er sei ein Arschkriecher.

(Anm.: Zahlen am unteren Seitenrand, daneben eine Zeichnung, die vielleicht ein Flugzeug darstellt.)

77 288 12 3 294 + exo!

(Anm.: Ich glaube nicht, dass sich irgendwas in diesem Tagebuch auf okkulte Dinge bezieht, wenigstens nicht direkt. Die Verfasserin scheint eher wissenschaftlich zu denken. Aber vielleicht ist das auch nur meine Interpretation. Jedenfalls ist der nächste Eintrag der bisher geheimnisvollste von allen.)

132

Die Veteranen sagen immer, dass man die erste Begegnung mit den SP nie vergessen wird. Schätze, sie haben recht. Obwohl ich nicht einmal mit einem Hut zu tun hatte, war es total unheimlich.

Es hat uns ins unterirdische New York City verschlagen. Wir teilten uns in Vierer- und Sechsergruppen auf und hatten ein paar Hunde dabei. Es ist fast unmöglich, sich in dem Labyrinth da unten zurechtzufinden. Ich kann nicht erkennen, ob wir diese Tunnels gegraben haben oder jemand anderer. Je tiefer man nach unten kommt, desto heißer wird es, und überall wimmelt es von Kakerlaken. Und Ratten. Eine der anderen Frauen hatte Angst vor den Ratten und begann zu atmen wie ein Affe, um nicht durchzudrehen. H hat gefragt, ob sie da hinten vielleicht ein Kind zur Welt bringe.

Wir waren im südöstlichen Quadranten. Man hatte uns angewiesen, an bestimmten Stellen Lampen aufzuhängen, um sie herauszulocken. Ich habe das erst verstanden, als wir den ersten gesehen haben. Sie schlittern gern um Ecken und bleiben mitten in Eingängen stehen. Wenn man überhaupt einen SP sehen will, braucht man dieses Spiel von Licht und Dunkel. Wir stehen also herum und warten, bis einer auftaucht. Es wurde richtig kalt und ich verspürte diese Angst, von der dir alle erzählen. H und der andere Typ ließen ihre Lampen ausgehen. Die Hunde drehten durch. Die Funkverbindung brach praktisch zur Gänze ab, aber das war unser Glück, weil die da oben das zum Anlass nahmen, ein Team runterzuschicken, das uns da rausholte.

Eines der anderen Teams hat anscheinend die oberste Regel gebrochen und sich irgendwie voneinander trennen lassen. Als ein paar SP auftauchten, geriet einer der beiden in Panik und rannte drauflos, dorthin, wo er den Ausgang vermutete. Wir haben aus allen möglichen Ecken Signale von ihnen aufgefangen, und jetzt wollen sie Hundeteams reinschicken, um sie aufzuspüren. Der eine Typ hat wirklich geweint – er glaubt, dass er einen Hut gesehen hat.

So, jetzt reicht’s. Wenn ich weiterschreibe, kann ich heute nacht garantiert nicht schlafen.

In zwei Tagen im DCB.

133

Man hat uns in decom über die SP-Folgen gewarnt, aber ich dürfte Glück gehabt haben. Ich sehe jetzt bloß aus dem Augenwinkel ein paar Dinge, und manche Objekte an der Wand wirken so, als bewegten sie sich. Ein Flüstern höre ich auch. Das Witzige daran ist, dass ich decom gefragt habe, ob sich das alles nur in meinem Kopf abspielt oder ob sich die irgendwie an mich gehängt haben – und keine klare Antwort gekriegt habe. Typisch, aber ganz und gar nicht beruhigend. H hat mir angeboten, mich in mein Zimmer zu begleiten und mit mir Pizza zu bestellen. Wir haben uns einen furchtbar blöden Sciencefiction-Film angeschaut und beim Zimmerservice überteuertes Bier bestellt. Danke, liebe Zentrale!

Es hat auch geholfen – aber kaum war H weg, hat das Flüstern wieder angefangen.

(Anm.: selber Tag, aber ein paar Leerzeilen weiter)

Sie kriechen in meinem Kopf herum. Ich hasse das.

134

Heute hat eine Frau im Flugzeug ein Gespräch mit mir begonnen. Sie hat ewig von ihren Kindern erzählt und davon, dass ihr Mann im Irak ist. Dann wollte sie wissen, was ich tue. Manchmal erfinde ich in solchen Situationen interessante Geschichten – zum Beispiel, dass ich Floristin oder Bäckerin bin –, aber diesmal war ich so müde, dass ich einfach nur behauptet habe, ich hätte einen Schreibtischjob. Die hat so UNGLAUBLICH VIEL gefragt! Ich musste dauernd daran denken, dass man diese Frau eigentlich für die Abfertigung rekrutieren sollte. H und E haben nachher gemeint, dass sie wahrscheinlich eine Spionin war. Irgendwann hat sie mich dann höflich, aber doch sehr künstlich angelächelt und während des restlichen Flugs kein Wort mehr mit mir geredet.

War irgendwie alles recht unangenehm und peinlich, hat aber doch ganz gut gezeigt, was für eine riesige Kluft mittlerweile zwischen denen und uns klafft. Wenn ich mit meinen Eltern rede, ist es noch schlimmer. Sie haben mich zwar immer unterstützt und lieben mich auch, aber ihre Stimmen verraten, dass sie sich Sorgen machen und von mir enttäuscht sind. Wahrscheinlich halten sie mich insgeheim für eine Drogenschmugglerin oder sowas. Und sie fragen immer, warum ich mich nicht mit Männern treffe. Ganz einfach – soll ich dem Typen vielleicht beim Kaffee sagen „Ich habe in meiner Arbeit mit all den üblen Dingen zu tun, von denen du nichts wissen darfst“?

(gezeichnete Sternchen am Seitenrand)

136

Wieder im DCB. Heute kein CLO zu sehen. Ich weiß nicht, ob ich so nervös bin, weil sich das alles in meinem Kopf abspielt oder …weil sich dasalles in meinem Kopf abspielt. Beim Mittagessen habe ich neben zwei Anzügen gesessen, die sich gefragt haben, wo die CLO wohl ihre Masken hintun. Ich glaube, sie bewahren sie in ihren Ärmeln auf oder in dieser großen Falte vorne an ihren Gewändern, aber ich habe keine Ahnung, wie sie sie so flink wechseln können. Sie sind so schnell!

CC und HQ [Headquarters = Zentrale; Anm. d. Übers.] wollten einen vollständigen Bericht über den SP-Zwischenfall im SE-Quadranten [südöstlich; Anm. d. Übers.] in NYC. Ganz schön viele Abkürzungen, oder? Anscheinend ist das eine Team-Mitglied nach wie vor verschwunden, und es herrscht ganz schöne Aufregung deswegen. Keiner mag die SP, aber es gibt so wenige interne Informationen über sie, dass praktisch niemand etwas gegen sie unternehmen kann. Also wird sich CC einfach so lange aufplustern, bis die Anzüge zufrieden sind. Nicht, dass es sie wirklich kümmert – sie wollen nur, dass nach außen hin alles ruhig erscheint. NOLA war ein Glückstreffer.

137

Das mit den SPs hat aufgehört. Endlich wieder eine Nacht, in der ich durchschlafen konnte!

138

Was für ein Tag! Bin total erschöpft, aber ich darf nicht vergessen, irgendwann noch das mit den Maschinenelfen und V niederzuschreiben. Außerdem muss ich UNBEDINGT daran denken, den Flug für Thanksgiving zu buchen!

(Anm.: Leider erwähnt sie die Maschinenelfen oder V nie mehr in diesem Tagebuch. Und das Zeug über Thanksgiving wollen Sie nicht wirklich lesen. Es geht darin nur um ihre Familie, kein einziges Wort über ihren Job. Es wäre irgendwie nicht richtig, diese Einträge hier zu veröffentlichen.)

(Anm.: Zahlen am oberen Seitenrand)

192 1 17 284 32844

151

Angeblich soll es bald eine Neuorganisation des Teams geben. Ich hoffe, dass sie uns nicht trennen werden. Glaube ich aber sowieso nicht, weil CC uns immer wieder einhämmert, wie unglaublich wichtig Vertrauen und Kommunikation sind. Es hat lange genug gedauert, aber H und ich sind jetzt richtig aufeinander abgestimmt. Außerdem wäre es extrem mühsam und langwierig, den ganzen Einarbeitungsprozess noch einmal durchzumachen.

152

Hs Koffer sind nicht angekommen. Der schlimmste Reisetag von allen. Die bei der Gepäckausgabe in ATL [Atlanta; Anm. d. Übers.] waren extrem unhöflich, und die Hälfte der Leute hinter uns hatte anscheinend keine Ahnung, wie man Schlange steht. Eigentlich sollten wir uns ja nie auf unseren offiziellen Status berufen, aber H stand kurz davor, die Zentrale anzurufen, weil er so sauer war. Irgendwann haben wir sein Gepäck dann doch gekriegt. Ich werde nie begreifen, warum die Gesichter und Anzüge mit privaten Charterflügen unterwegs sein dürfen und wir nicht. Man stelle sich vor, einer von uns dreht da oben durch – das wäre doch das letzte, was man sich wünschte. Außerdem haben wir nie nebeneinanderliegende Sitze. Meistens sind wir nicht einmal in derselben Maschine.

Nachher geht’s weiter ins CO-Lager [Colorado?; Anm. d. Übers.], was mich überhaupt nicht freut. Ich hasse die Abfertigung und fühle mich dort immer klaustrophobisch.

153

Die Träume haben wieder angefangen. Sie stören mich nicht, aber ich werde wirklich bald in den sauren Apfel beißen und decom Bericht darüber erstatten müssen. Vielleicht können die mir helfen, das besser zu verstehen, oder mir wenigstens was geben, damit ich besser schlafen kann. Die Langgedienten behaupten, dass die halbe Mannschaft dort auf Tabletten sei. Glaube ich sofort.

Immerhin waren wir heute im Aquarium. Es hat in Strömen geregnet, also war es dort unglaublich voll – aber trotzdem wunderschön. Ich stand neben ein paar Kindern, die jedes Mal absolut ausflippten, wenn ein Hai vorbeischwamm. Absolut süß!

(Anm.: Auf der Rückseite steht „Copyright 2003“ – vielleicht ein Hinweis?}

160

Das CO-Lager ist für mich einer der unheimlichsten Orte der Welt. Einerseits ist es nur etwa zu einem Drittel gefüllt, sodass die meisten der Blockhäuser leer sind und einfach nur wirken, als würden sie auf etwas warten. Und andererseits haben sie einen ganzen Block voller „Spezialfälle“, die nicht einmal wir sehen dürfen. Nur die Anzüge und die Veteranen dürfen dieses abgesperrte Gelände betreten. Ich will nicht einmal wissen, was dort drin ist. Kein Wunder, dass sich die Einheimischen hier über Orbs beklagen.

Wir haben E wiedergesehen, was H sehr sehr froh gemacht hat. Wir mussten eine Art Massenabfertigung für die Lagerhäuser machen, was damit endete, dass wir stundenlang „Office Space“ [„Alles Routine“, US-Film von Mike Judge, 1999; Anm. d. Übers.] zitiert, während wir das Inventar verschiedener Wohnungen durchforstet haben. Also ehrlich, was die für Zeug sammeln! Die Hälfte davon hat nach Hamsterern gestunken. E sagt, dass sie dieses Jahr drei große Fälle in den Bergen hatten. Einer von ihnen hat ausgerechnet alle Arten von Zähnen gesammelt – war sicher nett. E war im AR-Lager und hat sich mit Vögeln befasst. Immer lustig.

Ich habe E endlich von meinen Träumen erzählt, als wir in so einer schummrigen Bar was trinken waren. Sie hat mir geraten, ich solle unbedingt mit decom darüber sprechen. Niemand versteht die CLO, also könnte das einfach alles Mögliche bedeuten. Nur die zu privaten Dinge solle ich weglassen.

161

Wie kann es sein, dass es hier in INB immer nur regnet? J tut mir richtig leid. Was für ein jämmerlicher Ort. Typisch, dass wir ausgerechnet vor Weihnachten hier festhängen. Ich wollte eigentlich nach Hause fliegen, aber das zu entscheiden liegt gerade nicht bei mir. Meiner Ansicht nach sollte das decom tun – aber seien wir doch ehrlich: An uns armen Schweinen bleibt immer alles hängen.

(Anm.: Wir nähern uns dem Ende der Einträge. Zahlen am Seitenrand)

191 1 11 481 17 (gelöscht)

163

Werde gleich morgen früh mit decom reden. Wünscht mir Glück. Ich habe H alles erzählt, und er wollte mir einreden, dass ich mir das alles nur einbilde. Wahrscheinlich hat er recht. Aber ich gebe in diesem Fall lieber klein bei und handle nach Vorschrift, als das länger für mich zu behalten.

INB hat uns wegen irgendwelcher Renovierungen in einem Hotel untergebracht. Sieht so aus, als würde ich erst wieder duschen, wenn ich hier raus bin. Ich kann einfach keine Hoteldusche mehr benutzen, seit wir diesen NSTAT geschnappt haben, der H an einen Gecko erinnerte. Dabei hat er ganz und gar nicht wie ein Gecko ausgesehen. Er war ein Kriecher. Hotelduschen mag doch sowieso kein Mensch.

164

So, jetzt habe ich bei decom also alles ausgespuckt. Angefangen habe ich nur mit ein paar Andeutungen, aber die kriegen sowieso alles aus einem raus. Sie haben gesagt, ich hätte nicht so lange warten sollen; vielleicht sieht das jetzt schlecht aus in meiner Bewertung. Aber was hätte ich denn sagen sollen? Jedenfalls werden sie die Information ans DCB weiterleiten und wollen, dass ich mit dem CH rede. Den grünen CLO habe ich ihnen auch beschrieben, aber das war ungefähr so hilfreich, als hätte ich von „diesem Typen“ gesprochen. Wer weiß, welcher von denen es wirklich war? Sie machten zwar den Eindruck, Bescheid zu wissen – aber … naja, decom eben. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben sie jetzt irgendeine Eintragung über mich gemacht, und das war’s.

H ist wütend. Er gibt es zwar nicht zu, aber ich merke das. Werde ihm nachher Bier vorbeibringen, um alles wiedergutzumachen.

165

Mit Mama geredet. Papa und A hatten wieder einen heftigen Streit. Manchmal freue ich mich richtig, dass ich so viel unterwegs bin, aber es tut mir auch weh, sie so aufgeregt zu hören. Ich glaube, sie macht sich Vorwürfe, weil ich fortgegangen bin.

(Anm.: Auf dieser Seite steht etwas sehr nahe am Buchrücken, das ich nicht entziffern kann. Vielleicht ist es ja auch nur eine Kritzelei, aber ich halte es eher für Wörter. Gegen Ende des Tagebuchs tauchen solche Zeichen öfter auf.)

170

Endlich wieder einen Augenblick Zeit! Wir sind irgendwann wieder im DCB gelandet und ich hatte einen Termin mit dem CH. Die Betreuer faszinieren mich. Die Nähe zu den CLO scheint sie viel gleichmütiger zu machen; oder zumindest dazu anzutreiben, weniger Gefühle zu zeigen. Sie reden immer so sanft und besonnen, als würden sie als Therapeut in einem Kurbad arbeiten.

Der CH hat gesagt, Träume wie meine wären nichts Ungewöhnliches und müssten keine bestimmte Bedeutung haben. Gelegentlich nehmen die CLO einfach auf diese Art Kontakt auf. Er glaubt zu wissen, von welchem ich spreche. Das Grün muss etwas bedeuten, aber das darf er mir natürlich nicht erzählen. Momentan haben sie gerade irgendein Fest oder auch Feiertage, also kann man sich nicht einmal mit der örtlichen Zelle in Verbindung setzen. Trotz allem war der CH sehr nett und hat mich gefragt, ob ich je daran gedacht habe, Betreuer zu werden. Ich habe ihm geantwortet, ich würde es mir überlegen. Wer weiß, vielleicht mache ich das ja wirklich …

Er riet mir, diese Meditationsmethode mit dem weißen Licht anzuwenden, aber die habe ich noch nie richtig hinbekommen. Meine Gedanken schweifen zu sehr ab – und abgesehen davon halte ich das sowieso alles für Schwachsinn. Ich weiß schon, wie ironisch es eigentlich ist, dass ausgerechnet jemand wie ich etwas als Schwachsinn bezeichnet, aber so ist es eben. Wir alle ziehen unsere Linien durch den Sand.

171

Demnächst erwartet uns wieder die Prüfung zum Quartalsabschluss. Hoffentlich kriegen wir nicht wieder diese Schlampe vom letzten Jahr! Zwei Stunden lang sinnlose Befragungen und Papierkram, während alle anderen in einer halben Stunde fertig waren. Verschwendete Zeit.

172

Bin aus bizarren Träumen aufgeschreckt und habe in der Nacht die CLO singen gehört. Die haben das gesamte DCB geweckt. Ich schätze, das tun sie eben von Zeit zu Zeit. Es war nicht wirklich hörbar, sondern eher ein Gefühl, das aber den gesamten Körper durchdrang. Man kann es nicht beschreiben, ohne geisteskrank zu wirken. Es war wie Wind, der durch Rohre pfeift. Hatte noch eine Stunde danach Kopfschmerzen.

Trotz allem erlebt man bei diesen Einsätzen oft erstaunliche Dinge. Nicht alle davon sind schlecht, und auch wenn diese Träume komisch waren, sind sie doch nichts gegen die Erfahrungen, von denen die Veteranen berichten. Ich frage mich immer wieder, wann ich genug haben werde und aufhören will. Nicht, dass jemals wirklich jemand hier rauskommt, aber dann kriegt man eben einen Job im Lager oder so, irgendwas Ortsgebundenes. Früher war ich gern auf Reisen, aber auf die Dauer strengt es sehr an. Ich wäre schon froh, wenn ich ein paar Wochen an ein und demselben Ort bleiben könnte. Vielleicht bewerbe ich mich wirklich eines Tages für einen Posten als Betreuer.

(Anm.: Da ich schon sehr müde bin, springe ich jetzt direkt zu den letzten paar Einträgen weiter.)

191

Wir wurden zu einem Feuerteufel-Einsatz gerufen, aber dann stellte sich heraus, dass das Zweierteam vor Ort schon an dem Fall dran war. Unheimlich viel Papierkrieg und Bürokratie – also konnten wir einen ganzen Tag lang auf Rechnung des HQ spazierengehen. Sehr nett!

Ich glaube wirklich, dass E schwanger ist. Sie hat zwar nichts gesagt, aber zwischen ihr und H läuft definitiv irgendwas. Beim Mittagessen konnte man die Spannung förmlich mit Händen greifen. Abgesehen davon war die Stadt wunderschön, und es war ein herrliches Gefühl, rauszugehen und wieder einmal unter Menschen sein zu können. Ich hätte nie gedacht, dass mir größere Menschenmengen je abgehen würden, aber mittlerweile ist es so. Wir sind ja doch alle Herdentiere – wenigstens ich. Kein Wunder, dass sie so geil darauf sind, Tivs zu erforschen.

Ich würde ja sagen, dass mir das eine Gänsehaut einjagt, aber lassen wir das Thema lieber.

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In den Lagern herrscht ein Geruch, den ich nicht wirklich zuordnen kann. Nicht Holz oder Sägespäne, aber etwas ganz Ähnliches. Es fällt mir einfach nicht ein. Einer von den Anzügen hat einmal gesagt, es erinnere ihn an den Geruch der eingefrorenen Mehlwürmer, mit denen er als Kind immer seine Eidechse gefüttert habe. Reizend!

(Anm.: selber Eintrag, wieder nach einer Leerzeile weiter)

Ich bin aufgewacht, weil ich einen schrecklichen Druck auf der Brust verspürte und das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu kriegen. Vorher hatte ich geträumt, dass ich in einem roten Meer schwamm und nicht auftauchen konnte. Ich wusste zwar, dass da oben Luft war, aber ich konnte mich nicht bewegen und trieb auch nicht von selber an die Oberfläche.

Habe eine Email vom CH gekriegt, der sich erkundigt hat, wann ich wieder ins DCB komme. Anscheinend wollen sie irgendwas vorbereiten. Ich fürchte mich davor, kann aber nicht leugnen, dass ich gleichzeitig ein bisschen neugierig bin.

(Anm.: An dieser Stelle ist ein Gesicht – oder auch eine Maske – gezeichnet.)

(Anm.: letzter Eintrag)

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Es beruhigt mich immer, wenn ich Richtung DCB unterwegs bin, auch wenn es manchmal auf Umwegen ist. Aber diesmal war der Flug entsetzlich. Irgendwie waren alle in der Maschine total nervös, auch die Stewardessen waren bissig und ungeduldig. In letzter Zeit bin ich dazu übergegangen, die Wi-Fi-Option während des Flugs zu nutzen – wenn wir einmal abstürzen sollten, kann ich wenigstens noch Mails an alle Menschen schicken, die ich liebe, und ihnen mein Verhalten der letzten Jahre erklären. Ich werde ihnen zwar auch dann keine Einzelheiten erzählen dürfen, aber sie sollen wenigstens wissen, was ich fühle.

Ziemlich morbid, ich weiß. Vielleicht liegt’s ja auch daran, dass die Maschine dauernd bockt und zittert. Die Turbulenzen rütteln einen so durch, dass man den Eindruck hat, der Himmel könne einen jeden Augenblick fallen lassen. Ich könnte schwören, dass ich bei einem Blick aus dem Fenster einen Orb gesehen habe. Sollten wir mit den Piloten reden? Wahrscheinlich besser nicht. H behauptet, dass er dauernd solche Sachen sieht und seine Berichte darüber einfach verschwinden.

H hat gestern endlich seine Versetzungspapiere bekommen.

(Anm.: Ende der Einträge)

Anmerkung der Redaktion

Der Originaltext des vorliegenden Artikels wurde am 24.10.2013 vom Nutzer „Anonymous Coward“ (ID: 48872546) unter dem Titel „Found Diary on Airplane – Super interesting & strange content“ auf den Seiten des Internet-Forums GodlikeProductions.com veröffentlicht. Die komplette Diskussion, die der Beitrag nach sich gezogen hat, können Sie unter http://bit.ly/1aUfrvq verfolgen. Darin finden Sie unter anderem Interpretationsansätze für die im Text verwendeten Kürzel sowie verschiedene Thesen zu Ursprung und Natur des vermeintlichen Tagebuchs.


Kommentare

Kommentar von Gjarðarr (19. Februar 2014, 03:25 Uhr)

Hier noch etwas interessantes über GLP -> tavistockisfaggish.blogspot.de/

Nur zur Info und Bestätigung dessen, was die site hinter dem link behauptet : Ich hatte mich gestern und heute ein wenig auf GLP umgesehen, jedoch OHNE mich zu registrieren, wozu ich übrigens bei jedem umblättern aufgefordert wurde, dem jedoch nicht nachkam. Nach nicht einmal 24h wurde ich per IP permanent gebannt, mit der Behauptung, ich würde die Seite stalken... kann sich ja jeder selbst seinen Reim drauf machen. ;D


Kommentar von Hobbykoch (05. August 2014, 13:02 Uhr)

Was für ein Zufall! Da schreibt jemand in seinem tagebuch über seine arbeit als vermutliche außerirdischen-betreuerin und lässt dieses tagebuch ausgerechnet dort zurück, wo ein webmaster alternativer Internetseiten sitzt und es schließlich findet. Schön wäre, wenn Sie konkret Stellung beziehen würden, was Sie denn glauben, worum es hier geht.


Kommentar von Dan (05. August 2014, 19:00 Uhr)

dieses Video könnte eine Erklärung sein.

www.youtube.com/ watch?v=SVtk1f935t0