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Freizeit: E-Trike fahren – Easy Rider 2.0

EtrikeEs gibt ja Leute, die mögen es unbequem. Für meinen Kumpel zum Beispiel ist Fahrradfahren immer mit heroischer Anstrengung verbunden. Er fährt an einem guten Tag gerne mal 90 Kilometer auf dem Rennrad – und zwar hier im Allgäu, wo immer der eine oder andere Berg im Weg steht. Wenn er dann zuhause ankommt, ist er völlig platt, aber glücklich. Ich bin mir nicht sicher, ob man da nicht die Kerze an beiden Enden anzündet. Und zum anderen war Fahrradfahren, wenn ich ehrlich bin, noch nie so wirklich mein Ding. Für meinen Körperbau war diese nach vorn gebeugte Haltung, bei der man meist auf den Boden starrt, einfach noch nie bequem, ganz zu schweigen von der unvermeidlichen Arschkrise, die jeder kennt, der schon mal weitere Strecken auf einem „Up“ gefahren ist.


Die Dinger sind für mich jedenfalls Vergangenheit, seit ich mein Trike habe – ein Liegerad mit drei Rädern. Und, nicht zu vergessen: mit einem E-Motor der neuesten Generation. Seither hat mich am Berg keiner mehr überholt, egal ob Mountainbike oder Rennrad, egal ob Tourist oder Triathlet. Meinen Kumpel begleite ich nun oft auf seinen Mammut-Touren, aber anders als er vergieße ich keinen einzigen Schweißtropfen und komme jedes Mal trocken und ausgeruht zurück. Man sitzt einfach unschlagbar bequem und kann sich die Gegend aus der Panorama-Perspektive ansehen, und der elektrische Antrieb hat genug Reserven, um mich jederzeit an die Spitze zu setzen, wenn ich das will. Okay, viele Leute würden wohl sagen, dass das alles mit Fahrradfahren nur noch wenig zu tun hat, und sie haben Recht. Manches ist anders, wie etwa auch das Bremsverhalten. Aber es ist vor allem, glaube ich, jene andere Art von sitzend-liegender Position, wie in einem Liegesessel, die Trikefahren für mich so viel attraktiver macht: Es lädt ein, auch mal ganz langsam zu fahren oder fast stehenzubleiben, um sich Sachen genauer anzusehen. Mit dem Up ist das immer so eine Sache … Hier im Nachbarort Sonthofen ist kürzlich ein Rennradler gestorben, weil er im Stehen umgekippte und mit dem Kopf auf den Boden geknallt ist. Er war aus den Klick-Pedalen nicht schnell genug herausgekommen. Beim Trike ist das überhaupt kein Thema, denn erstens kann man damit nicht umfallen (na ja, es geht, aber dafür muss schon besondere Sachen machen), zweitens sitze / liege ich bei meinem Trike ohnehin nur zehn Zentimeter über’m Boden. Das Ding ist vorne und hinten gefedert und fährt sich wie ein Sportwagen. Die neue Generation chinesischer Motoren, in Kombination mit japanischen 48V-Hochleistungs-Akkus, die jetzt überall auf den Markt gekommen sind, hat wirklich unglaubliche Power, gerade von unten heraus. Wenn ich mit meinem Trike auf einem Kiesweg anfahre, kann ich mit Vollgas eine Fontäne an Staub und Steinen in die Luft schleudern, so viel Dampf hat mein rasender Liegestuhl.

Anfangs war ich meist drauf aus, besonders schnell damit zu fahren. Es dauerte eine Zeit, bis ich bemerkte, dass ich eigentlich auch sehr gerne langsam und träge vor mich hin rolle und mich an den Temperaturveränderungen erfreue, wenn ich etwa gerade im Schatten von Bäumen fahre oder im Wald. In Wohngebieten sind es eher die verschiedenen Düfte aus den Sommergärten, die ich dann in tiefen Zügen genieße. Und ich liebe es auch, mit mittlerer Geschwindigkeit über einen gut geteerten Fahrradweg parallel zur Landstraße zu cruisen, mit guter Musik im Kopfhörer, wie der neue Easy Rider.

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Trikes sind noch sehr selten. Aber ich glaube, wenn es mal beginnt sich herumzusprechen, wie viel Spaß diese Fahrzeuge machen, werden sehr viele Leute darauf umsteigen wollen. Der Preis ist natürlich auch eine Hemmschwelle. Es gibt nur eine Handvoll Hersteller, die Trikes in guter Qualität bauen – zu großen Teilen in Handarbeit. Aber die Chinesen fangen schon an, die ersten ernst zu nehmenden Modelle auf den Markt zu bringen, zu Preisen um die 1.000 Euro. Dafür können Sie ein in Deutschland gefertigtes Scorpion Edel-Trike von HP-Velotechnik vielleicht mal probefahren, aber bestimmt nicht mehr. Allerdings habe ich gerade einen polnischen Hersteller mit sehr attraktiven Preisen entdeckt, und dessen Trikes sehen so gut aus, dass wir von denen vielleicht noch eins für meine Frau kaufen. Die hat sich nämlich nun ebenfalls mit dem Trike-Virus infiziert und jetzt sind natürlich auch größere Touren in ganz anderen Gegenden ein Thema geworden. Was wiederum die Frage aufwirft, wie man zwei Trikes möglichst stressfrei an einen entfernten Ort bekommt. Manche haben eine Falt-Option. Die von HP-Velotechnik ist besonders clever. Unsere Rahmen sind starr – was es unmöglich macht, zwei davon in einen Kombi oder einen SUV zu bekommen. Am Besten wäre da wohl ein Anhänger. Der wiederum auch erst mal zu kaufen wäre. Plus Anhängerkupplung.

Zwei Dinge sind mir in letzter Zeit klar geworden: Wenn man schnell einen mittleren Geldbetrag verbrennen und viel Spaß dabei haben möchte, sind Trikes eine hervorragende Option. Wirklich billig ist dieses Hobby nicht. Aber mir ist auch klar geworden, dass ich sehr sterblich bin. Und im Büro bin ich Zeit meines Lebens nun wahrlich genug verhockt. Jetzt muss ich endlich wieder raus ins Freie. Daher habe ich nicht mal ein schlechtes Gewissen bei der ganzen Sache. Obendrein bin ich mit diesem Fahrzeug auch noch sowas von Öko, da können sich sogar die Prius-Fahrer verstecken. Mit dem Trike bin ich mobil ohne schlechtes Gewissen, und auch noch helmfrei unterwegs– ähnlich wie in meiner Jugend auf dem Mofa, als noch niemand an Unfallgefahren dachte oder von Luftverschmutzung sprach. Mit dem Trike fahre ich, wie’s mir beliebt – auch auf Wald- und Feldwegen und ohne mir einen Kopf über Umwelt oder Sturzgefahr zu machen. Oder ich parke lautlos und abgasfrei am Eiscafé, lasse mich in Ruhe anglotzen und lächle entspannt zurück, aus meinem eigenen Liegestuhl. Machen Sie das mal mit einem Motorrad.


Kommentare

Kommentar von Joachim de Jager (15. September 2016, 21:54 Uhr)

Ich finde Ihr eTrike sehr interessant - konnte aber leider keine Infos über Hersteller usw. im Internet finden. Können Sie mir mit Informationen helfen?
Vielen Dank und ich wünsche Ihnen eine gute, gesunde, bequeme Zeit
mit freundlichen Grüßen
Joachim de Jager


Kommentar von Thomas Kirschner (15. September 2016, 21:58 Uhr)

Ich fahre ein Steintrike "Wild One", mit einem "Bergfex"-Umbausatz und 17,5Ah-Akku von Ebike Solutions. Würde mir sofort wieder dieselbe Kombination von Trike und Antrieb kaufen. Spaß pur, bärenstark und als Reha für meine Zwecke unschlagbar.


Kommentar von Fritz Konrad (14. Oktober 2016, 12:29 Uhr)

Auch ich finde dein trike super. Du schreibst einen polnischen Hersteller ausfindig gemacht zu haben, wäre es möglich mir diesen zu benennen? Eventuell sogar dessen Webseite?

Im voraus vielen Dank und weiterhin gute Fahrt!
Fritz, aus Monnem:-)


Kommentar von Thomas Kirschner (13. November 2016, 13:06 Uhr)

Der polnische Hersteller heißt Matix. Nach einer Probefahrt war mein Eindruck allerdings nicht mehr so toll:
www.velomobilforum.de/forum/index.php?threads/fahrbericht-matix-trike.45933/


Kommentar von Johannes Richter (29. November 2016, 21:32 Uhr)

Das Wild One dürfte dem Bild nach das 20 Zoll Hinterrad haben, nach der Seite von E-Bike Solutions ergibt das mit dem Bergfex Motor eine Höchstgeschwindigkeit von 22 bis 32 km/h je nach Wicklungsanzahl. Gilt das Rad als Pedelec, sprich max. 25 km/h oder ist es doch als S-Pedelec ausgelegt? Wenn S-Pedelec, wie lief das mit der Erlangung einer Betriebserlaubnis?
Vielen Dank und Grüße!


Kommentar von Thomas Kirschner (21. Dezember 2016, 16:27 Uhr)

Mein Trike ist ein Pedelec. Zuerst hatte ich Sorge, dass mir das auf Dauer zu lahm sein könnte. Aber das stellte sich als vollkommen unbegründet heraus. Schneller zu fahren als dieser Bausatz hergibt, ist für mich überhaupt kein Anliegen. Dadurch, dass die Power auch an Steigungen kaum nachlässt (wahrscheinlich vor allem Dank des mächtigen 48V-Akkus) habe ich eigentlich nie das Gefühl, langsamer fahren zu müssen, als ich möchte.
Das Kriterium ist für mich eher die Reichweite … obwohl ich auch da im Vergleich mit anderen Pedelecs über eine recht große Reichweite verfüge. Eigentlich reicht es so gut wie immer bis an den Punkt, wo ich ohnehin nicht mehr möchte. Aber für wirklich große Touren (über 60 km) wäre es natürlich schön, noch mehr Reserven zu haben. In solchen Fällen packe ich mir schon mal noch den Akku meiner Frau in die zweite Satteltasche.
Aber die "Endlösung" wird wahrscheinlich darin bestehen, noch einen Transporter anzuschaffen, der uns die Trikes erstmal außerhalb des schon so oft gefahrenen Bereichs bringt, und in den wir die Trikes dann am Ende des Tages wieder einladen und damit nach Hause oder in ein Hotel fahren.