Akne – eine Spurensuche

akDer Zusammenhang zwischen einer zuckerreichen westlichen Ernährung und Akne gilt als belegt. Ein genauerer Blick auf die durchgeführten Studien zeigt allerdings, dass eine Ernährungsumstellung Akne nur lindern, nicht jedoch heilen kann. Der entscheidende Faktor ist womöglich so allgegenwärtig, dass er einfach übersehen wurde.

Heutzutage erzählt man sich über Akne meist Folgendes: Wenn abgestorbene Hautzellen und anderer Schmutz die Poren verstopfen, lagern sich Talg und Bakterien in der Haut ab – dies führt zu einer Infektion und die Akne bricht aus. Es gibt verschiedene Versionen dieser Geschichte: Manchmal sind Hormone involviert, manchmal nicht. Manchmal liegt es an den Genen, manchmal nicht. Manchmal wird die Ernährung verantwortlich gemacht. Aber im Grunde ist jeder Fall individuell. Eine Gemeinsamkeit all dieser unterschiedlichen Geschichten über Akne ist das fehlende Happy End – es gibt keine Heilung für chronische Akne, nur kontinuierliche Behandlung.

Die Lautstärksten unter den Geschichtenerzählern sind die Dermatologen. Diese auf Hautkrankheiten spezialisierten Ärzte entnehmen die Protagonisten ihrer Geschichten den Seiten ihrer Lehrbücher: Poren, Hautzellen, Talg. Je mehr Abstand zwischen der Haut und einem möglichen Hauptakteur, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein Dermatologe ihn in seine Geschichte einbezieht. Die Helden entspringen dem typischen Medizinschrank eines Arztes: Cremes, Nadeln und Pillen. Ergänzt werden sie durch die klassischen Bösewichte: Schmutz und Bakterien. Den Handlungsverlauf ihrer Geschichten lehnen Dermatologen an selbstverfasste Statistiken an. Dem US-Dermatologenverband American Academy of Dermatology zufolge „machen 85 Prozent aller Menschen zwischen 12 und 24 Jahren Erfahrungen mit Akne“.

Heißt das, dass 85 Prozent aller jungen Menschen überall auf der Welt betroffen sind, oder geht es um bestimmte Jugendliche zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort?

Eine weitere durchdringende Stimme in der Geschichte der Akne ist die Hautpflegeindustrie. Gemeinsam mit den Dermatologen entwickeln sie immer neue Produkte und Behandlungsmöglichkeiten gegen Akne und sichern sich somit einen gewaltigen Anteil vom 120 Milliarden Dollar schweren globalen Hautpflegemarkt. Aber damit ein Produkt sich als gewinnbringend erweist, muss es entweder abgefüllt und verkauft oder in einer Arztpraxis verabreicht werden können. Noch höhere Standards gelten für den größten Geldgeber in der Akne-Forschung: die Pharmaindustrie. Wenn sich eine Behandlungsmöglichkeit nicht patentieren lässt, warum überhaupt daran festhalten?

Doch was wäre, wenn das Heilmittel gegen Akne weder in Flaschen gefüllt noch verkauft, verabreicht oder patentiert werden kann? Würden wir es überhaupt irgendwann entdecken? Wenn die Hauptcharaktere nicht auf der Hautoberfläche sitzen oder auf irgendeiner Inhaltsstoffliste auftauchen – würden wir sie überhaupt zur Kenntnis nehmen?

Ein Teil meiner Geschichte

Ich bin keine Dermatologin, keine Ästhetikerin, keine Ernährungswissenschaftlerin oder in irgendeiner anderen Hinsicht ausgebildete Medizinerin. Ich arbeite als Analytikerin beim FBI in Washington. An der Georgetown University habe ich Naturwissenschaften, Technologie und internationale Angelegenheiten studiert. Ich bin fasziniert von der Entwicklung unseres wissenschaftlichen Verständnisses und beobachte, wie sich wissenschaftliche Errungenschaften auf globaler Ebene auswirken, frage mich aber auch, warum sich bestimmte Ideen durchsetzen, während andere in Vergessenheit geraten.

Egal, ob man die Ursachen von Akne oder das Ausmaß einer Terrorbedrohung untersucht: Eine sorgfältige Analyse lässt sich nie aus dem Ärmel schütteln und stellt stets eine Herausforderung dar. Ein Grund, der die nachrichtendienstliche Analyse so schwierig macht, ist, dass man mit missverständlichen und unvollständigen Daten arbeiten muss. Wenn wir mit unzureichenden Informationen versorgt werden, beruht unsere Interpretation jedoch meist auf bestimmten unterbewussten mentalen Prozessen. Wir alle wollen glauben, dass unser Denken von Verstand und Logik geleitet ist, aber psychologische (und historische) Studien haben uns das Gegenteil vor Augen geführt.

In „Psychology of Intelligence Analysis“ (2013), einem Grundlagenwerk auf diesem Gebiet, erklärt CIA-Veteran Richards Heuer ein maßgebliches Wahrnehmungsprinzip, das die Analyse beeinflusst:

„Wir neigen dazu, genau das wahrzunehmen, was wir erwarten.“

(Beachten Sie, dass er sagt, wir sehen, was wir erwarten, nicht was wir sehen wollen.) Dieses Grundgesetz der analytischen Theorie ist weithin bekannt, und trotzdem sind wir immer wieder überrascht, wenn wir in der Praxis mit ihm konfrontiert werden, besonders wenn wir es in unserem eigenen Verhalten wiederfinden.

Das vielleicht bekannteste Experiment in diesem Studienfeld wurde im Jahr 2009 von Christopher Chabris und Daniel Simons durchgeführt. In ihrem Versuch ließen die beiden Forscher viele Tausend Probanden die Zahl der Pässe in einem Basketballvideo zählen. Die Hälfte der Versuchspersonen bemerkte die Person im Gorillakostüm nicht, die mitten durchs Bild lief und sich mit den Fäusten auf die Brust schlug. Als man die Probanden, die den Gorilla nicht gesehen hatten, im Anschluss darüber in Kenntnis setzte, beharrten sie darauf, dass er gar nicht da gewesen sei. Wie der Psychologe Daniel Kahnemann erklärt, verdeutlicht die Gorillastudie zwei wichtige Punkte über unsere Denkweise:

„Wir können dem Offensichtlichen gegenüber blind sein, und wir sind ebenso blind gegenüber unserer Blindheit.“ (2011, 24)

Ich hoffe, dass wir den unsichtbaren Gorilla auf der Bühne sichtbar machen können. Sobald man weiß, dass man auf ihn achten muss, ist er kaum zu übersehen. Mehr als 20 Jahre habe ich mit meiner zystischen Akne gekämpft, und manchmal frage ich mich, warum ich so lange dafür gebraucht habe, die Puzzleteile zusammenzusetzen.

Ein 30 Jahre altes Dogma

Als die Society for Investigative Dermatology im April 2004 ihr 65. Jahrestreffen abhielt, war man sich sicher, dass man die Verbindung zwischen Ernährung und Akne schon längst zur Genüge analysiert hatte: Es gab nämlich keine.

Mit dem unter Laien vorherrschenden Mythos, dass Akne durch falsche Ernährung hervorgerufen wird, hatte die Wissenschaft schon 30 Jahre zuvor aufgeräumt. Das Fundament dieses Mythos hatte zu bröckeln begonnen, als ein paar findige Dermatologen namens James Fulton, Gerd Plewig und Albert Kligman im Jahr 1969 beschlossen, 65 Testpersonen über vier Wochen täglich Schokoriegel essen zu lassen. Die Hälfte der Probanden bekamen Riegel mit echter Schokolade, während die Riegel, die die anderen 50 Prozent zu essen bekamen, keine Schokolade enthielten. Nach vier Wochen konnten die Forscher keinen Unterschied bezüglich der Haut­unreinheiten zwischen den beiden Testgruppen erkennen. Ein vernichtendes Urteil für die Akne-Ernährungs-These.

Nur ein paar Jahre später lieferte eine Studie an 27 Medizinstudenten die Bekräftigung, die die Dermatologen noch brauchten, um die unrentable Idee, dass Akne durch Ernährung beeinflusst wird, ad acta zu legen (Anderson, 1971). Die Studenten wurden damit beauftragt herauszufinden, welches Lebensmittel wohl am wahrscheinlichsten für den Ausbruch ihrer Akne verantwortlich sein könnte. Der Test bestand aus Multiple-Choice-Fragen und die möglichen Antworten waren: (1) Schokoladenriegel, (2) Erdnüsse, (3) Milch oder (4) Coca-Cola. Jeder Student musste dann eine Woche lang jeden Tag seinen mutmaßlichen Übeltäter verzehren. Der Dermatologe, der die Studie durchführte, zählte und maß die Pickelmale bei jedem Studenten vor Beginn der Studie und weiterhin an jedem einzelnen Tag, während die Studenten ihr individuelles Nahrungsmittel konsumierten. Am Ende der Woche waren die Ergebnisse eindeutig. Die Ernährung hat nichts mit Akne zu tun.

Den vollständigen Artikel können Sie in NEXUS 78 lesen. Die Ausgabe können Sie hier erwerben.

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