Die Welt - eine Computersimulation?

Digit Bew IconLeben wir in einer virtuellen Wirklichkeit? Tatsächlich häufen sich in der Philosophie und den Naturwissenschaften Indizien für diese Annahme: Die Realität scheint sowohl digitaler Natur zu sein als auch von unserem Bewusstsein generiert zu werden.

An dieser Stelle ist eine kurze Klärung der Begriffe „diskret“, „digital“, „binär“, „analog“ und „kontinuierlich“ angebracht:

  • Diskret – Messwerte werden nur zu bestimmten, auseinanderliegenden Zeitpunkten aufgenommen.
  • Digital – Es liegen Eigenschaften vor, die in Form von Bits kodiert werden können.
  • Binär – Eine Kodierung mit nur zwei Ziffern („Eins“ und „Null“).
  • Analog – Es liegen Eigenschaften vor, die kontinuierlich veränderlich sind.
  • Kontinuierlich – In der zeitlichen Dimension stetig fortlaufend.

Ich bin der Ansicht, dass die vorliegenden Hinweise sehr für eine diskrete und digitale Wirklichkeit sprechen. Das bedeutet, dass die Zeit in „Sprüngen“ fortschreitet und sich sämtliche Eigenschaften aller Dinge zu jedem dieser diskreten Zeitpunkte vollständig in digitaler Form ausdrücken lassen. Es gibt nichts Unendliches. Viele Quantenphysiker sind zu derselben Schlussfolgerung gekommen – eine Erkenntnis, die ich für logisch und grundlegend halte. Betrachten wir die möglichen Ursprünge unserer Realität und die Regeln, die ihre Existenz bestimmen:

  • Typ 1 – Unsere Wirklichkeit wurde von einem bewussten Wesen erschaffen und folgt seither den ursprünglich von dieser Wesenheit aufgestellten Regeln. Wir könnten an dieser Stelle freilich endlose Diskussionen darüber führen, was genau „bewusst“ bzw. „Wesen“ bedeutet, aber lassen Sie uns unsere Betrachtungen hier simpel halten. In dieses Szenario lassen sich auch traditionelle religiöse Schöpfungstheorien einordnen (wie beispielsweise die, dass Gott Himmel und Erde geschaffen hat). Aber auch die gängigen Simulationsszenarien gehören hierher (wie etwa Nick Bostroms „Simulationsargument“, siehe unten).
  • Typ 2 – Unsere Realität wurde ursprünglich von einer bewussten Wesenheit geschaffen, hat sich dann aber, einem grundlegenden Evolutionsgesetz gemäß, immer weiterentwickelt.
  • Typ 3 – Unsere Realität wurde nicht von einem bewussten Wesen erschaffen, sondern trat aus dem Nichts in die Existenz und folgt seitdem den von Beginn an bestehenden physikalischen Gesetzen. Um zu erklären, warum unser Universum so erstaunlich gut für Leben und Materie eingerichtet zu sein scheint, bemühen materialistische Kosmologen die phantastische Idee einer unendlichen Anzahl paralleler Universen. Nach dem anthropischen Prinzip leben wir dann folgerichtig in demjenigen Universum, das als einziges die idealen Bedingungen für Leben bietet – sodass uns unser Universum als erstaunlich lebensfreundlich erscheinen muss. Ockham würde sich im Grabe umdrehen.
  • Typ 4 – Unsere Wirklichkeit wurde nicht von einer bestimmten bewussten Wesenheit erschaffen, sondern entwickelte sich schon immer nach einem fundamentalen Evolutionsgesetz.

Ich möchte nun dahingehend argumentieren, dass die Realität in den ersten beiden Fällen digital sein müsste. Eine bewusste Wesenheit, die in der Lage wäre, für uns eine Welt zu erschaffen, in der wir leben und die wir erfahren können, müsste schließlich im Vergleich zu uns höchst entwickelt sein und würde sich folglich bei dieser Realitätserschaffung der effizientesten Methode bedienen. Eine kontinuierliche Wirklichkeit zu erschaffen, würde sowohl im Zeitbereich als auch im Räumlichen und bezüglich sämtlicher Eigenschaften dieser Wirklichkeit Unendlichkeiten erfordern. Aus diesem Grund wäre es nicht nur ineffizient, sondern im Prinzip sogar unmöglich.

Annie

Abb. 1: „Annie“, Dot Portrait von Nathan Manire, 2013, www.nathanmanire.com (Foto: Peter Zelewski)

Auch im vierten Fall müsste die Realität aus ähnlichen Gründen digital sein. Denn auch ohne einen Schöpfer in Form eines bewussten Wesens würde das zugrunde liegende Evolutionsgesetz sicherlich eine perfekt funktionierende Realität favorisieren, für die keine unendlichen Ressourcen benötigt würden.

Eine analoge, kontinuierliche Wirklichkeit wäre nur beim dritten Typ möglich. Auch in diesem Fall wäre sie aber nicht zwingend notwendig. Wie wir anhand der folgenden Beweiskategorien sehen werden, muss sie sogar als höchst unwahrscheinlich eingestuft werden.

Diskrete Quanten

Eine unendlich feine Rasterung würde verschiedenste Störungen der bekannten physikalischen Gesetze heraufbeschwören. Beispielsweise müsste Materie unterhalb der Ebene der Quarks implodieren und dabei schwarze Löcher generieren. Dergleichen ist jedoch nie beobachtet worden. Des Weiteren ist es unmöglich, die allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik zu verschmelzen. Die zur Zeit favorisierten Theorien über das Wesen von Materie und Energie (String-Theorie) und zur Erklärung von Gravitation und Quantenmechanik (Schleifenquantengravitation) basieren auf der Annahme einer minimalen Länge.2 Ferner sprechen die vorliegenden Hinweise für die Vorstellung, dass die Quantenzustände digital sind – nämlich insofern, als die Spinwerte gequantelt sind und keine Zustände zwischen diesen existieren. In einem kontinuierlichen Raumzeit-Schema würde dies eine Anomalie darstellen. Mit den Worten des namhaften Physikers John Wheeler kann man schlussfolgern:

„Jede physische Quantität, jedes Etwas leitet seine Wertigkeit letztlich von Bits her, also von binären Ja-Nein-Angaben.“3

Philosophische Argumente

Das Simulationsargument: Der Philosoph Nick Bostrom von der University of Oxford hat eine Argumentationskette vorgelegt, nach der wir wahrscheinlich in einer Simulation leben. Sollten wir nämlich überhaupt jemals eine „posthumane“ technische Entwicklungsstufe erreichen, die sich durch die Schaffung zahlloser Ursimulationen (ancestor simulations) auszeichnen würde, dann wäre die Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches höher, dass wir diesen Punkt schon überschritten haben und bereits in einer solchen Simulation leben, als dass wir uns noch in der vor-„posthumanen“ Phase befinden. Bostrom zeigt logisch auf, dass es bezüglich der posthumanen Stufe drei Möglichkeiten gibt:

  1. Wir befinden uns an einem Punkt vor Erreichen der „posthumanen“ Stufe, doch Zivilisationen auf einem solchen technischen Entwicklungsstand vernichten sich selbst, bevor sie die für die posthumane Stufe nötige technische Reife besitzen.
  2. Wie im ersten Fall befinden wir uns erst an der Schwelle zur „posthumanen“ Entwicklungsstufe, entscheiden uns aber bewusst dagegen, diesen Pfad zu beschreiten.
  3. Wir befinden uns bereits in einer posthumanen Simulation.4

Kommentare

18. Februar 2016, 13:26 Uhr, permalink

Buntes Papier

Als Informatiker kenne ich natürlich diese Überlegungen, die als Modellüberlegung sehr wichtig sind und tatsächlich ernst genommen werden müssen. Dennoch wehre ich mich mit Händen und Füßen dagegen, daß diese Modellüberlegung besonders viel mit unserem realen Leben zu tun haben soll. Mit einem Gedankenmodell oder einem mathematischen Modell können wir uns behelfen, Strukturen und Zusammenhänge die wir in unserer Erfahrungswelt wahrnehmen, besser zu verstehen. Die Realität kann dennoch ganz anders aussehen.

Als Informatiker ist es mir theoretisch möglich, ein so komplexes Computerprogramm zu schreiben, daß man meinen könnte, dieses Programm sei intelligent und bewußt. Das Programm selbst könnte dabei tatsächlich auf die Idee kommen, daß es eine bewußte und komplexe Persönlichkeit repräsentiert.

Es ist sogar möglich, diesen Algorythmus so zu entwerfen, daß er einen irrationalen, also einen sich nie wiederholenden beliebig komplexen Programmablauf ermöglicht. Wir können theoretisch sogar einen Algorythmus entwickeln, der eine Kosmologie abbildet, die um ein vielfaches komplexer ist, als die Kosmologie, in der wir Menschen leben. Wir könnten sehr leicht auf die Idee kommen, daß dies eine echte kosmische Schöpfung darstellt.

Das kann menschliche Eitelkeiten ganz schön faszinieren, aber auch schwer deprimieren.

Solche Gedankengänge entstehen leicht, weil wir einerseits nicht vor den Anfang der kosmischen Schöpfung blicken können und andererseits nicht über das "Ende" des Kosmos hinausschauen können. Das verursacht zwei Brüche in allen Weltbildern die wir uns immer wieder neu zusammenzimmern.

Ich kann mir die Unendlichkeit sehr gut vorstellen. Aber das was vor dem Anfang war und das was nach dem Ende sein wird, das kann ich mir derzeit überhaupt nicht vorstellen.

In einer modellhaften Abstraktion des Lebens kann ich mir also vorstellen, daß wir eine Simulation sind.
Dies steht im Einklang einer elitären philosophischen Ströung, die eine dehumanisierung der Menschheit vertritt.
Wir können dies auch als eine satanische Strömung bezeichnen, weil sie meiner Meinung nach der gesunden und aufbauenden Entwicklung des Menschen großen Schaden zufügen kann.

Ein nicht definierbares Gefühl sagt mir, daß unser Leben etwas völlig anderes ist.
Auch wenn ich nicht weiß, was Leben ist.
Und was fangen wir nun damit an?

Lasst uns gemeinsam lebend das Leben immer wieder neu entdecken!

11. März 2016, 17:48 Uhr, permalink

Gerechtigkeit

Sehr gut kommentiert!!

06. April 2016, 12:21 Uhr, permalink

Thomas Kirschner

@Buntes Papier:
Ich kann deine Bedenken bez. potentieller satanistischer Strömungen im sog. Transhumanistischen Bewegung gut nachvollziehen. Aber wir sollten deshalb nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wie Frank Tipler schon vor langer Zeit in seinem noch immer sehr, sehr lesenswerten Buch "Die Physik der Unsterblichkeit" darlegt, dürfte eine überlegene Intelligenz sehr bald entdecken, dass altruistisches Verfahren schon allein aus Gründen der Spieltheorie dauerhaft lohnender und daher "besser" ist, als eine unkooperative (und daher auch eine satanistische) Spielweise.
D.h. wahre Intelligenz wird letztlich immer zu Gott finden. Für mich besteht kein Widerspruch in der gleichzeitigen Annahme eines Gottes und der Hypothese, dass dieser Gott seine Schöpfungen in einem digitalen Universum verwirklicht.

23. November 2017, 12:33 Uhr, permalink

Martin

Ein hervorragender Artikel und zu 99% das, woran ich mittlerweile glaube. Der Beweis fällt schwer, vielleicht ist er sogar unmöglich. Denn wenn die Simulation absolut perfekt ist, kann sie nicht als Simulation enttarnt werden.

Meine Theorie ist, dass diese "Software", aus der alles besteht, die alle Realitäten simuliert, sogar das große Ganze ist - etwa, das schon immer da war und immer da sein wird. Wenn es überhaupt Zeit gibt, was ich nicht glaube - in meinen Augen ist Zeit ein Hilfskonstrukt, das uns dabei hilft, die Dinge einzuordnen und das unabdingbar für unser Bewusstsein ist, damit es innerhalb der Simulation funktionieren kann.

Somit folgere ich, dass alles, was existiert, ein Teil des "Großen Ganzen" ist, kein Produkt dessen. Verkürzt gesprochen, sind wir alle ein Bestandteil dessen, was gerne mal als "Gott" bezeichnet wird.

Einige Überlegungen fand ich sehr gut, z.B. die des RLL. Es würde sogar ansatzweise den Sinn des "Lebens" erklären. Auch die Theorie, dass Dinge erst beim Beobachten detailliert ausgearbeitet werden und so zu der Gestalt finden, als die wir sie wahrnehmen und erforschen können, klingt für mich einigermaßen plausibel.

Nur eine einzige Frage habe ich noch: wer hat sich das alles ausgedacht? Und warum? Ich frage schon gar nicht, seit wann es das alles geben könnte, denn Zeit habe ich ja schon fast ausgeschlossen in meinen Überlegungen.

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