Hightech-Schamanen

schamanenqSchamanismus war über Jahrtausende in nahezu allen Kulturen rund um den Globus der Goldstandard der Heilkunst. Das schamanische Dreieck, das sich aus dem Patienten, dem Schamanen und der Gemeinschaft der Stammesangehörigen zusammensetzt, ist ein Urmuster der Medizin, das sich bis heute nicht geändert hat. Nur das Verständnis von Krankheit hat sich gewandelt: von magisch-animistisch zu mechanisch-biomedizinisch. Bei uns ist der überragende Heiler natürlich ein Chirurg im weißen Kittel, der – ganz wie der Medizinmann – ein Heilritual durchführt und von seiner Heilkunst überzeugt ist.

Doch die deutschsprachige Medizinkultur ist außerordentlich eminenzbasiert: Sie wird dominiert von Ärzten, die sich überlegen fühlen und in ihrem Expertenwissen sonnen. Hierzulande traut man sich nicht, operative Verfahren infrage zu stellen. Bei uns ist die Medizin eine weiße Bastion, in der immer alles richtig gemacht wird. Zweifel sind nicht erwünscht.

Wenn der Autor von Hightech-Schamanismus spricht, so sind damit aktuelle medizinische Praktiken gemeint, die im Verdacht stehen, medizinisch nicht wirksam zu sein. Die Orthopädie steht weit vorne im Ranking, weil es da meist um die Behandlung von Schmerzen geht. Als Paradebeispiel führt der Autor die Knorpelglättung an. Rauer Knorpel im Kniegelenk behindert die Beweglichkeit und führt zu Knieschmerzen. Die Antwort auf das Problem: Knorpel glätten mit einer OP; ein Eingriff, der schon millionenfach vorgenommen wurde. Doch Vergleichsgruppen an Patienten, die nur scheinoperiert, also einer Placebobehandlung unterzogen wurden, erfuhren dieselbe Schmerzlinderung. Dass der Effekt allein auf die Selbstwahrnehmung des Patienten zurückgeht, ist widerlegt – Änderungen im Körper nach der Anwendung von Placebos sind auch in Form von medizinisch messbaren Parametern nachweisbar. Folglich ist es der „Geist“, der die Veränderung im Körper bewerkstelligt – oder anders ausgedrückt: Der Glaube versetzt die Berge. Eine medizinische Wirksamkeit der Knorpelglättung konnte in keiner Studie bewiesen werden, als der deutsche Medizin-TÜV um Überprüfung bat.

Und so geht es weiter mit zahlreichen Fallbeispielen. Die genaue Beschreibung der jeweiligen Eingriffe muss man mögen, teilweise ist das nichts für schwache Nerven. Die in diesem Buch vorgestellten Verfahren waren in den Studien nahezu wirkungslos; der Placeboeffekt funktioniert in den unterschiedlichsten medizinischen Zusammenhängen. Prächtig wirkt er in der Orthopädie, aber man begegnet dem inzwischen gut dokumentierten Phänomen auch bei Herzproblemen, Parkinson, Rheuma, Diabetes, Darmgeschwüren, Depressionen, Schlafstörungen, Asthma, Hautproblemen und vielen anderen Krankheiten.

Suggestivmedizin ist die intelligenteste, kostengünstigste und nebenwirkungsärmste Therapieform, die es gibt. Doch dieses Potenzial wird nicht genutzt – und das offenbart das strukturelle Versagen des Gesundheitssystems. Ärzte und Krankenhäuser sitzen auf dem Schoß der Industrie, und diese Industrie kann mit medizinischer Suggestion keinen Cent verdienen. Das Geschäftsmodell des medizinisch-industriellen Komplexes wird also gestärkt und unterstützt. Erkenntnisse und Therapien, die die Gewinne der etablierten Player gefährden könnten, werden nicht beachtet bzw. negiert. Hightech-Schamanismus ist außerordentlich teuer und spült Geld in die Kassen der Beteiligten. Diese Fälle, so der Autor, sollte man konsequent aufspüren und aus unserem Gesundheitssystem entfernen.

Dr. Frank Wittig
Riva

192 Seiten
ISBN: 978-3-742316-07-3
€ 19,99

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