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Weltraumwetter und Seeminenexplosionen

In den Archiven der US Navy lagerte ein erstaunlicher Bericht darüber, wie sich das Weltraumwetter 1972 auf Militäreinsätze in Vietnam auswirkte. Das enthüllte ein vor Kurzem in der Zeitschrift Space Weather erschienener Artikel.


Am 4. August 1972 beobachtete die Besatzung eines Flugzeugs der US Task Force 77, das gerade über einem Seeminenfeld im Meer vor Hon La unterwegs war, 20 bis 25 Explosionen, die sich im Lauf von 30 Sekunden ereigneten. Zudem nahmen sie in der Nähe zusätzliche 25 bis 30 Schlammflecken wahr.

Im Zuge der Operation Pocket Money, die sich gegen die wichtigsten nordvietnamesischen Hafenstädte richtete, hatte man 1972 in dieser Küstenregion Destructor-Seeminen gelegt. Für die Explosionen ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch keinen offensichtlichen Grund.

Wie sich erst jetzt herausstellte, begann die US Navy schon recht bald nach dem Ereignis starke Sonnenaktivität als Ursache zu vermuten. In einem jetzt freigegebenen Navy-Bericht ist nachzulesen, dass sofort eine Untersuchung nach den möglichen Gründen der scheinbar grundlosen Detonation so vieler Seeminen begonnen wurde. Die ausgelegten Minen hatten zwar eine Selbstzerstörungsfunktion, doch auch die hätte erst frühestens 30 Tage nach dem Ereignis ausgelöst werden sollen. Es musste also eine andere Ursache geben.

Am 15. August 1972 ersuchte Admiral Bernard Clarey, der Befehlshaber der amerikanischen Pazifikflotte, um nähere Informationen zu der Hypothese, dass Sonnenaktivität die Detonationen ausgelöst haben könnte. Viele der ausgelegten Minen waren so konstruiert, dass sie auf Veränderungen des Magnetfelds in ihrer Umgebung reagierten. Man wusste damals schon, dass auch Sonnenaktivität das Magnetfeld verändert – aber nicht, ob die Sonne solche unabsichtlichen Detonationen hervorrufen könnte. An den ersten Tagen des Monats August 1972 wurde jedenfalls eine derart starke Sonnenaktivität gemessen wie nur selten zuvor und danach. Eine als MR 11976 bezeichnete Sonnenfleckenregion löste eine Reihe heftiger Sonnen­eruptionen (energiereiche Explosionen elektromagnetischer Strahlung), koronaler Massenauswürfe (das Ausstoßen von Plasma, das meist gemeinsam mit Sonneneruptionen auftritt) und Wolken geladener Teilchen aus, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit unterwegs waren.

Die Stärke dieser Sonnenaktivität Anfang August erreichte ihren Höhe­punkt, als eine Sonnen­eruption der Klasse X um 6:21 Uhr (UT) einen extrem schnellen koronalen Massenauswurf hervorbrachte, der die Erde in einer Rekordzeit von nur 14,6 Stunden erreichte.

Die für die Untersuchung des Minen-Zwischenfalls verantwortlichen Militärangehörigen suchten das Space Environment Laboratory der amerikanischen National Oceanographic and Atmospheric Administration (NOAA) bei Boulder, Colorado, auf, um dort mit Weltraumforschern zu sprechen. Das Ergebnis ihrer Untersuchung – wie es im freigegebenen Bericht der US Navy zu lesen ist – besagte, dass die Sonnensturmaktivität im August „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ für die Explosion der Destructor-Seeminen verantwortlich war.

Quelle: Phys.org, 08.11.18, http://tinyurl.com/ycm2w959