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Ursprung und Symbolik der Kristallschädel

Die geheimnisvollen Kristallschädel haben ihren Ursprung in Mittelamerika und spielten vermutlich eine wichtige Rolle bei der Nachstellung der Schöpfungsriten der Maya und bei der Vernetzung der Tempelanlagen.


Heilige Relikte oder außerirdische Artefakte?

Obwohl Forscher dutzende von Büchern und hunderte von Artikeln über die Kristallschädel geschrieben haben, haben doch nur wenige versucht, den Ursprung und den Zweck dieser Skulpturen zu erklären. Für einige sind sie Fälschungen aus dem 19. Jahrhundert, andere halten sie für außerirdische Artefakte, während wieder andere sie als Überbleibsel einer untergegangenen Zivilisation betrachten.

Möglicherweise lautet die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass sie ein wesentlicher Bestandteil alter Zivilisationen sind, vor allem der Kultur der Maya, die an den Fundstellen der Kristallschädel in Mittelamerika existierte. Könnten diese Schädel einige der wichtigsten Reliquien in den heiligen Tempelanlagen gewesen sein? Die Kristallschädel regen die Phantasie an, aber sind nicht einige dieser Schädel und ihre Geschichten zu schön, um wahr zu sein?

Der englische Künstler Damien Hirst ordnete seine Ausstellung „Beyond Belief“ (2007) um einen Platinschädel an, der mit 8.601 Diamanten (1.106 Karat) bestückt war. „For the Love of God“ ist ein lebensgroßes Modell eines menschlichen Schädels mit einem großen Diamanten auf der Stirn, der angeblich allein schon 4,2 Mio. US-Dollar wert ist. Hirst finanzierte dieses Projekt selbst und schätzte die Kosten auf etwa 20 bis 30 Mio. US-Dollar. Somit ist es das teuerste Stück moderner Kunst, das je geschaffen wurde. Er verkaufte den Schädel später für geschätzte 200 Mio. US-Dollar an eine nicht genannte Investmentgruppe.

Im vierten Teil der Indiana-Jones-Reihe, „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, liefert sich Indy ein Rennen mit sowjetischen Agenten um einen Kristallschädel. In einer der ersten Folgen der Fernsehserie „Stargate SG-1“ diente ein Kristallschädel, der von einer alten außerirdischen Zivilisation zurückgelassen worden war, als Transportmittel, mit dem Menschen von der Erde zum Heimatplaneten der Außerirdischen und zurück reisen konnten. Wie wir sehen, haben die Kristallschädel Hollywood und der Unterhaltungsindustrie gute Dienste geleistet. Dennoch basieren die Drehbücher der Filmindustrie auf bestehenden Theorien über die Kristallschädel, von denen einer schon vor 30 Jahren für 500.000 US-Dollar versichert wurde. Aber was sind sie nun eigentlich?

Der langsame Aufstieg der Kristallschädel zum Ruhm begann in den 1980ern, vor allem durch das Treffen des Forschers Joshua Shapiro mit Sandra Bowen und Nick Nocerino, die einen Kristallschädel namens Sha-Na-Ra besaßen. Nach und nach stieß Shapiro auf andere Kristallschädel, zum Beispiel den Maya-Kristallschädel, den Mitchell-Hedges-Kristallschädel und den Texas-Kristallschädel (auch bekannt als „Max“, der den Guatemalteken vermutlich von einem tibetischen Heiler überreicht worden war).
Im März 1989 erschien das Buch „Mysteries of the Crystal Skulls Revealed“, das Shapiro, Bowen und Nocerino gemeinsam verfasst hatten. Durch das Buch war es den Autoren möglich, verschiedene weitere Kristallschädel zu „treffen“, nämlich Windsong, Rainbow, Madre, Synergy und sogar zwei, die als Skully und ET bezeichnet wurden. ET ist ein Rauchquarzschädel, der im frühen 20. Jahrhundert in Mittelamerika gefunden wurde. Er erhielt seinen Spitznamen wegen seiner spitzen Schädelform und dem extremen Überbiss, die an ein außerirdisches Wesen erinnern; außerdem ähnelt er dem Schädel, den Indiana Jones im Film finden muss. ET gehört zur Privatsammlung von Joke Van Dieten, die mit ihren Schädeln umherreist, um deren Heilkräfte, an die sie glaubt, mit den Menschen zu teilen.

Heute sind mehrere Dutzend Kristallschädel in Umlauf. Die meisten davon sind das, was man am besten als „Kristallschädel der zweiten Generation“ bezeichnet – moderne Erzeugnisse, die Leuten gehören bzw. von Leuten „bedient“ werden, die die Schädel zum Heilen, zur Meditation, zum Channelling usw. benutzen. Aber es gibt auch ein Dutzend Schädel, die offenbar älter sind und deren Herkunft unklar ist. Diese Kristallschädel tauchten meist wie aus dem Nichts auf und wanderten häufig sofort in Privatsammlungen. Nur zwei Schädel befinden sich in Museen: einer in London und der andere in Paris.

Kontroverse um die Hersteller

Der englische Schädel ist Teil der Ausstellung im Museum of Mankind, wo er eines der wichtigsten Ausstellungsstücke ist. In der Erklärung dazu steht: „Ursprünglich für aztekisch gehalten, aber neuere Forschungen ergaben, dass er europäischen Ursprungs ist“, ein Erzeugnis aus dem späten 19. Jahrhundert. 1897 erwarb das Museum den Schädel für 120 £ von Tiffany & Co., dem berühmten Schmuckunternehmen mit Sitz in New York. Angeblich hatte Tiffany‘s den Schädel von einem vermögenden mexikanischen Soldaten erworben.

Im Jahr 2004 untersuchte Prof. Ian Freestone von der University of Wales in Cardiff den Schädel und kam zu dem Schluss, dass der Schädel mit einem rotierenden Werkzeug geschliffen und poliert wurde, das bei den Azteken nicht gebräuchlich gewesen sei (siehe: http://hnn.us/roundup/comments/9582.html). Freestone behauptete daher, dass die Skulptur postkolumbischen Ursprungs sei und fügte hinzu, dass diese Kristallart zwar in Brasilien, aber nicht in Mexiko, der Heimat der Azteken, vorkomme und dass „die Oberfläche des Schädels, in der kleine Blasen eingeschlossen sind, die im Licht glänzen, schärfer ausgearbeitet ist als die etwas runder wirkenden aztekischen Kristallrelikte, mit denen er verglichen wurde.“ Allerdings erklärte Freestone, es gebe trotz der deutlichen Hinweise, dass das Artefakt aus dem 19. Jahrhundert stamme, dennoch keinen hieb- und stichfesten Beweis dafür.
In den letzten Jahren wurde die Geschichte, wie das Britische Museum in den Besitz des Kristalls gelangt war, von Dr. Jane MacLaren Walsh von der amerikanischen Smithsonian-Institution untersucht.

Sie kam zu dem Schluss, dass sowohl der Schädel des Britischen Museums als auch derjenige im Musée de l’Homme in Paris von Eugene Boban verkauft worden waren. Boban war ein umstrittener Sammler von präkolumbischen Artefakten und Antiquitätenhändler, der etwa zwischen 1860 und 1880/81 in Mexiko-Stadt tätig war. Obwohl Boban vermutlich tatsächlich den Kristallschädel bei Tiffany’s zur Auktion angeboten hat, gibt es dafür keinen Beweis. Dagegen kann beim Schädel des Musée de l’Homme bewiesen werden, dass er 1878 von Alphonse Pinart gespendet wurde, der ihn wiederum von Boban gekauft hatte. In Bobans Katalog von 1881 findet sich noch ein weiterer Kristallschädel, „aus einem Stück und so groß wie ein menschlicher Kopf“, mit einem Preis von 3.500 französischen Francs der teuerste Artikel im Katalog. Möglicherweise fand er keinen Käufer und wurde deshalb bei Tiffany’s zur Auktion angeboten.

Nachdem sie diese Fakten ermittelt hatte, behauptete Walsh jedoch, dass die Schädel keine echten Artefakte, sondern stattdessen zwischen 1867 und 1886 in Deutschland gefertigt worden seien, da die deutschen Handwerker damals als Einzige über die entsprechenden Fertigkeiten verfügt hätten, um die Schädel zu schleifen.

Obwohl Boban umstritten war, unterschied er sich eigentlich nicht von den anderen Händlern auf den damaligen Antiquitätenmärkten, von denen einige wahre Schätze verkauften, wie zum Beispiel den Rosettastein, der bei der Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen half, oder die „Elgin Marbles“, Teile des Skulpturenschmucks des Parthenon in Athen, die noch heute für Unstimmigkeiten zwischen den Ländern sorgen, aus denen sie „exportiert“ wurden, und denen, die sie nun besitzen.

Dennoch gibt es nicht den geringsten Beweis dafür, dass Boban die Schädel aus Deutschland bezogen hatte. Viel logischer ist der Schluss, dass Boban, der sich ja in Mexiko betätigte, die Schädel in Mexiko erworben hatte. Völlig logisch wäre auch, dass sie, wenn sie tatsächlich aztekischen Ursprungs sind, auf dem Antiquitätenmarkt in Mexiko-Stadt angeboten wurden, wo Boban sie entdeckte. Obwohl dies das einleuchtendste Szenario ist, bevorzugt die wissenschaftliche Gemeinde offenbar die moderne Theorie, nach der die Schädel in Deutschland gefertigt wurden, was aber nicht bewiesen werden kann. Warum? Könnte es sein, dass sie sie lieber als Fälschungen bezeichnen, um möglichen Forderungen der mexikanischen Behörden aus dem Weg zu gehen?

In Bezug auf die Tatsache, dass die Kristallschädel mit einem rotierenden Werkzeug poliert wurden, erklärte selbst Professor Freestone, der die Schädel aus London und Paris 2004 untersucht hatte, dies bedeute nicht, dass es sich um moderne Erzeugnisse handele. Obwohl Freestone, Walsh und andere Forscher darauf hinwiesen, dass die Schädel nur mit geringer Wahrscheinlichkeit präkolumbischen Ursprungs seien, erklärten andere Fachleute wie etwa Professor Michael D. Coe von der Yale-Universität, die offensichtlichen Spuren eines rotierenden Werkzeugs bewiesen nicht, dass die Kristallschädel aus postkolumbischer Zeit stammten. Er sagte sogar, dass neue Beweise dem wissenschaftlichen Dogma widersprächen, keine präkolumbische Gesellschaft hätte ein rotierendes Schleifwerkzeug benutzt. Heute weiß man, dass hauchdünner Ohrschmuck aus Obsidian mit Hilfe eines rotierenden Schleifwerkzeugs hergestellt wurde und bis in aztekische und mixtekische Zeit zurückdatiert werden kann. Chris Morton und Ceri Louise Thomas zitieren in ihrem Buch „Tränen der Götter“ Coe wie folgt:

„Die Leute, die nur in ihren wissenschaftlichen Labors sitzen, können die ganze Vielfalt der Kultur, mit der sie sich beschäftigen, gar nicht ermessen. In Wahrheit wissen wir über diese frühen Kulturen nur die Hälfte von dem, was wir zu wissen glauben. Wir müssen unsere Annahmen neu überdenken.“
Walsh und viele ihrer Kollegen stellten Boban weitestgehend als Scharlatan dar, aber sie versäumten dabei zu bemerken, dass Boban bekanntermaßen echte antike Artefakte sowie eine Sammlung von seltenen Büchern und frühen mexikanischen Manuskripten besaß. Er hatte sogar eine wissenschaftliche Abhandlung verfasst, nämlich „Documents pour server à l’histoire du Mexique“ (Dokumente zur Erforschung der Geschichte Mexikos, 1891). Darüber hinaus zog er selbst gegen Betrüger und Fälschungen ins Feld, wie zum Beispiel im Jahr 1881, als er sich gegen die in den Vororten von Mexiko-Stadt hergestellten Fälschungen aussprach. Würde er da im selben Jahr seinen Ruf aufs Spiel setzen, indem er einen falschen Kristallschädel in seinen Katalog aufnimmt?

Die Verbindung zu Deutschland und die Behauptungen über Bobans Unredlichkeit stammen aus dem Brief eines seiner Konkurrenten, Wilson Wilberforce Blake. Er schrieb, dass man bei ihm und nicht bei Boban, der „nicht ehrlich“ sei, kaufen solle, warf Boban vor, dass dessen verkaufter Kristallschädel eine Fälschung sei und unterstellte zugleich, der Schädel sei in Deutschland gefertigt worden. Jedoch wurden diese Behauptungen nie bewiesen, und Blake hatte offensichtlich ein starkes Motiv, um Boban in Verruf zu bringen: Er hatte es auf Bobans Marktanteile abgesehen.

Kurz gesagt entdeckte Walsh also deutliche Hinweise darauf, dass Boban Kristallschädel besaß und sie auch verkauft hatte; aber in Bezug auf die Verbindung zu Deutschland stützte sie sich auf die Aussagen eines Mannes, der beinahe offen zugegeben hatte, dass er Bobans Standesehre in den Schmutz ziehen wollte. So gesehen ist die Geschichte, wie die Kristallschädel von der wissenschaftlichen Gemeinde behandelt wurden, typisch dafür, wie das wissenschaftliche Establishment mit solch ungewöhnlichen Funden umgeht und sie als Fälschungen abtut. Und Kenner der Szene wissen, dass sich die Smithsonian-Institution und das Britische Museum nicht zum ersten Mal in eine solche Kontroverse einmischen.

Archäologische Spekulationen

Könnten diese Schädel echte archäologische Fundstücke sein? Wie Morton und Thomas darlegen, standen Bobans Artefakte gerade zu der Zeit zum Verkauf, als Teotihuacàn nördlich von Mexiko-Stadt ausgegraben wurde. Teotihuacàn ist eine der wichtigsten Stätten auf dem amerikanischen Kontinent, mit Pyramiden und einer Anlage, die den Pyramiden von Gizeh gleichkommt.

Bekanntermaßen besuchte Boban die Ausgrabungsstätten, und zwar in Begleitung von Leopold Batres, dem „Aufseher über die Monumente“. Blake behauptete interessanterweise, dass auch Batres „nicht nur ein Schwindler, sondern auch ein Betrüger“ sei. Selbst wenn diese Anschuldigungen wahr sein sollten, hatte Boban den Schädel dann vielleicht aus Teotihuacàn? Wenn dem so ist, läge die Schuld nicht bei Batres. In jenen Tagen endete die eine Hälfte der Fundstücke, die die Ausgräber zu Tage förderten, auf dem Schwarzmarkt, während die andere Hälfte Teil der „archäologischen Aufzeichnungen“ wurde. Sogar der große Howard Carter wurde bekanntlich während der Erkundung des Grabes von Tutenchamun, der größten archäologischen Entdeckung des 20. Jahrhunderts, ein Opfer dieses Vorgehens.

So oder so, die Annahme, dass die Schädel echte archäologische Schätze sind, ist logischer – und besser dokumentiert – als die Spekulationen über eine theoretische Verbindung zu Deutschland. Dennoch ist es eine Tatsache, dass keiner der Schädel während einer archäologischen Ausgrabung gefunden wurde – abgesehen von dem sogenannten Mitchell-Hedges-Kristallschädel, der nach seinem Entdecker, dem Abenteurer F. A. (Mike) Mitchell-Hedges, benannt wurde, wenn wir der „offiziellen“ Version des Fundes Glauben schenken wollen. Der Schädel ist der bei weitem schönste, detaillierteste und aufwändigste und besteht aus zwei Teilen, nämlich dem Schädel selbst und einem abnehmbaren Kieferknochen, mit dem man den Schädel „sprechen“ lassen kann. Der berühmte Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke verwendete ein Bild dieses Schädels für seine beliebte Fernsehserie „Arthur C. Clarke’s Mysterious World“.

Nach der offiziellen Version wurde der Schädel 1924 in den Ruinen von Lubaantun in Belize (damals Britisch-Honduras) während einer archäologischen Besichtigung der Stätte gefunden, obwohl diese Behauptung umstritten ist (siehe dazu den Artikel über den Mitchell-Hedges-Schädel in der nächsten NEXUS-Ausgabe). Die Existenz dieses „Schädels der Verdammnis“, wie Mitchell-Hedges ihn selbst nannte, ist erst ab 1931 dokumentiert.

In seiner Autobiographie „Danger, My Ally“ (1954) behauptet Mitchell-Hedges, dass „der ‚Schädel der Verdammnis‘ aus reinem Bergkristall besteht. Nach den Aussagen von Fachleuten muss eine Generation nach der anderen jeden Tag ihres Lebens daran gearbeitet haben, um in 150 Jahren mit Sand diesen perfekten Schädel aus einem riesigen Bergkristall zu schmirgeln.“ Er fährt fort:

„Er ist mindestens 3.600 Jahre alt und wurde der Legende nach vom Hohepriester der Maya zur Durchführung esoterischer Kulthandlungen benutzt. Angeblich folgte der Tod auf dem Fuße, wenn er ihn mit Hilfe des Schädels beschwor. Er wurde als Verkörperung des Bösen beschrieben.“
Als ein Mann, der „die Gefahr“ zum „Verbündeten“ hatte, versuchte er offensichtlich, die Leser mit der Macht dieses Objekts zu erschrecken.

Mitchell-Hedges brachte den Kristallschädel mit den Maya 1600 v. Chr. in Verbindung – als es die Maya noch gar nicht gab. In Anbetracht von Mitchell-Hedges‘ Bestrebungen, Beweise für die Existenz von Atlantis zu finden, behaupteten viele Leute, dass der Schädel somit ein Überbleibsel dieser noch älteren Zivilisation sei. Es lässt sich leicht erraten, was die Skeptiker daraus gemacht haben.

Kristalline Hinterlassenschaften

Heute gibt es drei Haupttheorien darüber, was die Kristallschädel eigentlich sind und woher sie kommen. Eine besagt, dass sie außerirdische Hinterlassenschaften sind; eine andere geht davon aus, dass sie Überbleibsel einer untergegangenen Zivilisation sind (womit oft Atlantis gemeint ist). Beide sind besonders in der New-Age-Szene beliebt. Für Skeptiker sind die Kristallschädel „offensichtlich“ deutsche Erzeugnisse aus dem 19. Jahrhundert. Allerdings könnte eine vierte Theorie der Wahrheit deutlich näher kommen.

Das Problematische an den Kristallschädeln ist, dass sie aus Kristall bestehen. Quarzkristall altert nicht, korrodiert nicht, erodiert nicht, verfällt nicht und verändert sich im Lauf der Zeit überhaupt nicht. So ein Schädel könnte mehrere hundert, wenn nicht gar tausend Jahre alt sein und trotzdem so aussehen, als sei er erst gestern angefertigt worden – und umgekehrt. Daher mussten andere Datierungsmethoden gefunden werden, und so wurden die Hinweise darauf, dass die Schädel mit einem rotierenden Werkzeug poliert wurden, zum Hauptbestimmungsmerkmal dafür, ob sie moderne bzw. postkolumbische oder „echte“ archäologische Artefakte sind.

Wie oben bereits erwähnt, verachtete Michael Coe die Laborarchäologen, die der Echtheit der Kristallschädel widersprachen. Und das zu Recht, wie der Schädel im Besitz der Mexikanerin Norma Redo – zumindest nach Ansicht einiger Leute – beweist, der für sein großes Kreuz auf der Schädeldecke bekannt ist. Der Schädel zeigt ähnliche „Spuren“ eines rotierenden Werkzeugs, aber nach seiner Analyse stellte der Archäologe Dr. Andrew Rankin fest, dass der Schädel aus demselben Kristall besteht wie der Kristallkelch aus dem Grab Nr. 7 in Monte Albàn, der ein unumstrittener archäologischer Fund ist. Darüber hinaus gilt der Stempel mit der Jahreszahl 1571 auf dem Kreuz als echt, sodass mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass der Schädel ein europäisches Erzeugnis aus dem 19. Jahrhundert ist. Zusammen bestätigen diese Beweise Michael Coes Behauptungen, dass die Maya offenbar durchaus Kristall bearbeiten konnten … und deshalb tatsächlich die Schöpfer der Kristallschädel sein könnten.

In der Tat wären die Maya nicht die einzige alte Hochkultur, die Kristall bearbeiten konnte. Robert Temples Buch „Die Kristall-Sonne. Eine verlorengegangene Technologie des Alterums wiederentdeckt“ (2000) wurde folgendermaßen beworben:

„Nach 33 Jahren weltweiter Forschungen, in Museen von Stockholm bis Shanghai, von Athen bis Kairo, und nach der Lektüre von tausenden Büchern in verschiedenen Sprachen, rekonstruierte Robert Temple eine längst vergessene Geschichte: Die Geschichte der Lichttechnologie in antiken Kulturen. Sie führt uns mindestens bis ins Jahr 2600 v. Chr. ins altägyptische Königreich zurück und quer durch die abendländische Antike.“

Temples Suche begann, als er mit Arthur C. Clarke über den Mitchell-Hedges-Schädel sprach. Daraufhin sprach ihn der britische Wissenschaftshistoriker Derek Price, der vor allem durch seine Arbeit über den Mechanismus von Antikythera (einem weiteren außergewöhnlichen archäologischen Fundstück, das erst seit kurzem auch von der Wissenschaft beachtet wird) bekannt wurde, auf die Layard-Linse an, die ein weiteres Beispiel dafür ist, dass unsere Vorfahren schon mit Kristall gearbeitet haben.

Mitte des 19. Jahrhunderts grub der englische Archäologe Sir John Layard die Überreste von Babylon und Ninive aus. Im Jahr 1850, während der Ausgrabung des Thronsaals des assyrischen Königs Sargon II., fand er eine Linse. Ihr Alter wird auf 721 bis 705 v. Chr. geschätzt, und auch sie ist im Britischen Museum zu sehen. Sie ist die wahrscheinlich erste plano-konvexe Linse überhaupt.
Temple schreibt auf seiner Website:

„[…] diese mittlerweile gesprungene und stark beschädigte Linse aus Bergkristall war ursprünglich eine perfekte konvexe Linse mit einer flachen (‚planen‘) Basis, die auf eine bestimmte Art und Weise geschliffen wurde, die Optiker als ‚toroidal‘ bezeichnen – eine Technik, über die man nach allgemeiner Ansicht erst ab etwa 1900 verfügte. Mit dieser Methode können Linsen geschliffen werden, die individuelle Fälle von Astigmatismus korrigieren. Es ist durchaus möglich, dass man heute jemanden auf der Straße trifft, dessen Astigmatismus durch die Layard-Linse perfekt korrigiert wird […] Es ist absolut außergewöhnlich, dass es eine Technologie wie diese schon im 8. Jh. v. Chr. gab. Und kein einziger Assyriologe hat bisher von der Veröffentlichung meiner Arbeit über dieses wichtige Objekt Notiz genommen, abgesehen von dem einen, der mich in erster Linie dazu ermutigt hat. Er war neugierig, zu welchen Ergebnissen ich kommen würde. Mir scheint, dass die Assyriologen es vorziehen, mein Buch nicht zu ‚bemerken‘.“

Warum? Vor allem deshalb, weil das wissenschaftliche Establishment in Bezug auf die Kristallschädel glaubt – und genau das tut es nun einmal –, dass erst „wir“ seit dem 19. Jahrhundert solche Dinge tun können.

Allerdings leugnen heutzutage die Archäologen nicht mehr grundsätzlich, dass es in der Antike Linsen gab, wie die Untersuchung von George Sines und Yannis A. Sakellarakis (American Journal of Archeology, Vol. 91, Nr. 2, April 1987) zeigt, die darüber berichten, wie „[…] zwei kürzlich in den Idäanischen Höhlen gefundene Linsen aus Bergkristall von außergewöhnlich guter optischer Qualität zu dieser Untersuchung von anderen Linsen führten. Alles deutet darauf hin, dass Linsen mehrere tausend Jahre lang überall im Nahen Osten und rund um das Mittelmeer benutzt wurden.“ Sie fügen hinzu:

„Es ist bekannt, dass im antiken Griechenland Linsen als Brenngläser verwendet wurden, genauso wie Lupen, um Siegelabdrücke verifizieren zu können.“

Wissenschaftliche Untersuchung des „Schädels der Verdammnis“

1936 untersuchten der bedeutende Anthropologe G. M. Morant und Adrian Digby, zukünftiger Direktor der Ethnologischen Abteilung im Britischen Museum, den Mitchell-Hedges-Schädel und stellten fest, dass er kein Erzeugnis moderner Handwerkskunst ist. Digby schrieb:

„[…] In keinem Fall [sie hatten auch den Schädel des Britischen Museums untersucht] gibt es eindeutig identifizierbare Werkzeugspuren, und ganz sicher wurde keines der Exemplare mit stählernen Werkzeugen hergestellt. An den Zähnen finden sich keine Spuren von den Werkzeugen eines Edelsteinschleifers, die eines oder auch beide Exemplare als verhältnismäßig neueren Ursprungs entlarven würden.“

In ihrem Artikel im Magazin Man (Vol. 36, Juli 1936) erläuterten sie, der abnehmbare Unterkiefer müsse seinen Schöpfer – wer auch immer er gewesen sein mag – viele hundert, wenn nicht tausende zusätzliche Arbeitsstunden gekostet haben und es müsse daher einen guten Grund dafür gegeben haben, dass der Unterkiefer abgenommen werden kann – abgesehen von ausschließlich künstlerischen Beweggründen.

1964 lieh Anna „Sammy“ Mitchell-Hedges, die Adoptivtochter des Abenteurers und Hüterin des „Schädels der Verdammnis“, den Schädel den bekannten Kunstexperten und Restauratoren Frank und Mabel Dorland. Dorland begann seine Analyse mit Photos aus verschiedenen Winkeln. Er benutzte auch ein Binokularmikroskop, um ein dreidimensionales Abbild des Schädels zu erhalten.

Während dieser wissenschaftlichen Untersuchung schien der Schädel auch eine magische Seite zu offenbaren. Eines Abends beendete Dorland seine Arbeit so spät, dass er den Schädel nicht mehr in den Tresor der Mill Valley Bank zurückbringen konnte. Deshalb nahm er ihn kurzerhand mit nach Hause und stellte ihn in der Nähe des Kamins ab, in dem er an diesem Abend Feuer gemacht hatte. Da sah er, wie das Licht des Feuers durch die Augen des Schädels gebrochen wurde und merkte dadurch, dass mit dem Schädel verschiedene optische Effekte erzielt werden konnten – auch wenn andere Geschichten behaupten, dass das Haus den ganzen Abend lang von Poltergeistern heimgesucht worden sei.

Dorland fand heraus, dass die optischen Effekte durch den Schliff des Schädels zustande kamen, was ihn noch mehr über die enorme Präzision der Arbeit lernen ließ. Er stellte fest, dass es oben auf dem Schädel eine Art „Beschichtung“ gab, durch die sich der Schädel wie eine Lupe verhielt. Die Rückseite des Schädels leitete das Licht durch die Augenhöhlen. Während man von hinten nicht sehen konnte, was passierte, bot sich dem Betrachter, der vor dem Schädel stand, eine spektakuläre Reihe von Bildern, die scheinbar aus dem Inneren des Schädels kamen.

Schließlich fand Dorland zwei Löcher unten am Schädel, die man nicht sehen kann, wenn der Schädel aufrecht steht. Die Löcher können benutzt werden, um den Schädel zu bewegen, ohne dass er nach vorne kippt. Gemeinsam mit dem abnehmbaren Unterkiefer war dies ein weiterer Hinweis darauf, dass dieser Schädel nicht einfach nur ein Ausstellungsstück war, sondern dass er dazu geschaffen worden war, um ganz bestimmte Dinge zu tun: Nämlich ihn zu bewegen, wenn nicht gar mit Hilfe des abnehmbaren Unterkiefers die Illusion zu erzeugen, dass er spricht, und dem vor ihm stehenden Betrachter bestimmte Bilder zu zeigen.

Im Dezember 1970 brachte Dorland den Schädel in die Labors von Hewlett-Packard in Santa Clara (Kalifornien), eines der damals weltweit am besten ausgerüsteten Zentren für Computer und Elektronik. Die Labortechniker waren Spezialisten für die Herstellung von Präzisionskristallen, die in High-Tech-Geräten eingesetzt wurden. Sie waren also geradezu perfekt dazu geeignet herauszufinden, wie der Schädel hergestellt worden sein konnte.

Ein Test ergab, dass der Schädel aus einem einzigen Kristall bestand und dass der abnehmbare Unterkiefer aus demselben Stück stammte. Die Labortechniker gaben zu, dass sie mit all den technischen Möglichkeiten, die ihnen 1970 zur Verfügung standen, nicht in der Lage waren, einen solchen Schädel herzustellen. Ihre Untersuchung zeigte, dass der Schädel mit drei verschiedenen Handwerkstechniken hergestellt worden war, und daher vermuteten sie, dass die Arbeit an dem Schädel drei Generationen gedauert haben könnte, also circa 60 bis 70 Jahre – etwa die Hälfte der Zeit, die Mitchell-Hedges veranschlagt hatte; 70 Jahre gegenüber 150 Jahre, das ist immer noch ein kleiner Unterschied.

Es war sehr unwahrscheinlich, dass drei Generationen tagein, tagaus an einem einzigen Schädel gearbeitet haben sollen, daher nahm man an, dass der Schädel mit „unbekannter Technologie“ hergestellt worden war, was schnell dahingehend interpretiert wurde, dass diese Technologie außerirdischen Ursprungs sei oder von einer noch früheren, der unseren technisch überlegenen Zivilisation stamme, die schnell mit Atlantis in Verbindung gebracht wurde. Genau das hatte Mitchell-Hedges schon immer behauptet: Nämlich dass dieser Schädel ein physischer Beweis für eine untergegangene, fortschrittliche Kultur sei.

Larry LaBarre war einer der Tester bei Hewlett-Packard. Zehn Jahre nach den Tests von 1970 fügte er seinen vorhergehenden Beobachtungen hinzu, dass der Kristall mit neun von zehn Punkten auf der Mohs-Härte-Skala sehr hart ist, sodass er eigentlich nur mit Diamanten geschliffen werden kann. Darüber hinaus bestand der Kristall, obwohl aus einem einzigen Stück, aus drei bis vier Wachstumsphasen, die alle unterschiedliche Achsen hatten. Es wäre sehr schwer gewesen, ihn zu schleifen, da der Kristall zerbrechen kann, wenn man beim Schleifen auf eine neue Achse trifft und nicht äußerst vorsichtig dabei vorgeht. (Das ist ein Grund, weshalb größere Diamanten wertvoller sind. Nicht nur die Größe des Steins allein, sondern auch die dafür nötige Kunstfertigkeit bestimmen den Preis.)
Als Ursprungsort des Kristalls nahm LaBarre Calaveras County in Kalifornien an. Allerdings hält der Edelsteinexperte Allan Jobbins, der die Schädel für die Sendung „Arthur C. Clarke’s Mysterious World“ untersuchte, Brasilien für den wahrscheinlicheren Ursprungsort des Kristalls.

Von Visionen und den Symbolen der Maya

In den vergangenen Jahren gab es heftige Diskussionen rund um die Entstehung der Schädel. Da bei keinem von ihnen die Herkunft geklärt ist, müssen gewisse Fragen gestellt werden. Falls es sich wirklich um archäologische Schätze handelt, besteht ein größeres Problem darin, ihren ursprünglichen Zweck einwandfrei festzustellen. Tatsächlich versagten die Archäologen den Kristallschädeln ihre Aufmerksamkeit, und deshalb wurde die entstandene Lücke von vielen Leuten genutzt, um eigene Vermutungen anzustellen, von denen einige mehr und andere weniger obskur sind.
Wie oben bereits erwähnt, glaubte Mitchell-Hedges, wenn ein Maya-Priester den „Schädel der Verdammnis“ in Händen hielt und jemanden in Gedanken tötete, diese Person tatsächlich sterben würde. Er glaubte auch, dass ebenso all jene sterben würden, die nicht an die Macht des Schädels glaubten. Anna Mitchell-Hedges sagte, dass der Schädel zu ihr „gesprochen“ habe.

In letzter Zeit haben viele Leute die Schädel zum Wahrsagen oder für Visualisierungsmeditationen benutzt. Viele berichteten von Visionen mit Szenen aus antiken oder fremden Zivilisationen, wobei sich die beschriebenen Szenen jedoch stark unterschieden. Einige gaben an, Szenen aus der Geschichte der Maya gesehen zu haben, während andere berichteten, dass sie etwas über Atlantis erfahren hätten.
Solche Erscheinungen könnten tatsächlich am technischen Geschick der oder des Schöpfers der Kristallschädel liegen. Frank Dorland erwähnte zwei Prismen im Kristall. Er behauptete, dass der Künstler diese zwei Prismen genau berechnet habe und dass der Schädel daher perfekt dazu geeignet sei, als Orakel zu fungieren. Er machte eine Reihe Aufnahmen vom Inneren des Schädels, mit denen er die verschiedenen „Visionen“ festhalten konnte, die andere gehabt hatten. Auf einigen Bildern entdeckte er Pyramiden ohne Spitze, auf anderen etwas, das dem amerikanischen Capitol ähnelte, das mit dem Caracol in Chichén Itzà ein altertümliches Gegenstück hat. Auf anderen Bildern erschienen kleine Schädel. Dorland fügte hinzu, dass man diese Bilder nur sehen könne, wenn man durch die rechte Augenhöhle blicke, aber nicht, wenn man durch die linke Augenhöhle sehe.

So interessant diese Informationen auch sein mögen – sie sind kein handfester Beweis für den tatsächlichen Zweck des Kristallschädels. Dafür benötigen wir zunächst einen eindeutigen Referenzrahmen – und das kann nur die Kultur der Maya sein, die nur 400 Jahre vor der Entdeckung der Kristallschädel in Mexiko existierte.

Eine These kam von dem amerikanischen Archäologen Professor Sylvanus G. Morley, der behauptete, dass der Schädel in der Welt der Maya ein Symbol für die Zahl 10 gewesen sei:
„Die Kopfvariante für die 10 ist der Kopf des Todes, der Schädel, und um auch die Kopfvarianten für die Zahlen 14 bis einschließlich 19 darstellen zu können, stand der fleischlose Unterkiefer des Totenschädels in den zusammengesetzten Köpfen, die die sechs höheren Zahlen repräsentierten, für den Wert 10.“

Obwohl auch dieser Vorschlag interessant ist, bringt er uns dem tatsächlichen Zweck der Kristallschädel keinen Schritt näher. Allerdings zeigt er, dass der Schädel als Symbol in der Welt der Maya tatsächlich wichtig war. Überall im alten Maya-Königreich finden sich steinerne Schädel. Einer dieser Schädel steht am Tempel der Inschriften in Palenque und ein anderer in Tikal. Beide Schädel sind ans Ende von langen Treppen eingemeißelt, die in einen Raum führen, der vermutlich ein Heiligtum waren. Einen weiteren steinernen Schädel gibt es am Eingang zur Höhle unter der Sonnenpyramide in Teotihuacàn. Aber die meisten Schädel finden sich auf den Tzompantli („Schädelgerüst“, „Platz der Schädel“), von denen einer der berühmtesten sich in Chichén Itzà befindet.

Der Schädel im Schöpfungsmythos der Maya

Dass die Schädel im Kernland des Maya-Königreichs gefunden wurden, ist ein Beweis, der mit den wenigen Fakten, die wir über ihre Herkunft besitzen, übereinstimmt. Der Maya-Schädel und der Amethyst-Schädel wurden angeblich im frühen 20. Jahrhundert in Guatemala gefunden. Der Amethyst-Schädel besteht aus violettem Kristall, der Maya-Schädel aus weißem, aber sie haben in anderer Hinsicht vieles gemein. Beide wurden, wie der Mitchell-Hedges-Schädel, bei Hewlett-Packard untersucht und auch bei ihnen stellte man fest, dass sie gegen die Kristallachsen geschliffen worden waren – eine bemerkenswerte handwerkliche Leistung, denn ständig droht die Gefahr, dass der Kristall während des Arbeitsprozesses bricht oder zersplittert.

Etwas konkreter ist dagegen Nick Nocerinos Behauptung, dass er 1949 während seiner Reise durch Mexiko einen Schamanen getroffen habe. Der Schamane habe ihn zu einem Maya-Priester geführt, der ihm erklärte, dass er die Kristallschädel verkaufen dürfe, weil das Dorf Geld für Lebensmittel brauche. Nocerino kaufte sie nicht, aber er untersuchte sie. Auf alle Fälle ist klar, dass jemand diese Schädel in Mittelamerika zum Verkauf anbot. Was dann passierte, war schon oft zuvor passiert, und wir wissen, dass ganze Maya-Dörfer „finanziell unterstützt“ wurden, indem sie archäologische Güter auf dem Schwarzmarkt verkauften. Warum sollte Boban angesichts dieses vielfältigen Angebots einen deutschen Kristallschädel ausfindig machen und kaufen, den er nur schwer würde weiterverkaufen können?

Daher gibt es nur eine wahrscheinliche und logische Schlussfolgerung, nämlich dass die Schädel aus Mittelamerika stammen. Vermutlich wurden sie von gewissen Leuten auf undurchsichtige Art und Weise erworben und endeten dann einige Zeit später auf Auktionen, wobei die Spuren ihrer Herkunft größtenteils ausgelöscht worden waren.

Aber wenn sie mittelamerikanischen Ursprungs sind, welchem Zweck dienten dann die Schädel – unter der Annahme, dass sie tatsächlich archäologische Schätze sind? Bekanntlich besaßen alle Heiligtümer, darunter auch Lubaantun, wo Mitchell-Hedges angeblich seinen Schädel gefunden hatte, einen Tzompantli als Teil der heiligen Tempelanlage, die selbst wiederum eine dreidimensionale Darstellung des Schöpfungsmythos der Maya war.

Der Mythos erzählt, dass zwei Zwillinge mit ihrem Ballspiel die Fürsten von Xibalba, der Unterwelt der Maya, störten. Die Fürsten von Xibalba ließen die beiden Zwillinge in die Unterwelt kommen, damit sie über ihr respektloses Verhalten Rechenschaft ablegten, wobei sie einer Reihe von Prüfungen unterzogen wurden. Als sie diese Prüfungen nicht bestanden, wurden sie getötet und auf dem Spielfeld in Xibalba begraben. Der ältere der Zwillinge wurde enthauptet und sein Kopf in einem Baum am Spielfeld aufgehängt, als Abschreckung für alle, die eine solche Verfehlung wiederholen sollten. Später, und trotz dieser Warnung, besuchte die Tochter eines der Unterweltfürsten den Schädel, der mit ihr sprach und ihr in die Hand spuckte, wodurch sie schwanger wurde.

Der Ort, an dem der Schädel hing, war der Tzompantli, und in Stätten wie Chichén Itzà ist er noch immer als Teil der Tempelanlage klar erkennbar.

Eine der Aufgaben der Maya-Priester bestand natürlich darin, den Schöpfungsmythos nachzustellen. In der Mythologie der Maya stand der Schädel für den Tod des Helden, aber auch für die Wiedergeburt. Daher ist es faszinierend, dass die Erklärung, die Kristallschädel seien ein Teil des Schöpfungsmythos der Maya gewesen, in etwa mit Mitchell-Hedges‘ Interpretation über den Gebrauch der Schädel übereinstimmt.

Die Schöpfungsgeschichte weist deutliche Parallelen zu den technischen Möglichkeiten des Mitchell-Hedges-Kristallschädels auf. Ein Schädel aus Kristall könnte tatsächlich den Eindruck erwecken, dass es sich um den Schädel einer Gottheit handelt, und nicht um den eines gewöhnlichen Sterblichen. Es sollte beachtet werden, dass der Mitchell-Hedges-Schädel keine Schädelnaht aufweist. Da Fachleute darin übereinstimmen, dass es sehr einfach gewesen wäre, dieses Detail hinzuzufügen, lässt die Abwesenheit der Schädelnaht verschiedene Deutungen zu. Das könnte bedeuten, dass der Schädel nicht der eines gewöhnlichen Sterblichen sein kann, auch wenn er menschlich aussieht. Es könnte außerdem bedeuten, dass der „Besitzer“ des Schädels entweder als Erwachsener geboren wurde und / oder eine Gottheit war, also ein vollkommenes Wesen. Darüberbhinaus könnte der Schädel mit Hilfe des abnehmbaren Unterkiefers „gesprochen“ haben, genauso wie der Schädel des Helden im Schöpfungsmythos. Da der Schädel in der Legende spuckte, könnten die Maya auch diesen Effekt durch einen abnehmbaren Unterkiefer, wie ihn der Mitchell-Hedges-Schädel besitzt, erreicht haben.

Dorland zeigte, dass der Schädel mit den zwei Löchern an der Unterseite so bewegt werden kann, dass es aussieht, als würde er sprechen. Mit einem Stab, der durch ein Loch im Altar in das größere Loch an der Schädelbasis geschoben wird, hätte der Kristall bewegt werden können; das kleinere Loch an der Schädelbasis hätte als Drehpunkt für den Schädel dienen können. Die Eigenschaft des Schädels, Bilder zu projizieren, könnte die davorstehende Person zu Visionen oder Träumen angeregt haben …

Ein neues Zeitalter und die „Zusammenkunft der Schädel“

Das bringt uns zu einer weiteren oft übersehenen Frage, die nur wenige stellten: Warum Kristall? Wie bereits erwähnt, werden die Kristallschädel heute oft zum Wahrsagen benutzt, und die Verwendung von Kristallkugeln im mittelalterlichen Europa war dem Gebrauch der Kristallschädel in der New-Age-Szene sehr ähnlich. Allerdings können wir im Rahmen der Maya-Kultur noch viel weiter gehen.
Der Schöpfungsmythos der Maya enthielt auch eine „Zeremonie der Neuen Flamme“, mit deren Entzündung auch ein neues Zeitalter eingeläutet wurde. Die Neue Flamme, geschaffen von den Göttern, war ein Hauptaspekt der „esoterischen Kulthandlungen“, um Mitchell-Hedges zu zitieren.

Diese Art Zeremonie ist heutzutage als Entzündung der Olympischen Flamme allseits bekannt, die im Vorfeld eines neuen Zeitalters – nämlich der Olympiade – im griechischen Tempel von Olympia entfacht wird. Dabei stellen elf Frauen die Priesterinnen dar, die ursprünglich für das Tempelfeuer verantwortlich waren, und entzünden in einer Zeremonie die Fackel durch das Licht der Sonne, das in einem Parabolspiegel gebündelt wird. Wie bereits erwähnt, wurden schon in der Antike Linsen benutzt, um Licht zu fokussieren. In Griechenland hatte das Feuer eine göttliche Bedeutung, und der Legende nach stahl Prometheus das Feuer von Göttervater Zeus. Aber Griechenland war nur eine von dutzenden Zivilisationen in der Alten und auch in der Neuen Welt, in der das Feuer eine wichtige und heilige Rolle spielte; die Zivilisation der Maya war eine andere.

Aus diesem Grund ist es sehr interessant zu wissen, dass der Mitchell-Hedges-Schädel ein Feuer entzünden kann, wenn die Sonnenstrahlen in einem bestimmten Winkel von hinten auf den Schädel treffen. Genauer gesagt würde das gebündelte Sonnenlicht, das aus Nase, Mund und Augen tritt, ein Feuer entzünden, genauso wie bei der heiligen Flamme in Olympia. Benutzten die alten Maya anstelle eines Parabolspiegels vielleicht einen Kristallschädel, um die Neue Flamme zu entzünden, den essentiellen Teil, der den Beginn eines neuen Zeitalters markierte?

Wenn diese Interpretation zutrifft, hat es vielleicht in jeder religiösen Stätte einen solchen Schädel gegeben. Das würde sie zu seltenen Stücken machen; aber wir wissen ja bereits, dass diese Schädel tatsächlich äußerst selten sind. Obwohl es im Moment keinen handfesten Beweis dafür gibt, besteht der Vorteil dieser Theorie darin, dass sie zu allen vorliegenden Beweisen passt, anders als einige „akademischere“ Theorien. Wenn sie stimmen sollte, dann sind die Kristallschädel mächtige Symbole: Symbole für den Wohnsitz der Götter. Und vielleicht ist es kein Zufall, dass der Kristall des Mitchell-Hedges-Schädels aus demselben Material besteht, das in modernen Anwendungen benutzt wird, um Informationen zu speichern.

Natürlich sind einige der „geistigen Gespräche“ zwischen den Schädeln und bestimmten Leuten äußerst „übertriebene“ und bestenfalls unwahrscheinliche Behauptungen. Die Skeptiker jedenfalls hatten ihre helle Freude an den Behauptungen, dass die Schädel außerirdischen Ursprungs seien, vielleicht von Sternensystemen wie den Plejaden oder Orion stammen und möglicherweise mehrere hunderttausend Jahre alt sind.

Aber wenn jemand versucht, eine Schallplatte mit einer kaputten Nadel anzuhören, hört er nur entstellte Geräusche. Er würde vermutlich davon ausgehen, dass er die Nadel ersetzen muss, um die Schallplatte richtig anhören zu können. Könnte es im Fall der Kristallschädel – die ja aus einem Material bestehen, das bekanntermaßen Informationen speichern und als elektrischer Leiter dienen kann – nicht vielleicht so sein, dass wir zwar die Schallplatte besitzen, nicht aber den richtigen Plattenspieler?
Für ihr Buch interviewten Morton und Thomas viele Ureinwohner aus Nord-, Mittel- und Südamerika.

Immer wieder hörten die Autoren Geschichten darüber, wie wichtig die Kristallschädel seien. Ihnen wurde erzählt, dass die Maya insgesamt 13 solcher Schädel besessen hätten, da die 13 eine für sie wichtige Zahl gewesen sei, die sie interessanterweise von der Anzahl der Gelenke des menschlichen Körpers (Knöchel, Knie, Hüften, Handgelenke, Ellbogen, Schulter, Nacken) abgeleitet hätten. Wir können nur Vermutungen darüber anstellen, ob es 13 Haupttempelanlagen im Maya-Königreich gegeben hat, von denen jede einen Kristallschädel besaß, und ob diese Schädel eine Art Netzwerk bildeten. So oder so vertraten die amerikanischen Ureinwohner die Auffassung, dass die 13 Schädel zusammengebracht werden sollten, und zwar so, dass zwölf davon einen Kreis bilden und der dreizehnte Schädel in der Mitte liegt. Obwohl diese Anordnung in der New-Age-Szene als „Zusammenkunft der Schädel“, die eine „Neue Zeit der Erleuchtung“ einleiten soll, ziemlich populär geworden ist, könnte es sich dabei um nicht mehr – aber auch nicht weniger – handeln als die Erinnerung der amerikanischen Ureinwohner an ihr gemeinsames Erbe und daran, wofür die Kristallschädel ursprünglich standen.