NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/freie-energie-eine-revision-eine-sichtung-der-besten-ansaetze-fuer-overunity-teil-1-lenr
Seit unserem Bestehen berichten wir über Erfinder, denen keiner so recht glauben will, was sie entdeckt haben: Overunity, die mysteriöse Energiegewinnung aus dem „Nichts“. Dabei wissen alle, die sich damit ernsthaft beschäftigen: Es geht, der Energieerhaltungssatz gehört nur neu gedacht. Doch wer rüttelt schon gern an den Pfeilern unserer Zivilisation? Doch ganz so einfach scheint es dann nicht, dem Kosmos eine funktionierende Methode zur steten, naturnahen und lebensfreundlichen Energieerzeugung abzuringen. Wir haben schon einige Säue durchs Dorf hetzen sehen, die plötzlich das Weite gesucht haben. Zeit für eine Revision – und neue Impulse, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Nach 20 Jahren Berichterstattung über alternative Energieformen, nach Euphorie- und Enttäuschungswellen ist es Zeit für eine Sondierung. Welche Ansätze für eine Energiegewinnung mit einem COP > 1 sind am vielversprechendsten? Wo lohnt es sich, weiterzuforschen? NEXUS will mit einer Artikelreihe, einem Forum und Forschungsgruppen neue Impulse an der Graswurzel setzen.
Seit den Jahren von Nikola Tesla (1856–1943) geistert die Idee durch mutige Köpfe, dass es noch andere Energiequellen geben könnte als fossile, nukleare oder die regenerativen wie Wind, Sonne und Wasserkraft. Die Rede ist von Konzepten, die als Nullpunktsenergie, Raumenergie, Overunity oder mit ähnlichen Begriffen bezeichnet werden – Konzepte also, die Energie scheinbar aus dem Nichts herbeizaubern wollen. Schulphysiker bekommen hier sofort allergische Attacken, operieren aber selbst sehr gern mit „dunkler Energie“ und „dunkler Materie“, wenn ihre eigenen Modelle nicht so aufgehen, wie sie sollen.1
In den 1970er-Jahren erhielten die Ideen zur „Energie aus dem Nichts“ in den USA neuen Auftrieb und sind mit Dr. Hans Nieper zehn Jahre später nach Europa gekommen, wo ebenfalls schon Tüftler am Werk waren (Coler, Schauberger, Kromrey, Testatika). Seither gibt es eine fest etablierte „Freie-Energie-Szene“ auch bei uns in Mitteleuropa. Starken Auftrieb erhielt sie 1989 mit der aufsehenerregenden Vorführung von Fleischmann und Pons (siehe unten), die zeigen wollten, dass Fusionsreaktionen, die im Innern der Sonne ablaufen, auch auf dem Labortisch nachvollzogen werden können. Für die etablierten Energiekonzerne war hier Gefahr im Verzug, und sie haben alles getan, etwaige Nachahmer zu diskreditieren und lächerlich zu machen. Dessen ungeachtet hat Andrea Rossi vor 15 Jahren das Thema mutig wieder aufgegriffen. Und Hunderte haben es ihm gleichgetan, mit Magnetmotoren, Wassermotoren, Rotovertern, Gravitationsrädern, Auftriebskraftwerken, Erdbatterien, Tachyonenkonvertern, geheimnisvollen Energiezellen und Step-up-Boostern.
Doch was ist, mit Blick auf die letzten 50 Jahre intensiven Forschens, nun Verwertbares herausgekommen? Wie viele Webseiten wurden mit wunderbaren Energieprojekten vollgeschrieben – und wieder aus dem Netz genommen? Wie viele Investoren, große und kleine, wurden enttäuscht? Wie viele Lebensschicksale von Erfindern wurden gebrochen? Niemand hat es gezählt. Und somit stehen wir heute im Grunde immer noch da, wo wir seit fast 100 Jahren stehen: Kohle, Erdöl und Erdgas sind die Basis unserer Zivilisation, machen uns aber abhängig von der Gunst jener, die auf den entsprechenden Rohstofflagern sitzen. Die Atomkraft andererseits ist zwar gezähmt, gleichzeitig aber verpönt – und im Grunde bauen wir mit den heutigen Atomkraftwerken sowieso nichts anderes als große Wasserkocher für Dampfturbinen, die am Ende nur Giftmüll hinterlassen. Wind und Sonne sind zwar schön und gut, aber unseren jetzigen Zivilisationsstandard können wir mit ihnen allein nicht halten, selbst mit ausgebauter Stromspeicherung nicht; von hässlichen Windradlandschaften und schwarzen Solarfeldern mal ganz abgesehen.
Irgendwo da draußen und irgendwo da unten im ganz Kleinen existieren aber offenbar riesige Energiereservoire, wie unzählige Experimente bewiesen haben. Der erhoffte Sprung in ein neues Zeitalter, wenn es weiterhin ein technisches sein soll, kann nur auf Basis solch neuer, bislang unbekannter Energiequellen gelingen: „out of the box“ – mit unkonventionellen Ansätzen. Theorien und Erklärungen sind vorerst nicht wichtig. Es muss im Experiment gezeigt werden, was möglich ist. Und dann beginnt der Weg in die technische und wirtschaftliche Umsetzung.
Das wenigstens glaubt die Redaktion vom NEXUS-Magazin und möchte deswegen eine Artikelserie starten, die die wichtigsten Ansätze der letzten Jahrzehnte nochmals hervorholen, überprüfen und bewerten soll. Lässt sich erkennen, wo Fehler gemacht wurden – seien es technische, organisatorische oder rein menschliche? Könnte es sein, dass im einen oder anderen technischen Ansatz vielleicht doch ungenutzte Möglichkeiten verborgen liegen? Wie könnte man sie ausschöpfen, wie sollte man sich dafür organisieren?
In diesem ersten Artikel werden die sogenannten niederenergetischen Kernreaktionen besprochen, im Englischen abgekürzt LENR (low energy nuclear reactions), im Volksmund die „Kalte Fusion“. In loser Folge werden weitere Artikel sich anderen Themen widmen, etwa dem Magnetmotor, dem Wasserstoff, ganz praktisch auch der privaten Energieautarkie mit konventioneller Technik, etwa dem Balkonkraftwerk mit Speicher und mit Stromgenerator für die Dunkelflaute – Holzvergaser, Kunststoffvergaser und Biogas inklusive. Das sind zwar bekannte, aber keineswegs triviale Dinge. Denn der Teufel steckt bekanntlich immer im Detail. Gerne greift NEXUS auch Vorschläge von Lesern zu Freie-Energie-Technologien auf und lässt sie gegebenenfalls überprüfen. Und gerne ist die Redaktion bereit, zu stark nachgefragten Themen Wochenendseminare zu organisieren und ein Webportal einzurichten.
Kernkraft ist in Deutschland ein Tabuthema. Öffentlich gefördert wird merkwürdigerweise aber immer noch die genauso radioaktive und gefährliche „heiße Fusion“, an der mit Projekten wie ITER (Südfrankreich), JET oder Wendelstein (Greifswald) experimentiert wird. Es müssen hier Temperaturen von 25 Millionen Grad Celsius erzeugt werden – nicht einmal im Zentrum der Sonne ist es so heiß. Und nun gibt es ganz verwegene Zeitgenossen in der „Freie-Energie-Szene“, die behaupten, dass Fusionsreaktionen bereits bei Zimmertemperatur möglich sind – in der Thermoskanne auf dem Gartentisch. Wie das?
Vergleich der Größenordnungen: Oben ein möglicher Aufbau für die Demonstration von Kalter Fusion im Kochtopf16 (Quelle: YouTube.com, t1p.de/2ndb9), unten ein paar Module des Wendelstein 7-X, einer Experimentieranlage zur „heißen“ Kernfusion (Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, t1p.de/pp5bu)
Die Diskussion um LENR wurde 1989 durch eine öffentlichkeitswirksame Vorführung der beiden amerikanischen Chemiker Martin Fleischmann und Stanley Pons ausgelöst.2 Die beiden zeigten eine Elektrolyse, also die Spaltung von Wasser mithilfe von Strom, wobei sie aber „schweres Wasser“ (Deuterium) und sehr spezielle Elektroden aus Palladium nutzten. Nur wenige andere Labore konnten das etwas knifflige Experiment erfolgreich wiederholen und die Überschusswärme tatsächlich bestätigen. Konsequent und positiv weiterentwickelt wäre die Sache natürlich zu einer Gefahr für wohlbekannte und mächtige Interessengruppen in der Industrie geworden, weshalb man Fleischmann und Pons sowie alle ihre Nachahmer mit unlauteren Mitteln zu diskreditieren begann. Am Ende stellte eine Kommission des US-Energieministeriums fest, dass das Ganze ein Fall von pathologischer Wissenschaft wäre.
Das hat private Forscher und Firmen aber nicht davon abgehalten, der zugrunde liegenden Idee weiter nachzugehen. Inzwischen gibt es Hunderte von Bestätigungen, dass niederenergetische Kernreaktionen möglich sind und Überschussenergie liefern, gegebenenfalls auch als Lichtstrahlung, unter Umständen sogar als Elektrizität. Außerdem finden sich bei dieser Art niederenergetischer Kernreaktionen vielfältige Reaktionsprodukte, entstehend durch die Fusion, durch erneute Spaltreaktionen oder durch Transmutation (Umwandlung von Elementen). Aber niemandem ist es bislang gelungen, ein marktfähiges Produkt daraus zu entwickeln. Warum nicht?
Einer der Akteure in diesem Bereich, der unbefangen und sehr professionell auch mit der Öffentlichkeit kommuniziert, ist der Italiener Andrea Rossi. Vor 15 Jahren hat er in seinem Heimatland ein Experiment vorgestellt, das genauso viel Aufsehen erregte wie seinerzeit durch Fleischmann und Pons in Kalifornien, diesmal mit dem viel günstigeren Katalysator Nickel. Ein amerikanischer Investor holte Rossi dann in die USA und stellte ihm großzügig Forschungsgelder zur Verfügung. Bald gab es Gerichtsprozesse, aber mit dem Geld, das Rossi an deren Ende behalten konnte, hat er seine Arbeit weitergeführt. Viele halten Rossi für einen Betrüger, aber es gebührt ihm auf jeden Fall Respekt für seine unnachgiebige und konsequente Entwicklungsarbeit sowie für seinen ganz eigenen Traum einer nachhaltigen Energieversorgung der Menschheit.
Die von Rossi gegründete Leonardo Corporation bietet heute eine Geräteserie an, die bei 100 Watt Leistung beginnt und bis auf 1 Megawatt skalierbar ist. Der 100-Watt-Generator kostet 250 Dollar, für 1 Megawatt muss man 2,5 Millionen Dollar investieren. Bereits heute kann jeder solch einen „E-Cat NGU“ ohne Anzahlung vorbestellen, ganz easy per Website-Bestellung: t1p.de/1imqw. Rückgaberecht 60 Tage, Garantie 3 Jahre, voraussichtliche Lebensdauer 11 Jahre (bei 24/7 Betrieb?). Rückgabe mit Erneuerung des funktionalen Kerns nach 10 Jahren (für 50 Prozent der ursprünglichen Kosten) oder alternativ ein kostenfreies Recycling durch die Leonardo Corporation – wann immer der Generator das Ende seiner Leistungsfähigkeit erreicht hat.3
Ist ein solches Angebot realistisch? Auf gar keinen Fall. Denn die Schwierigkeiten stecken immer im Detail, und außerdem fallen den Ingenieuren immer neue Verbesserungen ein. Bei derart komplizierten Geräten – der Funktionskern des E-Cat ist ein Plasma bzw. eine Elektronenkanone – und bei so aufwendigen elektronischen Schaltungen zur Energierückgewinnung kann immer etwas defekt werden und muss dann repariert oder ersetzt werden. Und allein die Zertifizierung ist unklar: Konformitäten werden zwar nachgewiesen (CE, EN, IEC), aber in Deutschland könnten die Zulassungsbehörden, von grünen und anderen Interessengruppen durchsetzt, die Markteinführung mit Hinweis auf das Atomgesetz und auf die Vorgeschichte von Rossi mindestens behindern oder gar ganz verbieten. Dennoch möchte die Redaktion von NEXUS empfehlen, sich bei Interesse in die Bestellerliste der Leonardo Corporation einzureihen. Denn je größer die Nachfrage und der mediale Druck, desto eher wissen wir, ob Rossi und sein bislang unbekannter globaler Lizenznehmer das Wunder auch vorzeigen können, das sie heute der Welt versprechen. Die Auslieferung der ersten Geräte wurde für Ende dieses Jahres angekündigt.
Rossi einmal vorläufig ausgenommen sieht die übrige Lage im Bereich der „Kalten Fusion“ sehr ernüchternd aus. In Japan beispielsweise gibt es zwar einen großen Kreis von sehr engagierten Forschern, sogar im Bereich von Universitäten und bei international bekannten Konzernen. Aber nehmen wir als Beispiel den bewunderungswürdigen Forscher Tadahiko Mizuno, der seit über 30 Jahren immer neue LENR-Experimente entwickelt. Er hat vor Kurzem ein Röhrchen aus vorgespanntem Edelstahl SUS304 (18 Prozent Chrom, 8 Prozent Nickel) in eine Kammer mit Wasserstoffatmosphäre (Überdruck) eingebracht und es langsam auf 800 Grad Celsius erhitzt. Er stellt nun kalorimetrisch fest, dass etwa 25 Prozent mehr Wärme entsteht, als er in die elektrische Aufheizung investiert hat. Außerdem hat er einen Neutronendetektor installiert, der langsame Neutronen misst – umso mehr, je mehr das Röhrchen erwärmt wird. Mit ein wenig Humor nehmen wir an, dass Mizunos Urgroßvater einst Schwerter aus Stahl für die Samurai angefertigt hat. Die Schmiede arbeiteten damals wie Physiker heutzutage in weißen Kitteln (aus Gründen der spirituellen Reinheit); sie schlugen und bogen und feuerten ihr Eisen bis zur Glut – und nur die Wasserstoffatmosphäre hat ihnen gefehlt? Nein, denn ein wenig Wasserstoff entsteht immer, wenn das glühende Metall im kalten Wasser abgeschreckt wird. Und wir ahnen nun, mit einer weiteren Prise Humor, worin die magische Kraft der japanischen Schwerter bestand – sie strahlten Neutronen ab. Im Grunde ist es die gleiche Versuchsanordnung wie bei Peters und Paneth vor genau 100 Jahren in Berlin, die mit Palladium und Wasserstoff arbeiteten.4 Mizuno stellt am Ende seines Berichtes lapidar fest: Er wisse nicht, welche Reaktionen bei seinem Versuch, der inzwischen mehrfach bestätigt wurde, in dem dünnen Stahlröhrchen ablaufen.5
Das gleiche, wenig ermutigende Fazit finden wir bei Edmund Storms, einem weiteren Veteranen der LENR-Forschung. Er besaß vor 35 Jahren den Mut, öffentlich zu bekennen, dass er das Experiment von Fleischmann und Pons erfolgreich nachbauen konnte – was ihm vom Direktor seiner Forschungseinrichtung als unkollegiales Verhalten vorgehalten wurde. Edmund Storms hat die wohl größte Literatur- und Dokumentensammlung zum Thema niederenergetische Kernreaktionen und kennt die Forschung in allen Details. In einem Diskussionsbeitrag auf LENR-Forum.com schreibt er:
„Es wurde viel Geld und Mühe in die Lösung dieser Probleme investiert, jedoch ohne Erfolg. Tatsächlich haben die Menschen, die ursprünglich Interesse an diesem Thema gezeigt hatten, weitgehend aufgegeben und suchen nun anderswo nach einer Lösung für das Energieproblem. Derzeit liegt das Hauptinteresse entweder auf Kernspaltung oder Hochtemperaturfusion. Kalte Fusion ist nutzlos, da die vorgeschlagenen Erklärungen weitgehend auf reiner Fantasie beruhen. Die Behauptungen wurden getestet und konnten den versprochenen Erfolg nicht liefern. Wir wissen nur, dass die Kalte Fusion real ist und zusätzliche Energie erzeugen kann. Alles andere ist größtenteils reine Fantasie. Daher sehe ich keinen Grund zum Optimismus.“6
Bedeutet eine solche Aussage von einer Autorität, die es wissen muss, dass wir das Ende der Fahnenstange erreicht haben? Auf gar keinen Fall! Eher sollten wir kritisch bilanzieren, ein wenig nachdenken und einen neuen Anlauf nehmen. Nordamerika und Japan sind im Bereich LENR wahrscheinlich führend, wie sieht es bei uns in Europa aus?
Vor einem Jahr fand in Straßburg unter dem Dach des Europäischen Parlaments ein Kongress statt, auf dem die gegenwärtig prominentesten europäischen Forscher ihre Arbeiten vorstellen konnten.7 Zwei Teilnehmer mögen hier erwähnt werden. Zum einen Dr. György Egeli (Budapest), der ebenfalls seit Jahrzehnten experimentiert und die Geschichte der niederenergetischen Kernreaktionen wie kein Zweiter kennt.8 Im englischsprachigen Magazin Infinite Energy (IE) hat er die genau genommen über hundertjährige, aber völlig vergessene Geschichte von LENR in allen Facetten rekapituliert und uralte Experimente ausgegraben. Die Artikel von Egeli wurden von Markus Geipel (Berlin) übersetzt und auf seinem LENR.wiki veröffentlicht – wofür ihm großer Dank gebührt.9 Für alle, die sich im deutschsprachigen Raum über LENR informieren wollen, ist das LENR.wiki die erste Anlaufstelle.
Dr. György Egely (Bild: Andreas Fuchs, t1p.de/lilkg)
Dr. Lutz Jaitner (Bild: YouTube.com, t1p.de/yne0v)
Ein zweiter wichtiger Referent auf der Straßburger Tagung war ferner Dr. Lutz Jaitner (D), der theoretisch wie auch praktisch wahrhaft tief in die LENR-Physik eingedrungen ist. Sein Konzept der „condensed plasmoids“ dürfte die tragfähigste Konzeption sein, um die Vorgänge bei niederenergetischen Kernreaktionen so zu interpretieren, dass man darauf bauend erfolgreiche Experimente entwerfen kann. Im Bild gesprochen könnte man die condensed plasmoidsals winzige Kugelblitze aus hoch angeregtem Gas- bzw. Elektronenplasma auffassen, die intern eine geschichtete Struktur haben. Bevor sie faserig zerfallen, entsteht durch magnetische Kompression (Pinch-Effekt) eine so starke räumliche Verdichtung und zugleich elektrische Abschirmung, dass die Atomrümpfe sich berühren und fusionieren können. Lutz Jaitner ist außerdem weit fortgeschritten, wenn es darum geht, die bei LENR anfallende elektrische Energie ernten und speichern zu können.10 Aber auch seine Arbeitsgruppe ist noch „drei Schritte“, drei große Schritte, von einer Markteinführung entfernt.
Wenn man die aktuelle Situation im Bereich der „Kalten Fusion“ überschaut, so drängt sich das folgende Bild auf: Es gibt einen großen Berg, der definitiv mächtige Gold- und Silberadern in sich birgt. Und es gibt mehrere Dutzend einzelne oder auch in Gruppen organisierte Minenarbeiter, die wild entschlossen in die verschiedensten Richtungen ihre eigenen Stollen in den Berg hineintreiben. Sie kommunizieren durchaus miteinander, veranstalten weltweit Kongresse und diskutieren auf diversen international besuchten Foren miteinander. Allerdings nicht immer freundlich im Tonfall, denn sie stehen in Konkurrenz zueinander und arbeiten mit verschiedenen Grabungswerkzeugen und mit verschiedenen physikalischen Modellen. Den wahren Schatz hat noch keiner gefunden. Stattdessen geben viele nach einiger Zeit wieder auf, meist wegen Geldmangel, oft aber auch aufgrund von Erschöpfung oder Frustration. Immer wieder aber finden sich neue Mineure. Was ist zu tun?
Man darf nicht erwarten, dass staatliche Akteure (Universitäten, öffentliche Forschungsgesellschaften) sich im Bereich LENR engagieren werden. Eine Ausnahme ist die militärnahe Forschung und Entwicklung in den USA (etwa DARPA), die aber nach außen abgeschottet ist. Man darf auch nicht erwarten, dass Risikokapitalgeber oder andere Großinvestoren in die LENR einsteigen, solange ihnen nicht klare Erfolgsaussichten aufgezeigt werden können. Selbstverständlich lässt das Glück sich nicht voraussehen – vielleicht ist Andrea Rossi nur deshalb so weit gekommen, weil er auf einer bestimmten Wegstrecke derart positive Förderung erfahren hat. Investoren sind, wie auch viele der Erfinder, ziemlich zickig – haben selbstverständlich dafür ihre je eigenen Gründe –, lassen manchmal alles wieder in sich zusammenfallen und vernichten viele Jahre angestrengter und wertvoller Arbeit.
Es ist deshalb hier in Mitteleuropa dringend ein eigenes und souveränes Aktionszentrum vonnöten, das sich des Themas der niederenergetischen Kernreaktionen annimmt. Die weitere Entwicklung darf nicht dem Zufall überlassen werden. Sie muss in Ruhe, aber fundiert aufgestellt werden. Gelingt das nicht, dann wechseln wir aus den Fängen der fossilen Energiekonzerne und der Klimaideologen direkt in die Fänge einer neuen Kernenergie, sei sie nun uranisch, plutonisch oder mit Thorium angetrieben. In Kreisen der deutschen Rückbauindustrie wird – durchaus nachvollziehbar und berechtigt – an einer Rückkehr zur Atomkraft gearbeitet.11 Auf internationaler Ebene ist sie bereits voll im Gange, weil man erkannt hat, dass etwa der weitere Ausbau der IT- und KI-Technologie ohne neue Energiequellen nicht fortgeführt werden kann. Die heiße Fusion (ITER, JET, Wendelstein etc.) wird es niemals geben, sie ist eine Sackgasse, in die aber jährlich immer noch Milliarden fließen. Kann das noch ungeborene, aber sehnlichst erwartete Kind mit Namen „niederenergetische Kernreaktion“ neben solchen wohlbekannten und gegebenenfalls wiedererstandenen Energiemonopolen jemals groß werden?
Ein Manko der gegenwärtigen LENR-Szene ist die Vielfalt der Ansätze. Man kann sie in drei Gruppen einteilen:
Wäre es denkbar, dass sich auch hier in Europa eine LENR-Community formiert – eine Interessengemeinschaft, vorzugsweise basisdemokratisch, die die weitere Entwicklung im Bereich von LENR aufmerksam verfolgt? Die vielleicht ein Projekt unterstützt, das in die Endphase geht. Oder sich engagiert, wenn Prototypen in den Markt gebracht werden können. Oder die vielleicht sogar ein eigenes Projekt aufsetzt? Gibt es Physiker, Chemiker und Elektrotechniker, die neugierig und bereit sind zum Gedankenaustausch – die scharf und kritisch denken, aber auch kreative Ideen entwickeln können? Oder Leiterplatten löten und lange Messreihen auswerten? Die NEXUS-Redaktion will bei der Beantwortung dieser Fragen helfen, etwa durch Einladung von geeigneten Referenten und mit der Organisation eines initialen Wochenendseminars. Ziel ist es, die gesamte Thematik so aufzubereiten und gleichzeitig zu vertiefen, dass auch fachfremde Zuhörer und Interessenten einen Zugang finden, mitdiskutieren und sich ein Urteil bilden können.
In den letzten Tagen des Jahres 2024 hat die Gruppe von „Structured Atom Model“ ein sehr gut gemachtes Video herausgebracht. Es bietet in 20 Minuten einen ausgewogenen Überblick über den gegenwärtigen Stand im Bereich der LENR, sogar mit deutscher Simultanübersetzung, und es mahnt die Szene zu Offenheit und Verantwortung.13 Viele weitere Videos kann man auf dem bereits erwähnten großartigen LENR.wiki von Martin Geipel finden. Die zentrale Anlaufstelle im englischen Sprachraum ist zweifellos NewEnergyTimes.com von Steven B. Krivit. Er ist ein überaus sorgfältiger sowie kritischer Wissenschaftshistoriker und Journalist. Zwar favorisiert er die Theorie von Widom und Larsen, die stark auf Neutronen fokussiert ist, aber er behandelt andere Ansätze absolut fair, gründlich und vollständig. Krivit hat hoch angesehene internationale Institutionen im Bereich der heißen Fusion darauf aufmerksam gemacht, dass sie Dinge versprechen, die sie niemals werden halten können – worauf diese milliardenschweren Institutionen, denen Tausende von Physikern zuarbeiten, zähneknirschend ihre Websites korrigiert haben.
Stets aktuelle, oft auch sehr exotische Materialien zu LENR sowie alles rund um Andrea Rossi findet man auf E-CatWorld.com. Heftige Diskussionen zwischen durchaus kompetenten Teilnehmern kann man auf LENR-Forum.com verfolgen. Eine eigene Onlinebibliothek mit fast 5.000 wissenschaftlichen Artikeln hat Jed Rothwell (Brookhaven USA) auf LENR-CANR.org angelegt. Fast 30 hoch angesehene US-Forscher haben ihre wissenschaftlichen Papiere und Versuchsberichte der LENR Research Documentation Initiative (LRDI) zur Verfügung gestellt, viele von ihnen haben Jahrzehnte am Thema LENR gearbeitet.14
Europa ist im Vergleich zu der breit aufgestellten LENR-Szene in Nordamerika fast zum Niemandsland geworden, zu einer ausgetrockneten Wüste. Obwohl doch die gesamten theoretischen und experimentellen Grundlagen der modernen Atomphysik hier in Europa in den Jahren 1890 bis 1945 erarbeitet worden sind. Es gibt außerdem ernst zu nehmende Hinweise, dass die ersten atomaren Explosionen der Weltgeschichte nicht in den USA bzw. Japan, sondern ebenfalls in Deutschland stattgefunden haben. Und sogar die Wikipedia gibt heute zu, dass ein substanzieller Teil jener 64 Kilogramm Uran, die über Hiroshima vor genau 80 Jahren explodierten, aus dem deutschen Staßfurt stammte.15
Sind wir mit dabei, wenn in wenigen Jahren ein neues und nun hoffentlich positives Kapitel der Kernenergie aufgeschlagen wird? Oder fährt der Zug ohne uns ab? Es liegt in unseren eigenen Händen.
Es gibt wie die Leonardo Corporation viele weitere Unternehmen, die sich intensiv mit LENR beschäftigen. Bekannt geworden sind in den letzten Jahren in Europa die ENG8 (Gibraltar) mit der Website ENG8.energy. Für Nordamerika wären zu nennen die Aureon-Gruppe mit dem Safire-Projekt. Sie hat mit der Aufarbeitung von radioaktiven Abfällen sowie giftigen Schlämmen aus dem Fracking begonnen (Schieferöle), ist dann auf LENR gestoßen und arbeitet ab jetzt offenbar an einem neuartigen Thorium-Reaktor. Siehe SafireProject.com und AureonEnergy.com. Einen spekulativen Einblick in ihren Forschungspfad gibt folgende Diskussion im Forum von Andrea Rossi: t1p.de/79q1i.
Erwähnt werden sollte natürlich auch Randolph Mills mit seiner Firma BrilliantLightPower.com, der zu den Klassikern im LENR-Unterhaltungsgewerbe gehört. Er hat eine eigene Universaltheorie entworfen, mit der er seine durchaus realen experimentellen Resultate erklären will (Unified Theory / Hydrino). Inzwischen beschäftigt er sich auch mit Antigravitation (t1p.de/z9nli). Den neuesten Stand der Versprechungen und die Wunschliste (Investitionskapital) findet man hier: t1p.de/qgjvj.
All die vielen Wissenschaftler und Techniker, die in diesen Unternehmen arbeiten, haben absolut respektables Wissen und unglaublich viel Erfahrung, vor allem im materialwissenschaftlichen Bereich. Aber bis heute warten wir, mit Milliarden anderen Menschen, weiter auf bezahlbare und frei machende sowie saubere und nachhaltige Energie, während Unsummen an Investitionsgeldern versickern.
Wir wollen die alternative Energieforschungsszene neu beleben und uns einbringen. Falls Sie sich für das Thema interessieren, aktiv mitdiskutieren und forschen wollen oder selbst bereits tätig sind und Austausch oder neue Impulse suchen, melden Sie sich bei uns per Telefon (036461 – 87 88 63) oder Mail (redaktion@nexus-magazin.de). Wir nehmen Sie in unseren E-Mail-Verteiler auf und informieren Sie über alles Weitere. Das Forum setzen wir unter nexwerk.nexus-magazin.de auf. Einlass nur nach vorherigem Telefonat mit unserem Redakteur.
Die Endnoten zum Artikel finden Sie am Ende des E-Papers (PDF) und auf unserer Homepage unter NEXUS-Magazin.de/Endnoten.
Thema vertiefen
Kein NEXUS ohne freie Energie! Wichtige Artikel zum Thema LENR im NEXUS-Kosmos sind unter anderem „Kernfusion bei Körpertemperatur“ (Jean-Paul Biberian, NEXUS 95), „Hydrino-Update: Ein Blick in die Kessel des Dr. Mills“ (Interview, NEXUS 96), „Die Energierevolution ist da: Interview mit dem Fusionsbotschafter Willi Meinders“ und „SAM: Ein neues Modell für den Atomkern“ (NEXUS 98).