Das Verstummen der Natur

Zur Natur unseres Erdballs gehört der beständige Wandel. Dazu zählt auch die Anpassungsfähigkeit der auf ihm lebenden Arten an die stetig wechselnden Bedingungen auf dem Planeten. Verändert sich die Umwelt in einem natürlichen Tempo, ist das unproblematisch – eine natürliche Selektion findet statt. Die erste unnatürliche Veränderung verorten die Autoren des vorliegenden Buchs im Sesshaftwerden des Menschen und den damit verbundenen Eingriffen in seine Umgebung.

Das natürliche Ökosystem verwandelte sich in mehrere intakte Agrarökosysteme. Das ist nichts anderes als die uns bekannte Dreifelderwirtschaft – eine Brache wird vom Nutzvieh beweidet und damit gedüngt. Ein Gleichklang zwischen Nutzviehhaltung und Ackerbau war gegeben.

Mit dem Aufgeben der Dreifelderwirtschaft und der Stallfütterung mit Kartoffeln oder Rüben blieb dem Boden eine wichtige Regenerationsphase versagt und das Gleichgewicht geriet in Schieflage.

Der nächste Schritt erfolgte im Zuge der Industrialisierung: die Nutzung von großen Maschinen auf großen Flächen und das Aufbringen künstlichen Düngers, um die Erträge stabil zu halten – denn der Nahrungshunger des Menschen steigt naturgegeben mit der Bevölkerungszahl. Innerhalb einer Generation hat sich ein so dramatischer Wandel vollzogen, dass mir beim Lesen der Fakten schwindlig wird.

Den größten Schaden angerichtet hat hierzulande die Umweltbelastung durch den Zweiten Weltkrieg, die bis in die 1970er Jahre anhielt. In 50 Jahren wurden mehr Tier- und Pflanzenarten völlig oder nahezu ausgerottet als in den 5.000 Jahren davor.

In den 1980er Jahren, mit der Gründung des Amtes für Umwelt und Naturschutz, wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die eine Koexistenz der Menschen mit der sie umgebenden Natur möglich machen sollen. Trotzdem werden nach wie vor tonnenweise Pestizide und „Pflanzenschutzmittel“ auf unsere Äcker geworfen, die als chemische Zeitbomben im Boden verharren oder ins Grundwasser gelangen. Die Politik scheint nach wie vor unfähig, verantwortungsbewusste Entscheidungen im Sinne der Folgegenerationen zu treffen. Während debattiert wird, schreitet das Verschwinden der Megafauna unaufhörlich fort. Zug um Zug verändert sich unsere Landschaft immer weiter – Monokultur statt Artenvielfalt.

Dass es auch anders geht, zeigen zum Beispiel Bemühungen im Bereich Permakultur. Auch die daraus gewonnenen Fakten und Schlussfolgerungen haben die Autoren in diesem Buch gebündelt – und meiner Ansicht nach sollte sein Inhalt in sämtlichen Bildungseinrichtungen gelehrt werden. „Das Verstummen der Natur“ zeigt Möglichkeiten für den Einzelnen auf, wenigstens kleine Dinge zu verändern. Das gibt zumindest das Gefühl, nicht tatenlos dabeigestanden und alles abgenickt zu haben.

Doch betrachtet man das ganze global, dann erscheint ein Wandel schier unmöglich, denn es kollidieren die Interessen vieler Staatenlenker und der Strippenzieher im Hintergrund. In mir schwindet die Hoffnung, dass alles sich zum Besten wenden könnte. Wenn sich nicht endlich, sofort und radikal die Einstellung der Gesellschaft ändert – der Wert des Lebens selbst anerkannt wird –, dann wird über kurz oder lang der Mensch verschwinden. Wie wichtig wollen und sollten wir uns und unsere Standards nehmen, in Anbetracht der wunderbaren Vielfalt, die Mutter Erde hervorgebracht hat? Durch die unglaubliche Wandlungsfähigkeit des blauen Planeten wird sich das verbleibende Leben anpassen und Neues schaffen – auch ohne den Menschen. Und keine der Millionen anderen Spezies wird ihn vermissen.

Volker Angers & Claus-Peter Hutter
Ludwig Verlag
ISBN: 978-3-453281-09-7
€ 20,00

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