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Ist Gemüse wirklich böse?

gemueseIn Lebensmitteln enthaltene Lektine – pflanzliche Proteine – könnten die Ursache vieler massenhaft auftretender Erkrankungen der Gegenwart sein. Wer Herzkrankheiten, Magen-Darm-Probleme oder Krebs vermeiden will, sollte sich daher konsequent vom alten Vollkornparadigma ab- und einer neuen, lektinarmen Ernährungsweise zuwenden.


Die Frage, ob Lektine Auswirkungen auf Biologie und Gesundheit von Mensch und Tier haben, wird seit mehr als 100 Jahren behandelt. Im Lauf der Jahrzehnte gab es immer wieder Studien, die sich mit ihr befassten – und in den 1990er Jahren erlebte sie durch die Buchreihe „Das Original-Blutgruppenkonzept“ von Dr. Peter D’Adamo eine Renaissance. Ihr aktuelles Comeback ist jedoch so umfassend, dass es an den Grundlagen der Schulmedizin rüttelt, die milliardenschwere Pharma­industrie bedroht und unsere Theorien über gesunde Ernährung auf den Kopf stellt.

Schon Hippokrates sagte einst: „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein“ und „Alle Krankheiten haben ihren Ursprung im Darm“. Die medizinische Forschung hat diese Idee seit Hippokrates’ Zeiten weitgehend ignoriert. Doch ist es möglich, dass Ernährungsempfehlungen von Naturheilkundlern, Ernährungsberatern und Diätassistenten bisher ebenso mangelhaft waren? Könnte es sein, dass das, was wir für gesunde Ernährung halten, uns in Wahrheit krank und müde macht? Werden wir vielleicht bald nicht mehr auf unsäglich teure Arzneimittel gegen Herz-Kreislauf-, neurologische, Auto­immun- und Krebserkrankungen angewiesen sein – oder ist das ein bloßer Wunschtraum?

Aktuelle Studien des prominenten amerikanischen Autors und Kardiologen Dr. Steven Gundry haben einer neuen Wirklichkeit in Sachen Ernährung und Medizin einiges an Glaubwürdigkeit verliehen. Dr. Gundry hat mehr als 10.000 herzchirurgische Eingriffe durchgeführt und hält den Rekord für den am längsten überlebenden Patienten, dem das Herz eines Pavians transplantiert wurde. Im vorliegenden Artikel werden die medizinischen Erkenntnisse und wissenschaftlichen Schlussfolgerungen behandelt, die uns an eine revolutionäre neue Auffassung über Ernährung als Ursache von Krankheiten herangeführt haben.

Wie man stark lektinhaltige Lebensmittel erkennt

Lektine gelten als toxisch, entzündungsfördernd und enzymresistent. Bei manchen Menschen können sie Symptome einer Lebensmittelvergiftung hervorrufen. Erste Untersuchungen belegen, dass die auch als Phytohämagglutinine bekannten pflanzlichen Lektine stark gesundheitsschädliche biologische Auswirkungen haben. In einer Studie wurden die genießbaren Teile von 88 verschiedenen Nahrungsmitteln untersucht – darunter gängige Salatzutaten, frisches Obst, geröstete Nüsse und verarbeitete Zerealien. In 29 dieser Nahrungsmittel stellte man mit Hämagglutinationshemm- und Bakterien­agglutinationstests lektinartige Aktivität fest.1

Lektine sind kohlenhydratbindende, in den meisten Pflanzen vorhandene Proteine. Sie sind vor allem in Körnern und Knollenfrüchten – wie Zerealien, Bohnen und Kartoffeln – enthalten. Laut Gundry werden sie von Pflanzen als Abwehrstoffe gegen Fressfeinde produziert. Er schildert, wie die meisten Italiener die lektinhaltigen Samen und die Haut von Lebensmitteln wie Tomaten entfernen. Asiaten wiederum entfernen die ebenfalls lektinhaltigen Hülsen vom Reis, um ihn besser verdaulich zu machen. Gundry schreibt, dass John Harvey und W. K. Kellogg Anfang des 20. Jahrhunderts die Lehre aufbrachten, Vollkorn sei besser und gesünder. Seit ihrer Zeit hat dieser Mythos zu einer nie zuvor dagewesenen Epidemie der Demenz und der Autoimmunerkrankungen geführt. Der Autor erzählt auch die Geschichte vom berühmten britischen Darmchirurgen Dr. D. P. Burkitt, der bei einem Afrika-Aufenthalt zu seinem Erstaunen feststellte, dass es dort keinerlei Vorkommen von Darmkrebs gab. Die Menschen aßen durchweg Knollenfrüchte und hatten einen „bemerkenswerten Stuhl“. Burkitt war der Ansicht, dass dies an den Ballaststoffen in den Knollenfrüchten liege. Aus dieser Beobachtung entstand die bis heute in der Schulmedizin verbreitete Ansicht, dass Ballaststoffe Darmkrebs verhindern. Leider kannte Burkitt den Unterschied zwischen wasserlöslichen und wasserunlöslichen Ballaststoffen nicht. In England gibt es sehr viele Getreidearten, die wasserunlösliche Ballaststoffe enthalten; dummerweise waren es genau diese Nahrungsmittel, deren Genuss vehement gefördert wurde.

Zuerst das Fleisch, dann die Nachspeise!

Die meisten Menschen wissen nicht, dass auch Fleisch Lektine enthält. Die meisten Tiere werden mit Getreide, Sojabohnen, Mais und anderen Futtermitteln gefüttert, die Lektine enthalten. Laut Gundry hat dies eine negative Auswirkung auf das Darm-Mikrobiom. Auch die behördlich zugelassenen Antibiotika in Tierfutter tragen zur Zerstörung des Mikrobioms bei. Gundry schreibt, dass in den USA Tiere als „Bio-Freilandhühner“ bezeichnet werden dürfen, die in Mengen bis zu 100.000 Stück in Lagerhallen gehalten werden, wo man die Türen alle 24 Stunden für fünf Minuten öffnet. Gefüttert werden diese Hühner mit Bio-Sojabohnen und -Mais, die Spuren von Lektinen im Fleisch hinterlassen. Der Autor wendet sich seit langer Zeit gegen Mais, den er als gefährliche Nahrungsquelle betrachtet. Eine aktuelle Kohlenstoffbestimmung hat laut Gundry ergeben, dass sich im Körper eines durchschnittlichen Amerikaners 70 Prozent Kohlenstoffmoleküle auf Maisbasis finden; im Körper eines Europäers sind es nur 5 Prozent. Vor mehr als 100 Jahren war in Frankreich Mais offenbar nicht zum menschlichen Verzehr zugelassen.

Neu5Gc: der Krebsmechanismus in Fleisch

1933 gab der Wissenschaftler und Erfinder Royal Raymond Rife seine Entdeckung bekannt, dass Schweine­fleisch den Krebs-Mikroorganismus sehr schnell wachsen lasse. Sein Forscherkollege O. C. Gruner schrieb, dass „eine Mahlzeit, die Schweinefleisch enthält, ein Blutbild erzeugt, das von dem eines Krebskranken nicht unterscheidbar ist“.2 Seit Jahrzehnten wird vermutet, dass Fleisch eine krebsfördernde Wirkung habe – doch die Wissenschaftler können den dahinterstehenden Mechanismus erst seit Kurzem vollständig erklären.

Neu5Gc alias N-Glycolylneuraminsäure, ein vor allem in rotem Fleisch (Schwein, Rind, Lamm) vorkommendes Zuckermolekül, steht Berichten zufolge mit dem Auftreten von Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung. Es tritt besonders häufig in Innereien wie Milz, Lunge, Herz, Niere und Leber auf. Die Toxizität von Neu5Gc lässt sich besonders häufig in China und anderen Ländern beobachten, deren Bewohner rotes Fleisch in großen Mengen konsumieren. Frederic A. Troy, Professor und Ehrenvorsitzender der Fakultät für Biochemie und Molekularmedizin an der University of California, Davis, sowie Lehrbeauftragter an der medizinischen Fakultät der Xiamen-Universität, führte aus, dass in Fällen von Brust-, Gebärmutterhals-, Leber-, Kehlkopf-, Eierstock- und Gebärmutterkrebs hohe Neu5Gc-Werte festgestellt wurden. Man konnte auch nachweisen, dass Neu5Gc eine entzündungsfördernde Wirkung hat und das Krebsrisiko (um das Fünffache) erhöht.3 Gundry schreibt, dass Neu5Gc bei Weidetieren seltener vorkommt.

Lektine als Ursache von Leaky-Gut-Syndrom und anderen Erkrankungen

Lektine wurden auch als Histologie- und Bluttransfusions-Reagenzien eingesetzt. Als erstmals festgestellt wurde, dass sie die Darmbarriere durchqueren und sich in anderen Organen ablagern können, waren die Forscher alarmiert.4,5 Bei der in vielen Fällen tödlichen Erdnussallergie besitzt das zirkulierende Erdnuss­Agglutinin (PNA) die Fähigkeit, endogenes Galectin-3 zu imitieren; außerdem soll es die Krebsmetastasierung fördern. Eine Studie zeigte, dass das Bindungsverhalten von PNA an Darmschleimstoffe eine starke Präferenz für abnormale Krebszellen aufweist und PNA weniger häufig an normale Zellen bindet. Damit ist PNA ein potenzieller diagnostischer Indikator, aber gleichzeitig ein Metastasenförderer.6

Wie viel Weizen vertragen Sie?

Die am weitesten verbreitete lektinartige Substanz in Australien und Neuseeland ist Gliadin, das in Weizengluten und Weizenprodukten vorkommt. In Weizengluten enthaltenes Gliadin kann an die menschliche Darmschleimhaut binden und verursacht Magen­Darm-Erkrankungen und Zöliakie. Laut Gundry führt gliadinhaltiges Gluten zur Trennung von Zellen in der Darmschleimhaut, die damit einerseits für Bakterien durchlässig wird und andererseits einen Alarm im Immunsystem auslöst, das dadurch auf Kriegszustand umschaltet. Diese allergische beziehungsweise Autoimmunreaktion erzeugt Verwirrungszustände, Depressionen, Beklemmungen und koronare Herzerkrankungen. Er führt weiter aus, dass die Haut nichts anderes ist als ein außen getragener Spiegel der Darmschleimhaut. Sämtliche äußeren Hautprobleme weisen auf die Vorgänge im Darm hin. Wer unter Ekzemen, Psoriasis, Akne und anderen Hauterkrankungen leidet, hat in Wahrheit durch das Leaky-Gut-Syndrom erzeugte Probleme, die durch den Genuss von lektinhaltigen Nahrungsmitteln verursacht werden, weil diese den Darm schwächen und damit die allergische beziehungsweise Autoimmunreaktion auslösen.

Gluten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Es gilt seit Langem als nachgewiesen, dass Gluten / Gliadin an Erkrankungen des Magen-Darm-Systems und Allergien beteiligt ist; viele wissen aber nicht, dass es auch ursächlich mit Herzkrankheiten zu tun hat. Gliadin ist nämlich auch dazu fähig, an die Kapillarwände von Blutgefäßen, die Nierenkanälchen und Mesangialzellen zu binden, und kann IgA-Nephritis verursachen. Die Studie, die zu diesen Schlussfolgerungen kam, konzentriert sich zwar in erster Linie auf das Erkrankungspotenzial für die gastrointestinale und Nierenfunktion, weist aber auch die erste Verbindung von Weizenlektin mit Gefäß- und kardiovaskulärer Pathologie nach.7

Auch zwischen Weizenlektin und rheumatoider Arthritis wurde ein Zusammenhang nachgewiesen. Weizenlektin ist spezifisch für Oligomere des N-Acetylglucosamins, die bei rheumatoider Arthritis deaktiviert werden. Oligomere des N-Acetylglucosamins haben sich bei Rheumaerkrankungen als wirksame Behandlungsmethode erwiesen. Die Studie zeigt auch, dass ein Lektin an ein Zuckermolekül vom Oligosaccharid-Typus binden kann.8

gluten

Gluten steht in einem kausalen Zusammenhang mit Herzerkrankungen und kann auch IgA-Nephritis verursachen.

Die Bindung von Lektinmolekülen an die Darmschleimhaut soll angeblich die Durchlässigkeit des Darms erhöhen (Leaky-Gut-Syndrom). Schädliche Toxine oder Lektine können dann proinflammatorische Zytokine anregen, die die Darmwand weiter schwächen und auch in den Blutkreislauf eindringen können. Dieser systemische Verlauf kann zu einer schweren chronischen gastrointestinalen Erkrankung führen, aber durch die Aktivierung von NLRP3-Inflammasomen auch Autoimmunkrankheiten herbeiführen.9

Lektine können auch an Polysaccharide (Glykane) binden, wie sie an Zellwänden oder -membranen zu finden sind. Dies kann dazu führen, dass mehrere Moleküle zusammenklumpen und zu einer Masse werden, die Dr. Steven Gundry zufolge die Ursache der meisten Herz-Kreislauf-Verschlusskrankheiten, Autoimmunerkrankungen, aber auch von Fettleibigkeit, Allergien und Krebs ist.10

Durchbruch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

In einem aktuellen Interview erklärte der Kardiologe Dr. Gundry, dass die konventionellen medizinischen Leitlinien durch Beobachtung und Assoziationen am Ort des Krankheitsgeschehens erstellt wurden. Wenn man in einer Arterie Fette, Lipide und Cholesterin beobachtet, macht man sie natürlich für die Verstopfung der Arterie verantwortlich – und verschreibt den Patienten cholesterinsenkende Medikamente und Blutverdünner. Für Gundry ist das so, als würde man Krankenwagen für Autounfälle verantwortlich machen, nur weil man an Unfallorten aus der Entfernung häufig Krankenwagen beobachten kann. Gundry interpretiert die Fette und das Cholesterin als akute Reaktion zur Rettung des wegen der Lektinbindung entzündeten Gefäßgewebes. Laut Dr. Gundry gibt es viele Beispielfälle, in denen ein erhöhter Cholesterinwert nicht mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle einhergeht – vor allem bei älteren Menschen. Gundry zitiert einen ähnlichen Mechanismus, der bei Alzheimerpatienten mit Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn auftritt. Auch diese Plaques sind nichts als ein Versuch, die durch eine Lektinbindung hervorgerufene Entzündung zu kompensieren. Trotzdem verschreibt man den Patienten meist Medikamente gegen die Amyloid-Ablagerungen im Gehirn.

Das höchste Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Alzheimerkrankheit und Demenz besteht bei Menschen mit dem ApoE-Genotyp. Diese Personen haben von ihren Eltern das Gen für Herzerkrankungen und die Alzheimerkrankheit geerbt. Gundry und seine Mitarbeiter führten eine Untersuchung an 800 Patienten mit einer bekannten koronaren Herzerkrankung durch. Die Versuchspersonen bekamen eine lektinarme Ernährung, die wenig Körner, Hülsenfrüchte, Bohnen, Nachtschattengewächse, Gemüse mit Samen, Milch mit Casein A1, Obst und Geflügel aus Massentierhaltung enthielt. Personen vom Genotyp ApoE wurden außerdem dazu angehalten, tierische Fette und Käse wegzulassen. Ihre Ernährung wurde durch einen Liter Olivenöl pro Woche, viel grünes Gemüse, polyphenolreichen Kaffee oder Tee, 30 Gramm dunkle Schokolade täglich, 4.000 Milligramm DHA-Fischöl, 200 mg Traubensamenextrakt und 25 mg Pycnogenol (Seekiefer-Rindenextrakt) ergänzt.

Die Patienten mit der lektinarmen Ernährung wurden mit anderen Patienten verglichen, an denen die schulmedizinische Behandlungsmethode aus lipidsenkenden Arzneimitteln, einer fett- und cholesterinarmen Ernährung und einem Trainingsprogramm angewendet wurde. Gundry stellte fest, dass es bei 92 Prozent der Patienten, die sich lektinarm ernährten, in einem Zeitraum von fünf Jahren zu einem deutlichen Rückgang der Wahrscheinlichkeit für eine obstruktive koronare Herzkrankheit kam. Nur bei einer Person vom ApoE-Genotyp musste ein Stent eingesetzt werden.11

Eine kurze Geschichte der Lektine

Der Begriff Lektine wurde 1954 von William C. Boyd geprägt, der an der medizinischen Fakultät der Boston University tätig war. Boyd schlug vor, die „pflanzlichen Agglutinine“ Lektine zu nennen, abgeleitet vom lateinischen Wort legere, das für „lesen“ oder „auswählen“ steht. Entdeckt wurden die Lektine jedoch bereits im Jahr 1888 von Peter Hermann Stillmark, einem Doktoranden an der Kaiserlichen Universität zu Dorpat in Estland. Stillmark forschte über die Toxizität von Rizin und entdeckte dabei, dass dieses giftige Protein die Agglutination von Erythrozyten verursacht – also rote Blutkörperchen verklumpen lässt. Paul Ehrlich vom Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt wurde auf diese Entdeckung aufmerksam und verwendete das agglutinierende Protein künftig zum Hervorrufen von Antikörperreaktionen bei Tieren, um so seine immunologische Forschung zu erleichtern. Ehrlich fand heraus, dass subkutane Injektionen kleiner Lektin­dosierungen dazu führten, dass die Versuchstiere gegen größere, tödliche Dosierungen des Lektintoxins immun wurden. Dieses Verfahren liegt sämtlichen Allergie-Hyposensibilisierungen der Gegenwart zugrunde.

1919 gelang es James B. Sumner von der Cornell University in Ithaca, New York, als erstem Forscher, aus Jackbohnenextrakt ein „reines Lektin“ zu isolieren – das Concanavalin A. 1935 wies Sumner gemeinsam mit Stacey F. Howell nach, dass Concanavalin A nicht nur rote Blutkörperchen verklumpen lässt, sondern auch an Rohrzuckermoleküle bindet.

Auch Karl Landsteiner, der die Blutgruppen entdeckte, konnte bestätigen, dass Lektine zur Agglutination roter Blutkörperchen führen. Es sollte jedoch noch weitere 40 Jahre dauern, bis die Auswirkungen von Lektinen auf unterschiedliche Blutgruppen wissenschaftlich bestätigt wurden. 1952 wiesen Winifred M. Watkins und Walter J. T. Morgan vom Londoner Lister Institute nach, dass mit N-Acetylgalactosamin eine Agglutination von Blutzellen der Blutgruppe A durch Limabohnen-Lektin unterbunden werden konnte.

Aus diesen Daten wird deutlich, dass Lektine seit mehreren Jahrzehnten wohlbekannt sind. Bisher wurde aber noch nie durch derart viele wissenschaftliche Analysen bestätigt, dass sie eine so bedeutende Rolle als Krankheitsursache spielen. Manche Ernährungswissenschaftler und Diätassistenten werden sich eventuell gegen die Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel sträuben, doch es ist auf jeden Fall bewiesen, dass Lektine die Darmbarriere durchdringen und ins Blut gelangen können, von wo aus sie sich möglicherweise in Organgewebe festsetzen. Die erstaunliche Tatsache, dass Lektine unbeschadet die Darmwand durchdringen können, hat auch dazu geführt, dass Lektine mittlerweile als wertvolles diagnostisches Werkzeug zur Früherkennung von Krebs eingesetzt werden.12

Dr. Gundrys Empfehlungen für eine lektinarme Ernährung

  1. Meiden Sie:
  2. Streichen Sie vollständig:
  3. Fügen Sie Ihrer Ernährung hinzu:

Manchen scheint es, als würden in Dr. Gundrys Empfehlungen viele der „gesunden Lebensmittel“ fehlen, die heute oft Teil der Ernährung sind. Doch die Gundry-Diät ist ein flächendeckender Versuch, die meisten Nahrungsmittel mit hochreaktiven Lektinen wegzulassen und stattdessen gesundheitsfördernde Lebensmittel in die Ernährung einzubauen. Dr. Gundry sagt selbst, dass die meisten Leute, die seine Diät ausprobieren, sie in den ersten zwei Wochen hassen werden, bis sie sich dann besser fühlen.

Gesunde Antikrebs-Lektine

Bisher ging es in diesem Artikel vor allem um die negativen Auswirkungen der Lektine. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es auch „therapeutische Lektine“ gibt, die uns vor Krankheiten – einschließlich Krebs – schützen. So wurde beispielsweise beim bereits erwähnten ersten je entdeckten Lektin Concanavalin A (Con A) festgestellt, dass es bei einer bestimmten Blutgruppe zu einer entzündlichen Blutverklumpung führt; doch man hat es auch auf seine Anti-Krebs-Wirkung auf menschliche Leberkrebszellen (ML-14a, Huh-7 und HepG2) getestet. Die entsprechende Studie ergab, dass Con A mittels Lymphozytenaktivierung eine Autophagie (Krebszellentod durch Aktivierung des Immunsystems) hervorrief.13

In einer weiteren Studie wurden die Auswirkungen vom Lektin der Urtica dioica (Brennnessel) auf menschliche Magenkrebszellen (AGS) untersucht. 24 Stunden nachdem die Krebszellen mit dem Lektin in Berührung gekommen waren, kam es zur induzierten Apoptose (Zelltod durch „Suizid“) und einer Abnahme der Zellproliferation.14

Forscher fanden auch heraus, dass die Lektine von Viscum coloratum (koreanische Mistel) eine Apoptose in zwei menschlichen Leberkrebs-Zelllinien (SK-Hep-1 und Hep 3B) auslösen konnten. In diesem Fall wirkte das Mistel-Lektin als Telomerase-Inhibitor.15

Die gemeinhin unter dem Namen Paternostererbse oder Krabbenaugenwein (Abrus precatorius) bekannte Pflanze erzeugt ein Lektin, dessen Antikrebswirkung nachgewiesen ist. In einer Studie wurde die Wirkung des Lektins gegen menschliches Leberzellkarzinom untersucht; dabei stellte man fest, dass das Abrus­-Agglutinin (Lektin) mittels mitochondrialem Zelltod gegen den Krebs vorgeht.16 In einer anderen Studie, die das Abrus-Agglutinin untersuchte, kam man zur Erkenntnis, dass es eine antiproliferative und antiangiogene Wirkung gegen menschlichen Brustkrebs hat.17 Dies sind nur einige wenige Beispiele aus einer Vielzahl ähnlicher Studien über die Wirkung von Lektinen auf viele Krebsarten.

Fazit

Lektine sind seit langer Zeit bekannt, haben aber erst jetzt einen richtig schlechten Ruf erlangt. Obwohl viele Ernährungswissenschaftler und andere Gesundheitsberater sich nicht mit der Bedeutung dieser Nahrungsmittelbestandteile befassen, kann man das Thema „Lektine in der Ernährung“ nicht außer Acht lassen.

Aus den im vorliegenden Artikel erwähnten Berichten und Studien gehen deutlich die überzeugenden Argumente von Gundry und anderen Wissenschaftlern für die These hervor, dass bestimmte Lektine eine nachteilige Auswirkung auf viele gesundheitliche Bereiche haben. Die Tatsache, dass Lektine an Glukosemoleküle und Zellformationen binden und so Entzündungszustände hervorrufen können, stellt eindeutig eine Bedrohung für die Gesundheit dar. Derselbe Mechanismus lässt manche Lektine allerdings eine therapeutische Wirkung und einen Schutzeffekt gegen abnorme Zellstrukturen erzielen.

Das Problem ist durchaus vielschichtig, doch im Endeffekt geht es darum, dass die Blutgruppe entscheidend dafür ist, ob bestimmte Substanzen eine toxische Wirkung auf ein Individuum haben oder aber seine Zellen schützen. Der damit einhergehende Paradigmenwechsel in der Nahrungsauswahl wird sich für all jene positiv auswirken, die auf den Vollkorn-Mythos zu verzichten bereit sind, auf die Inhaltsstoffe ihrer Lebensmittel achten und die Besonderheiten jedes einzelnen Menschen in Betracht ziehen.

Endnoten

  1. Nachbar, M. S. und Oppenheim, J. D.: „Lectins in United States diet: A survey of lectins in commonly consumed foods and a review of the literature“ in The American Journal of Clinical Nutrition, 1980, 33(11):2338–45
  2. Lynes, B.: „The Cancer Cure That Worked – Fifty Years of Suppression“ (Queensville, Ontario, Kanada: Marcus Books, 1997), S. 123; dt. Fassung: „Die verbotenen Krebsheilungen. Fünfzig Jahre der Unterdrückung“ (Roermond, NL: Jim Humble Verlag, 2014)
  3. Samray, A. N. et al.: „A red-meat derived glycan promotes inflammation and cancer progression“ in Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 13.01.15, 112(2):542–7
  4. Pusztai, A.; Greer, F. und Grant, G.: „Specific uptake of dietary lectins into the systemic circulation of rats“ in Biochemical Society Transactions, 1989, 17:481–2
  5. Wang, Q. et al.: „Identification of intact peanut lectin in peripheral venous blood“ in Lancet, 1998, 352:1831–2
  6. Rhodes, J. M.; Black, R. R. und Savage, A.: „Altered lectin binding by colonic epithelial glycoconjugates in ulcerative colitis and Crohn’s disease“ in Digestive Diseases and Sciences, 1988, 33(11):1359–63
  7. Coppo, R.; Amore, A. und Roccatello, D.: „Dietary antigens and primary IgA nephropathy“ in Journal of the American Society of Nephrology, 1992, 2(10 Suppl):S173–S180
  8. Toohey, L.: „Natural substances combat arthritis with ,immune power‘“ in Nutrition Notes, 1997, 2:1–6
  9. Gong, T. et al.: „Plant lectins activate the NLRP3 inflammasome to promote inflammatory disorders“ in Journal of Immunology, 01.03.17, 198(5):2082–92
  10. Gundry, S.: „The Plant Paradox: The Hidden Dangers in Healthy Foods that cause Disease and Weight Gain“ (New York: Harper Collins, 2017); dt. Fassung: „Böses Gemüse. Wie gesunde Nahrungsmittel uns krank machen“ (Weinheim: Beltz, 2019)
  11. Gundry, S. R. und Epstein, J.: „Abstract 404: A High Dose Olive Oil, Polyphenol, and Lectin Limited Diet Reverses and/or stabilizes Advanced Coronary Artery Disease, Arteriosclerosis, Thrombosis, and Vascular Biology“, 2016:36 A/404, ursprünglich erschienen am 09.02.17
  12. Ferriz-Martinez, R. A. et al.: „The Role of Plant Lectins In Cancer Treatment“ in Meja-Vazzuez, C. und Navarro, S. (Hrsg.): „New Approaches in The Treatment of Cancer“ (Hauppauge, NY: Nova Science Publishers Inc., 1. Aufl. 2010), S. 71–88
  13. Chang, C.-P. et al.: „Concanavalin A induces autophagy in hepatoma cells and has a therapeutic effect in murine in situ hepatoma model“ in Hepatology, 2007, 45:286–96
  14. Cagil, F. Z.; Akal, Z. U. und Alpsoy, L.: „Cytotoxic and Apoptotic effect of Urtica diocia agglutination on AGS cells“ in Medicinal Chemistry, 2015, 5:124–9
  15. Lyu, S. Y.; Choi, S. H. und Park, W. B.: „Korean mistletoe lectin-induced apoptosis in hepatocarcinoma cells is associated with inhibition of telomerase via mitochondrial controlled pathway independent of p53“ in Archives of Pharmacal Research, 2002, 25:93–101
  16. Mukhopadhyay, S. et al.: „Abrus agglutinin suppresses human hepatocellular carcinoma in vitro and in vivo by inducing caspase-mediated cell death“ in Acta pharmacologica Sinica, 2014, 35:814–24
  17. Bhuta, S. K. et al.: „Abrus agglutinin is a potent anti-proliferative and antiangiogenic agent in human breast cancer“ in International Journal of Cancer, 2016, 139:457–66