Die Auswirkungen elektrischer Ladungen auf Honigbienen

Bienen2Der Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf Bienen und Insekten und die elektrischen Eigenschaften von Bienen wurden längst nachgewiesen – wieso reden wir so selten darüber? Eine Zeitkapsel aus dem Jahr 1976, als dieser Text in der Fachzeitschrift bee world erschien.

Bienenvölker, die elektromagnetischen Schwingungen (10 bis 30 kHz, 800 V/m) ausgesetzt sind, erzeugen ein verändertes Klangmuster und ihre Temperatur steigt an.5,17 Wenn sie die Wahl haben, meiden Bienen solche Schwingungen.13

Eine erhöhte Konzentration atmosphärischer Ionen steigert die motorische Aktivität und beeinflusst auch den Wasserhaushalt der Bienen.2 Eine großflächige elektrische Abschirmung der Bienen durch einen faradayschen Käfig verringert die allgemeine Aktivität und führt zu einer pathologischen Aufladung des Rektums.2

Der Mensch – oft stark elektrostatisch aufgeladen, zum Beispiel durch das Tragen von Kleidung aus synthetischen Materialien – kann Bienen erhebliche Stromstöße versetzen, die sie aggressiv machen können.

Mechanismen dieser Effekte

Experimente haben Hinweise auf einige der Mechanismen geliefert, die die Wirkungen der elektrischen Parameter auslösen. Ein direktes elektrisches Feld (oder ein Wechselfeld mit niedriger Frequenz), in dem sich eine Biene befindet, bewirkt eine Verschiebung an der Körperoberfläche der Biene. Es ist zu erwarten, dass die durch das Feld hervorgerufene Kraft eine Verzerrung der Mechanosensillen bewirkt. Entsprechende Experimente an der menschlichen Epidermis, bei denen eine elektrooptische Methode verwendet wurde, haben gezeigt, dass sich die Haare rhythmisch im Takt der Veränderungen eines direkten elektrischen Feldes bewegen. Bei elektromagnetischen Schwingungen (ca. 20 kHz, 800 V/m) erwärmen sich die Beinchen der Bienen, was vielleicht auf Muskelaktivität oder die Konzentration des Stroms auf eine kleinere Fläche hinweist. Ist die Ionenkonzentration der Luft hoch, können an den Fühlern Entladungsspitzenströme von etwa 10 x 10-8 Ampere auftreten; diese sind ausreichend hoch, um eine physiologische Anregung zu erzeugen.

Wetterfühligkeit der Bienen

Dies ist ein bekanntes Phänomen. Es tritt besonders deutlich zutage, wenn sich ein Gewitter ankündigt: Bienen, die auf Futtersuche waren, kehren in großer Zahl in den Stock zurück, und einige Zeit vor Ausbruch des Gewitters zeigen die Bienen eine erhöhte „Reizbarkeit“ und Bereitschaft zum Stechen.12 Einige Verhaltensweisen lassen sich mit elektrischen Faktoren in der Atmosphäre in Verbindung bringen. Die Höhe des elektrischen Potenzials beeinflusst die Fähigkeit der Bienen, Nahrung zu sich zu nehmen.12 Es wirkt sich auch auf den Beginn und den Verlauf des Flugs junger Bienen aus dem Bienenstock10 und auf die Aggressivität14 aus. Die Tatsache, dass die Fähigkeit der Bienen, zu ihrem Heim oder Bienenstock zurückzukehren, von Zeit zu Zeit schwankt, kann auf atmosphärische Störungen (elektromagnetische Schwingungen im langwelligen Bereich) zurückgeführt werden.6

Bienen Elektro3

Abb. 4: Oszillogramm des elektrischen Feldes einer Biene, die mit ihren Flügeln schwirrt. Das Feld weist eine Amplitudenmodulation auf und wirkt sich unweigerlich auf benachbarte Bienen aus.

Wetterumschwünge und die Bildung von Wolken sind mit Änderungen des elektrischen Potenzials verbunden, die sowohl bei einer einzelnen Biene als auch im Bienenvolk zu örtlichen Ladungsänderungen führen (Abb. 3), was das „Erkennen“ des dynamischen Verlaufs von Wetterumschwüngen durch Bienen erklären könnte. Koronaentladungen aufgrund hoher atmosphärischer Feldstärken (zum Beispiel von den Spitzen von Gräsern und Blättern) müssen ebenfalls in Betracht gezogen werden: Sie könnten ein für die Bienen sichtbares UV-Muster erzeugen, das ihre Orientierung durcheinanderbringen könnte, da es zeitlich instabil ist.

Elektrokommunikation

Alle Verhaltensweisen, bei denen die Flügel einen Luftstrom erzeugen (zum Beispiel bei der Beduftung) oder die Biene sich bewegt (Flug), erzeugen ein Wechselfeld in der unmittelbaren Umgebung der Biene3,15 (Abb. 4). Eine Beeinflussung von Bienen in der Nähe (via Induktion) ist unvermeidlich. Das Gleiche gilt für rhythmische Bewegungen von Körperteilen des Insekts wie beispielsweise alle Formen des Tanzes (Abb. 5) und den Kontakt mit den Fühlern.

Berühren sich zwei Bienen mit unterschiedlichem Potenzial über ihre Fühler, so fließt ein Strom von einer Biene zur anderen, dessen Stärke von den Innenwiderständen der Bienen und dem Widerstand des Untergrundes abhängt. Wenn man die Erkenntnisse von Galuszka und Lisiecki8anerkennt, dass verschiedene Bienenvölker unterschiedliche Innenwiderstände besitzen, dann scheint es möglich, dass eine Biene über ihre Fühler Kontakt mit einer anderen Biene herstellt und anhand der Abnahme des Innenpotenzials, die aus diesem Kontakt resultiert, erkennt, ob sie zum selben Volk gehört (Abb. 6).

Elektrische Navigation

Physikalisch betrachtet stellt ein fliegendes Tier eine bewegte Ladung dar, das heißt einen elektrischen Strom (Konvektionsstrom). Sofern eine Biene nicht parallel zum Erdmagnetfeld fliegt, wird auf sie eine kleine Kraft proportional zur Fluggeschwindigkeit (Lorentz-Effekt) ausgeübt. Diese Kraft erzeugt ein elektrisches Potenzial (Hall-Effekt).

Bienen Elektro4

Abb. 5: Der Schwänzeltanz. Übermittlung von Informationen durch das erzeugte Wechselfeld? Diagramm modifiziert nach von Frisch.

Abb. 6: Die Berührung der Fühler zweier Bienen erzeugt einen Entladungsstrom, wenn die Fühler unterschiedliche Polaritäten aufweisen. Der Strom ist groß genug, um physiologische Reize zu erzeugen.

Im Schaltplan:

AB1, AB2: beide Bienen als Quellen elektrischer Energie

RB1, RB2: Innenwiderstände der Bienenkörper

C1, C2: Kapazitäten der beiden Bienen

RFl: Widerstand des Anflugbretts

Berechnungen über die Aufladung von Insekten durch natürliche elektrische Faktoren zeigen, dass sich Insekten eine beträchtliche Zeit vor dem Ausbruch eines Gewitters entladen, unabhängig davon, ob sie sich in der Luft oder am Boden befinden. Wenn die elektrische Ladung grundsätzlich für die Orientierung der Insekten wichtig ist, würden Desorientierung und möglicherweise erhöhte Aggressivität Folgen ihrer Entladung sein.

Diese Reihe von Vermutungen könnte noch erweitert werden, aber zunächst müssen weitere Untersuchungsergebnisse gesammelt werden. Es ist zu hoffen, dass dieser Artikel Wissenschaftler dazu anregt, die Untersuchung der Auswirkungen elektrischer Faktoren in ihre künftigen Forschungen über Bienen einzubeziehen.

Anmerkung der Redaktion

Der Originalbeitrag wurde in der Zeitschriftbee worldunter dem Titel „Effects of Electrical Charges on Honeybees“ veröffentlicht (bee world, 1976, 57(2):50–56; siehe auch t.ly/1T0Dg). Unter dem genannten Link finden Sie auch die Endnoten zum Text, die wir aus Platzgründen nicht abdrucken.

Kommentare

15. Mai 2024, 08:07 Uhr, permalink

Drusius

Wenn wir selbst aus Schwingungen bestehen, dann dürfte das wohl nicht nur für Honigbienen interessant sein.

Kommentar schreiben

Folgende Art von Kommentaren sind unerwünscht und werden von uns entfernt:

  • (Schleich-)Werbung jedweder Art
  • Kommentare die nichts zum Thema beitragen
  • Kommentare die der deutschen Sprache nicht gerecht werden
  • Geplänkel mit anderen Kommentarschreibern
  • Kontaktanfragen an die Redaktion (benutzen Sie hierfür bitte das Kontaktformular)

Bitte beachten Sie unsere Datenschutzhinweise

NEXUS Suche

Weitere Artikel dieser Kategorie

Der Autor

NEXUS Magazin Artikel Feed

Alle Artikel-Veröffentlichungen auf nexus-magazin.de

 RSS-Feed abonnieren