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Überbevölkerung oder Bevölkerungsrückgang?

Die Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen prognostiziert, dass zum Ende des Jahrhunderts 11,2 Milliarden Menschen auf der Erde leben werden, also fast vier Milliarden mehr als heute. Immer wieder wird davor gewarnt, dass eine Überbevölkerungskrise die Folge sein wird, die mit Hunger, Krieg und Umweltzerstörung einhergeht.Inzwischen bezweifeln immer mehr Demografen und andere Autoritäten diese Prognosen. Sie glauben, dass es nicht zu einer Bevölkerungsexplosion, sondern einem Bevölkerungsrückgang kommen wird.


Um über die Entwicklung der Weltbevölkerung Aussagen machen zu können, sprachen die Forscher Darrell Bricker und John Ibbitson mit Menschen auf sechs Kontinenten über die Familiengröße. Zu den Befragten gehörten Akademiker, Statistiker und Regierungsbeamte, aber auch junge Frauen und Männer, die bereit waren, über ihre Zukunftspläne zu sprechen. Zusätzlich führte das Marktforschungsunternehmen Ipsos Public Affairs eine Umfrage unter Menschen in 26 Industrie- und Entwicklungsländern durch und ermittelte, wie viele Kinder sie gerne hätten: Fast überall wünschen Männer und Frauen sich im Durchschnitt zwei Kinder. Bei dieser Geburtenrate würde die Weltbevölkerung stabil bleiben und vielleicht sogar fallen, aber nicht explodieren.

Die rasche Urbanisierung scheint diesen Trend zu befördern. Heute leben 55 Prozent aller Menschen weltweit in Städten. Während die Menschen in den Entwicklungsländern die ländlichen Gegenden verlassen und in die Städte ziehen, erhalten Frauen Zugang zu den Medien, zu Bildung und Kontakt zu anderen Frauen, die einer städtischen Lebensweise folgen – und sie entscheiden sich für eine kleine Familie.

Das ist in den Industrie­ländern schon lange so. Fast alle haben eine niedrigere Fruchtbarkeitsrate als jene 2,1 Kinder pro Frau, die im Durchschnitt notwendig sind, damit die Bevölkerungsstärke erhalten bleibt. Japan hat beispielsweise im vergangenen Jahr fast 450.000 Menschen verloren, und Italiens amtliche Statistiken weisen eine Geburtenrate von durchschnittlich 1,3 Kindern pro Frau aus, sodass der Gesundheitsminister 2015 geradeheraus sagte: „Wir sind ein aussterbendes Land.“

Vor dieser Entwicklung sind auch die Vereinigten Staaten nicht gefeit. Der US-Seuchenbehörde CDC zufolge liegt die Geburtenrate schon seit 1971 unterhalb der Ersatzrate für die Bevölkerung. Jedoch haben die USA als Einwanderungsland einen demografischen Vorteil: Jahr für Jahr ziehen eine Million Menschen in das Land, nehmen unbesetzte Arbeitsstellen an und zahlen Steuern – und tragen so zur Versorgung einer alternden Bevölkerung bei.

Die echten Neuigkeiten kommen aber aus den Entwicklungsländern. Chinas Geburtenrate ist so weit gesunken, dass die Einwohnerzahl des bevölkerungsreichsten Landes der Welt im kommenden Jahrzehnt schrumpfen wird, wie die Weltbank prognostiziert. Brasilien, das Land mit der fünftgrößten Bevölkerung, wird in den 2040er Jahren das gleiche Schicksal ereilen. In Indien, Indonesien, Bangladesch, Südafrika, Malaysia und Mexiko ist die Geburtenrate zwar noch so hoch wie die Ersatzrate oder etwas höher, aber sie sinkt weiter.

Für weite Teile Afrikas südlich der Sahara ist Überbevölkerung zwar immer noch ein Problem, doch auch dort war es im Jahr 1970 noch normal, dass eine Frau sieben oder acht Kinder hatte – heute sind es drei oder vier.

Aufgrund dieser Daten ist anzunehmen, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 einen Höchststand von acht bis neun Milliarden Menschen erreichen wird; von da an wird sie schrumpfen.

Quelle: LATimes.com, 24.02.19, http://tinyurl.com/y49y4b4x