Kernkraft - das Geschäft mit der Angst

In den 1980er Jahren reiste ein Mann durch Amerika, der Plutonium aß, regelmäßig im Abklingbecken eines Atomkraftwerks geschwommen war und jahrzentelang ohne Schutzkleidung mit radioaktivem Material hantiert hatte. Seine Botschaft: Die Angst vor radioaktiver Strahlung ist das Ergebnis einer hemmungslosen Überregulierung des Strahlen­schutzes, die vom Atomenergiekartell in die Politik gepfuscht wurde. Um dies aufzudecken, kreisten seine Vorträge um zwei zentrale Fragen: Wem gehört das Plutonium – und wie viel ist es wert? Einen solchen Vortrag haben wir im Folgenden für Sie aufbereitet.

Im September 1950 begann ich dort in der Plutoniumverarbeitung tätig zu werden. Damals erledigten wir den Job noch mit bloßen Händen, ohne Instrumente und Schutzkleidung. Es kam immer mal wieder zu merkwürdigen Verätzungen, manchmal bekamen wir auch etwas auf unsere Hemden – ich habe vor Kurzem noch eins gefunden: Auf der Vorderseite finden sich noch überall Ätzflecken. Plutoniumreste übrigens auch. Erstaunlich, aber das war die übliche Vorgehensweise in jenen Tagen.

Plutonium existierte damals ausschließlich in seiner natürlichen Form im Urangestein. Trotzdem haben wir die Anlagen so effizient betrieben, dass wir es um 1965 auf bis zu 0,5 Massenprozent Plutonium im Kernbrennstoff gebracht hatten; ein Massenanteil von 0,005. Wir verarbeiteten Tonnen von Uran und gewannen bis 1965 genug waffenfähiges Plutonium, um den Bedarf dieses Landes [der USA] auf absehbare Zeit um das Zehnfache zu übertreffen. Damals wurde ein beträchtlicher Aufwand betrieben. […] Das war harte Arbeit! Es gab nur ein paar Tausend von uns, und wir waren so glücklich mit dem Job, wie man eben sein konnte. Wir arbeiteten wie verrückt daran, alles am Laufen zu halten; 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, in Schichtarbeit: A-, B-, C- und D-Schichten. Unser ganzes Zusammenleben war so organisiert. Eine Gemeinschaft geprägt von der Kriegszeit. Wir erledigten die Arbeit mit Hingabe und ohne große Ansprüche. […]

Im Namen der Sicherheit

Irgendwann tauchten Menschen im Kraftwerk auf, die die Strahlung jedes einzelnen Reaktorfahrers überwachen lassen wollten. Warum? Wissen Sie, was wir taten, wenn ein metallenes Brennelement feststeckte oder auf den Reaktorflur fiel? Wir liefen hin und stießen das rauchende, brennende Ding mit dem Fuß ins Becken! Wenn man nichts zum Messen zur Hand hatte, wusste man nicht, ob es zu heiß war, also ging man einfach hin und versetzte ihm ein paar Tritte. Schließlich kam einer dieser Vorschriftentypen zu uns und sagte: „Sie dürfen das nicht tun, sonst verbrennen Sie sich!“ Und als ich erwiderte: „Ach? Ich habe mich doch auch nicht verbrannt, als ich es letzte Woche getan habe?“ – dann hieß es: „Aber Sie liegen längst über dem Grenzwert!“

Die große Frage war: Woher kam dieser Grenzwert überhaupt? Es stellte sich heraus, dass die Internationale Strahlenschutzkommission 1934 einen Grenzwert für Röntgenstrahlung eingeführt hatte. Es war von da an nicht länger zulässig, sich Verbrennungen einzufangen, also Erytheme bzw. Hautrötungen. Nun musste man einen Grenzwert von einem Fünftel Röntgen (R) täglich einhalten. Wie viel ist das? Nun, Sie mussten eines dieser Messgeräte haben, um die Strahlung aufzuzeichnen, und Sie mussten die Dauer der Bestrahlung festhalten. Es gab vier Faktoren, die bei der Berechnung eine Rolle spielten: Die Größe der Strahlungsquelle – und damit ihre Stärke –, die Distanz von der Quelle, die Dauer der Strahlenbelastung und die Stärke der Abschirmung zwischen Ihnen und der Strahlungsquelle. Na, super. Wir hatten diese Arbeit schon über Jahre gemacht, ohne uns Verbrennungen zuzuziehen – was also sollten jetzt diese Regeln?

Wer schweigt, der bleibt

Man sagte uns: „Es ist nicht Ihre Aufgabe, Fragen zu stellen – Ihre Aufgabe ist es, zu schuften und zu sterben. Stellen Sie keine Fragen. Wenn Sie es dennoch tun, können Sie gleich wieder verschwinden.“ Und wirklich: Wer diese Regel gebrochen hatte, tauchte am nächsten Tag nicht wieder auf. Riecht das nach Militärrecht? Oh ja, absolut. […] Und wenn Leute, mit denen Sie am einen Tag arbeiten, am nächsten Tag nicht wiederkommen, dann wollen Sie gar nicht nachforschen, woran das liegen könnte. Man war damals eben dankbar, dass man immer noch seine Arbeit hatte und machte damit weiter. Ja, wir sprechen hier von den Vereinigten Staaten von Amerika!

Energie aus „Abfall“: Thermionische Konversion

1960 fanden wir etwas über das Material heraus, mit dem wir arbeiteten: über den sogenannten „hochradio­aktiven Abfall“. Wenn man ihn in riesige Wassertanks gab, dann verdampften in den ersten drei Jahren darin täglich knapp 60.000 Kubikmeter Wasser. Ziemlich heiß? Aber hallo.

Wenn dieses Material übrigens durch eine Bruchstelle austrat, schottete es sich ab, nachdem es etwa 30 Zentimeter in den Boden eingedrungen war: Es verglaste und breitete sich nicht weiter aus. Ein- oder zweimal ist das passiert; versehentlich natürlich.

Irgendwann fingen wir damit an, Caesium-137 in Container und Waggons zu verladen und nach Oak Ridge zu schicken. Dort wurde es zusammen mit Bariumtitanat in Pellets gepresst – und die waren so heiß, dass sie wegen der Infrarot-Abstrahlung tatsächlich im Dunkeln leuchteten.

Zu dieser Zeit kam gerade die thermionische Konversion auf; also koppelten wir die kleinen Hitzequellen an thermionische Konverter und produzierten so nebenbei Strom – ohne bewegliche Teile. Diese Entwicklung führte zum SNAP-Programm [SNAP = Systems Nuclear Auxiliary Powers, ein experimentelles NASA-Programm zur Entwicklung von Radionuklidbatterien (RTGs) und weltraumtauglichen Kernreaktoren, Anm. d. Übers.] Die frühen SNAP-Strom-Generatoren hatten die Unterwassersender der Nuclear Navy betrieben. […] Die nötige Energie dafür bezogen sie aus einem Material, dass man heute als „Müll“ oder „Abfall“ bezeichnet. Und genau dieses Zeug haben wir in Hanford verarbeitet und verpackt.

Dosimeter-Wahnsinn

Es gab Vorschriften, die zum Beispiel besagten: Die erlaubte Strahlenbelastung liegt bei drei Röntgen pro Jahr. […] Aber das galt nur für die Leute, die keine Ahnung hatten. Wir sahen nicht ein, warum wir diesen Unsinn anerkennen sollten und machten einfach weiter mit unserer Arbeit. Irgendwann schickte man so einen Typen von der Untersuchung zu uns. Der sagte: „Ihr Dosimeter war schon vor zwei Wochen überstrahlt! Was haben Sie angestellt?“ Es gab dazu ein putziges Formular, auf dem man die Ursache angeben sollte. Eine Antwortmöglichkeit darauf war: „Unbeabsichtigte Licht-Exposition“. Das habe ich immer angekreuzt. Die detektierte Gammastrahlung im Dosimeter entspricht nämlich derselben Menge Licht, die durch ein Kameraobjektiv fällt, wenn Sie ein Foto auslösen. Auf diese Strahlungsmenge wollten sie uns beschränken? Eines Morgens wachten wir auf – da hatten sie es tatsächlich getan. […]

Einfluss von ganz oben

Dann begann der spaßige Teil des Spiels. Ich fragte mich: „Wer hat uns derart limitiert? Sind diese Typen allmächtig?“ Ja, denn sie halten die Geldfäden in der Hand. Sie leben nach der goldenen Regel: Wer das Gold hat, macht die Regeln. „Wenn Sie Ihre Arbeit mögen, halten Sie sich an die Regeln. Wenn nicht, dann verschwinden Sie.“ Und tatsächlich verschwanden ein paar Fremde und einige meiner Freunde … Wohin? Ich weiß es nicht.

Vor zwei Jahren begann ich für das American Opinion Speakers Bureau umherzureisen. Eines der Dokumente in deren Besitz war Major [George Racey] Jordans Tagebuch. Darin erzählt er die Geschichte, wie die 1944 in Hanford entwickelten Techniken und Wehrmaterialien auf direktem Weg nach Russland gebracht wurden – mit Flugzeugen der US Air Force, über Great Falls, Montana, und Fairbanks, Alaska; unter der Schirmherrschaft eines Harry Hopkins, gebilligt von Franklin D. Roosevelt. Was sagte man dazu? Das, was wir erarbeitet hatten; die Arbeit, die uns so erfüllt hatte, wurde einfach so mit Russland geteilt. Aber wenn man mal nachschlägt, stellt man verwundert fest, dass Russland seine erste eigene Kernwaffe erst 1949 entwickelt hat, obwohl wir sie mit der nötigen Technik und dem Wissen versorgt hatten – vier Jahre, nachdem wir die Bomben über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hatten. Wir waren damit alles andere als glücklich. Wir waren nur glücklich, unsere Arbeit tun zu dürfen.

Kommentare

02. Juni 2015, 15:52 Uhr, permalink

Roth

Galen hat nur in einer Sache Recht. Natürliche Strahlung ist nicht gefährlich und wir brauchen sie sogar, weil nur so die Evolution weiter voran geht.
Aber das Problem besteht darin, das zu viel Strahlung schädlich ist und Krebsgeschwüre und Krankheiten hervorruft.
Dabei gibt es ein sehr großes Problem, das jeder Körper unterschiedlich auf Strahlung reagiert und das bis in die Heutige Zeit immer noch nicht 100% klar ist bei welcher Intensität die Stahlung schädlich ist.

Es ist wie mit dem Alkohol. In geringen Mengen ist er gesund und förderlich, aber in zu vielen Mengen und zu hoher Konzentration ist er schädlich oder sogar tödlich.

Genau so verhält es sich mit der Strahlung. Wir brauchen sie zum Leben, aber in einer zu hohen Konzentration oder einer zu langen Bestrahlung in einer sehr starken Dosis kann sie gesundheitsschädlich oder sogar tödlich sein.
Das Gefährliche daran ist, das wir kein Sinnesorgan haben, um diese Strahlung wahrzunehmen. Es ist nur möglich mit einem Meßgerät die genaue Dosis zu ermitteln. Und dann kommt es auf die Erfahrungswerte an, die man im Lauf der Geschichte gesammelt hat. Aber leider wird darüber zu wenig berichtet. Ich habe den Eindruck, das diese Angelegenheit geheim ist und das Ärtzte darüber nicht reden. Jedenfalls wäre es sehr viel hilfreicher, wenn Ärzte mehr berichten und ihre Erfahrungen an die Öffentlichkeit bringen. Nur so kann eine Diskussion ordentlich geführt werden, die auch sachlich und mit Fakten geführt wird.

11. September 2016, 22:52 Uhr, permalink

Ben

Roth:
"Aber das Problem besteht darin, das zu viel Strahlung schädlich ist und Krebsgeschwüre und Krankheiten hervorruft. "

Komisch das die moderne Krebsmedizin genau diese gefährlichen Strahlen einsetzt um Krebs und Tumore zu bekämpfen.

Und in Tschernobyl leben auch heute noch Menschen in der Sperrzone, welche sich weigerten Ihre Heimat zu verlasse. Sie essen Kartoffeln aus angeblich radioaktiv-versuchtem Boden und.....ihnen gehts gut. Selbst die Flora und Fauna dort ist zu 100% intakt.....hmm schon komisch oder?

01. November 2018, 23:39 Uhr, permalink

Wilfried Schuler

Von der DU Munition im Irak hat der Gute nichts mitbekommen?

Die ganze Sache ist ziemlich witzlos.
Da alle Kernkraftwerke vollkommen unprofitabel sind, wird sich das Problem von selbst erledigen. EDF und Areva sind de facto bankrott. Die KKW Branche in UK auch.

27. Januar 2020, 19:45 Uhr, permalink

zuwenig

@Wilfried
Er weiss sehr wohl und erzählt es auch, das ein paar Soldaten genügen um mit abgereicherter Munition sämtliche Panzer zu knacken. Er sagt Panzerkriege sind obsolet wegen dieser DU Munitionaber ihr seid ja hier die Experten die mehr wissen als Winsor... Seht euch mal besser alle Videos an.

24. Juni 2023, 15:55 Uhr, permalink

santino

Die Geschichte wirft Fragen auf:
1. Kann jeder zum Abklingbecken spazieren und in dem Becken baden? Gibt es dort denn keinen Zaun der diesen Bereich absperrt? Das ist aber gefährlich. Da könnten Kinder reinfallen.
2. Wie will dieser Mensch denn Plutonium essen? Plutonium ist doch unter Verschluss. Da kommt ausser ein Mitarbeiter aus einem Kraftwerk Niemand dran. Ein Militärangehöriger wird sicher nicht eine Atombombe öffnen und Plutonium entnehmen um es diesem Menschen zum Essen zu geben.

Die Geschichte gehört wohl in den Bereich der Märchen.

24. Juni 2023, 16:04 Uhr, permalink

santino

Frage:
3. Wer weiss schon wie Plutonium aussieht. Keiner ausser ein Experte könnte es wissen. Man müsste aufwendig das spezifische Gewicht in einem Labor prüfen. Wer hat schon Zugang zu solch einer Einrichtung?

27. Juni 2023, 12:52 Uhr, permalink

Redaktion

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

06. April 2024, 18:09 Uhr, permalink

Raoul

Das Video ist nicht länger verfügbar, allerdings lässt es sich über den angegebenen Titel gut finden.

Interessanter Vortrag jedenfalls.

07. April 2024, 00:46 Uhr, permalink

Drusius

Die Darstellung der Polarität soll zur Entwicklung und Erkenntnis führen, meinen manche.

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