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Verschwinden und Sichfinden am Montserrat

MontserratGoethe und Schiller waren von ihm fasziniert, Ignatius von Loyo­la erlebte dort seine Bekehrung, Himmler suchte im Kloster den heiligen Gral. Wer die eigentüm­liche Formation des Massivs auf sich wirken lässt, ahnt, warum der nahe Barcelona gelegene Berg schon seit Urzeiten von Einsied­lern aufgesucht wird und spiri­tuelle Sucher als auch Ufologen ihn umschwirren wie die Fliegen.

Unbestritten ist, dass der Berg seine Besucher mit einer Palette von Phänomenen konfron­tiert, die eine Welt hinter der Welt durchscheinen lassen: Sie berichten von Lichterscheinun­gen und Ufos, spirituellen und pa­ranormalen Erfahrungen sowie Raum-Zeit-Anomalien. Und man­che von ihnen verschwinden unter seltsamen Umständen ...


„Auch gegenwärtig […] würde man das nun allgemein Anerkannte im poetischen Kleide vielleicht gerne sehen, und sich daran in den Gesinnungen befestigen, in welchen ganz allein der Mensch, auf seinem eigenen Montserrat, Glück und Ruhe finden kann.“ 1

Johann Wolfgang von Goethe

Überall auf dem Globus gibt es Berge, die von den Einheimischen als heilig verehrt, geachtet, ja zuweilen gefürchtet werden und häufig im Mittelpunkt eines Geflechts aus regionalen Mythen und Verhaltenskodizes stehen. Dabei sind Massive wie der tibetische Kailash, der im Süden Indiens gelegene Arunachala oder der australische Uluru (aka Ayers Rock) nur die bekanntesten. Die Umrundung des Kailash, der als Heimstatt Shivas gilt, bildet für Millionen Hindus und Buddhisten einen essenziellen Bestandteil des religiösen Lebens. Über den Arunachala, der gar als Verkörperung der genannten Gottheit betrachtet wird, sagte der spirituelle Lehrer Ramana Maharshi, er würde „Selbsterkenntnis verleihen“.

Doch nicht nur die Götter scheinen sich in bestimmten Bergregionen wohlzufühlen. An Orten, an denen die Übergänge zu den feinstofflichen Welten durchlässiger werden, sind auch deren dunkle Aspekte nicht fern. Wer etwa Gestein vom Uluru mit nach Hause nimmt, muss damit rechnen, einem Fluch anheimzufallen; auch sind Touristen angehalten, dort nicht zu fotografieren, damit „sich nicht der Geist eines Ahnen in den Pixeln verfängt“.2 Wer lokale Verhaltensregeln ignoriert, läuft schlimmstenfalls Gefahr, sich auf Nimmerwiedersehen in Zwischenwelten zu verfangen – wie es etwa am Mount Nyangani in Simbabwe wiederholt geschehen sein soll.

Eine breite Palette mysteriöser Geschichten rankt sich auch um den kalifornischen Mount Shasta, der bereits den Ureinwohnern als heiliger Ort galt: Leute sehen dort seltsame Lichter, begegnen merkwürdigen Wesen, erlangen spirituelle Einsichten – oder verschwinden. Viele der von David Paulides identifizierten „Cluster“ unerklärlicher Vermisstenfälle (siehe NEXUS 74 und 75) sind in Gebirgszügen angesiedelt. In unseren Breiten ist es der Untersberg, der zwar nicht so heilig sein mag, wie seine Fans glauben, aber häufig mit mystischen Erlebnissen, Zeitanomalien und Andersweltkontakten in Verbindung gebracht wird.

Heiliger Berg der Katalanen

Weniger bekannt ist, dass ein anderer europäischer Berg viele der genannten Aspekte auf sich vereint: der nordwestlich von Barcelona gelegene Montserrat. Zahlreiche Wunderheilungen, dokumentiert in alten Chroniken, werden der Lieben Frau von Montserrat zugeschrieben. Deren Bildnis soll sich hier im Jahr 880 manifestiert und hartnäckig geweigert haben, fortgebracht zu werden, woraufhin an der fraglichen Stelle das noch heute bestehende Benediktinerkloster gegründet worden sei. Noch länger zurück geht die Tradition der Einsiedler, die auf dem Berg ein karges, Gott geweihtes Leben führten, um denselben zu ehren und zu finden. Eine der frühesten Beschreibungen dazu findet sich bei Thomas Platter d. J., der 1599 schrieb:

„Die einsidler, so auf diesem berg in ihren zeltlinen wohnen, sinndt vast alle alte männer, haben lange, grauwe bärt vast wie die caputziner, unnd kommen niemahlen von ihren zeltlinen herunder in dass kloster, ob schon schnee oder großer nebel bey ihnen. […] Sie dörfen auch nicht ofentlich zusamen kommen, damitt sie einanander nicht an ihrem dienst verstören.“

Bereits die Römer hatten am „gesägten Berg“ (denn nichts anderes bedeutet der Name) einen Tempel zu Ehren der Göttin Venus errichtet. Ignatius von Loyola, der spätere Begründer des Jesuitenordens, erfuhr hier seine Erweckung, woraufhin er Schwert und Schild gegen die Mönchskutte eintauschte. Wilhelm von Humboldt war vom Montserrat und dessen spiritueller Atmosphäre derart fasziniert, dass er ihm einen eigenen Essay widmete, der wiederum seine Freunde Goethe und Schiller inspirierte. Auch der junge Architekturstudent Antonio Gaudí zeigte sich beeindruckt von den eigentümlichen Formen des Berges, den er später als seinen „Lehrmeister“ bezeichnete.

Der Berg hat viel erlebt. Unter Karl dem Großen der Spanischen Mark zugehörig, spielte die Region eine wichtige Rolle während der Reconquista. Napoleon ließ das Kloster 1811 niederbrennen und zahlreiche Mönche töten. Anderthalb Jahrhunderte später bot das wieder aufgebaute Kloster Verfolgten des Franco-Regimes Zuflucht und hielt Messen in der verbotenen katalanischen Sprache ab. Und ein gewisser Heinrich Himmler soll am Montserrat nichts Geringeres als den Heiligen Gral gesucht haben (siehe Kasten auf Seite ...).

Jahr für Jahr verzeichnet das Gebiet um den Berg, das 1987 zum Naturpark erklärt wurde, über zwei Millionen Besucher. Für viele Katalanen ist das aus der Ebene ragende zerklüftete Massiv, das sich über eine Fläche von etwa fünf mal zehn Kilometern erstreckt, ein magischer Ort, den sie als spirituellen Bezugspunkt schätzen. Wanderer berichten von erhebenden, mystischen Momenten, aber auch von Stellen, an denen sie Desorientierung oder Furcht empfanden.

Einer Legende zufolge soll der Berg hohl sein und im Inneren einen unterirdischen See beherbergen. Die Chroniken von Montserrat bezeugen etliche ungewöhnliche Ereignisse, die je nach Kontext als göttlich, übernatürlich, dämonisch oder paranormal interpretiert werden. Im 14. Jahrhundert etwa hinterließ eine Lichterscheinung bei den Bewohnern des nahe gelegenen Städtchens Manresa einen derart tiefen Eindruck, dass sie ihrer bis heute jedes Jahr mit einem zehntägigen Fest gedenken. Jüngeren Datums ist eine Tradition, bei der sich allmonatlich Ufo-Enthusiasten am Montserrat versammeln. Manche Zeugnisse berichten von Zeitanomalien, Begegnungen mit nichtmenschlichen Wesenheiten oder geheimen magischen Ritualen, die in abgelegenen Winkeln des Gebirgszugs abgehalten werden sollen.

Und gelegentlich scheinen am Montserrat Menschen unter seltsamen Umständen zu verschwinden.

Den vollständigen Artikel können Sie in NEXUS 102 lesen.

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