Pocken, Pandemie und Piks: ein stichhaltiges Déjà-vu

PockenEine globale Krankheitswelle mit hoher Sterblichkeit grassiert – die Menschheit scheint hilflos, bis jemand eine Impfung dagegen entwickelt. Nach ersten Erfolgen wird das Mittel so schnell wie möglich zur Pflicht erklärt.

Doch die Verheißung trügt: Heißt es erst, ein Stich reicht, sind es bald zwei … drei … und selbst dann ist nicht jeder immun. Dazu mehren sich die Berichte, dass Geimpfte nach dem Piks sterben oder schwerer erkranken, Todesfälle werden von den Behörden jedoch sorgfältig in Statistiken versteckt. Erst eine Massendemonstration beendet den Spuk.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Nein, nein: Wir sind nicht im 21. Jahrhundert – wir schreiben das Ende des 19. Jahrhunderts.

Den Wendepunkt markierte vielleicht die große Epidemie von 1871 bis 1873, die über einen Großteil der Welt hinwegfegte. Zu diesem Zeitpunkt war die aufstrebende englische Industriestadt Leicester weitgehend durchgeimpft und dennoch schwer betroffen. Als klar wurde, dass die Impfung keinen Schutz bot, waren die Eltern nicht mehr bereit, ihre Kinder diesem Risiko auszusetzen. Tausende nahmen die gesetzlichen Strafen für die Verweigerung der Impfung in Kauf und legten damit das Rechtssystem lahm. Es wurde ein neues Konzept entwickelt, das die Impfung ersetzen sollte:

„Mit der faktischen Abschaffung der Impfung und der Einführung und Entwicklung der ‚Leicester-Methode‘ bestehend aus Meldepflicht, Hygiene, Isolation, Quarantäne, Desinfektion, Beobachtung usw. ist die Pockensterblichkeit praktisch ausgerottet worden.“

– J. T. Biggs, 1912 6

Angesichts des wachsenden Unmuts über die Impfpflicht wurde eine Massendemonstration organisiert, die am 23. März 1885 in Leicester stattfand.

„Das Hauptquartier der Demonstration befand sich in der Temperance Hall. Schon lange vor Mittag herrschte dort reges Treiben, und die meisten Transparente und Fahnen waren dort angebracht. Es gab etwa 700 große und kleine! Viele waren geschmackvoll gestaltet, und die Farben waren so vielfältig wie die Aufschriften. Northampton bezeugte, dass ‚Zwangsimpfungen eine ungerechte Machtanmaßung sind‘, und Brighton, dass ‚die Wahrheit siegt‘. Kent mit seinem zügellosen Pferd und der Invicta-Legende [Anm. d. Übers.: Invicta ist das Motto von Kent; lateinisch für ‚unbesiegt‘] stellte ‚Elterliche Liebe vor despotisches Gesetz […] besser eine Gefängniszelle als ein vergiftetes Baby‘ […] Ein schönes Transparent aus Belgien trug die Inschrift in französischer Sprache: ‚Weder Strafen noch Gefängnis können verhindern, dass der Impfstoff Gift ist und die Impfgesetze eine Schande.‘“

– Dr. Hubert Boëns

„Aus der Hälfte der Grafschaften Englands, aus zahlreichen Städten, Menschen aller Berufe, aller Gewerke, verbunden durch enge Bande der Sympathie. Überall Fahnen, überall Musik, überall rosige Gesichter, überall fröhliches Lachen.

Eine Prozession von Tausenden von ‚Gesetzesbrechern‘, ohne einen einzigen Polizisten in den Reihen, um für Ordnung zu sorgen; und am Ende des Tages nicht einmal das Gerücht, dass ein Kind erschlagen wurde oder ein Taschentuch verloren ging!“

– J. T. Biggs 7

Schätzungen zufolge versammelten sich 80.000 bis 100.000 Menschen aus England, Irland und Schottland in Leicester; die Organisatoren erhielten auch Sympathiebekundungen vom europäischen Festland und aus den USA.

Im folgenden Jahr stellten die neu gewählten Guar­dians von Leicester die Strafverfolgung ein, und dieser Schritt wurde auch andernorts vollzogen. 1889 wurde eine königliche Kommission eingesetzt, um die Kontroverse um die Impfung zu untersuchen. Der Hauptzeuge, der sich gegen die Impfpflicht aussprach, war J. T. Biggs, ein Sanitärtechniker und 1883 einer der Guardians von Leicester. Er wurde mit 3.000 Fragen gelöchert und verfasste einige Jahre später ein über 700 Seiten umfassendes Buch zu diesem Thema, das hier zitiert wird. Im Jahr 1896, inmitten einer neuen Pockenepidemie, wurden jedoch Forderungen laut, die Strafverfolgung wieder aufzunehmen.

Zu dieser Zeit fand ein weiteres Ereignis statt, auch wenn es weniger aufsehenerregend war. Es gab einen gewissen Dr. Hadwen, der überzeugter Impfgegner war, wie es damals hieß. Er war auch Vegetarier – eine seltene Spezies zu dieser Zeit. In seinen Zwanzigern hatte er gegen einen Kommilitonen gewettet, ob er es schaffen würde, sich sechs Monate lang nur von Gemüse zu ernähren. Er nahm die Wette an, und auch wenn sein Sieg heute trivial erscheint, so zeigt er doch, dass er seiner Zeit in Fragen weit voraus war, die andere nicht einmal zu stellen wagten. Er war auch ein entschiedener Gegner der Vivisektion.

Was das Thema Impfstoffe anbelangt, so kannte er als Mediziner die Wissenschaft und die Geschichte, und als ehemaliger Prediger besaß er ein beachtliches Talent für öffentliche Reden. Er sollte am 25. Januar 1896 in den Versammlungsräumen von Gloucester sprechen. Am vereinbarten Tag waren die Säle überfüllt und viele erhielten keinen Einlass.

Der Text von Hadwens Rede und die Reaktionen des Publikums wurden wortwörtlich aufgezeichnet und als ein Schrift unter dem Titel „The Case Against Vaccination“ veröffentlicht, die in diesem Artikel zitiert wird.

Wenn man diese und andere Quellen aus der damaligen Zeit liest, ist es faszinierend zu sehen, wie viele Parallelen zur aktuellen Lage bei Covid-19 bestehen. Natürlich war die Zeit um 1800 eine ganz andere; die Lebensbedingungen waren unvorstellbar schlechter, und die Pocken waren damals viel tödlicher als Covid-19. Dennoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten feststellen. Um nur einige zu nennen:

Sich verändernde Versprechen

Bei Covid-19 wurde uns zunächst gesagt, dass zwei Impfungen ausreichen würden und wir dann fertig wären. Man sagte uns auch, die Wirksamkeit verschiedener Impfstoffe liege bei 95 oder sogar 100 Prozent. Wer die Geschichte der Impfstoffe studiert hat, wusste, dass dieser Glaube nicht lange währen würde, und so war es auch.

Auch bei den Pocken versprach Jenner zunächst einen lebenslangen absoluten Schutz durch eine einzige Impfung, was von der Ärzteschaft akzeptiert wurde:

„Alle Londoner Ärzte unterzeichneten eine Erklärung und bezeugten, dass mit dieser Entdeckung einmal geimpfte Personen für immer gegen Pocken geschützt seien. Seitdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich Ärzte genauso irren können wie andere Menschen auch.“

– Dr. Hadwen

Bald darauf gingen die Versprechungen immer weiter zurück, von lebenslangem Schutz zu vorübergehendem Schutz und von absolutem Schutz zu Abschwächung, und immer häufigere Impfungen wurden von verschiedenen Ärzten empfohlen:

„Dann sagen sie, wenn es nur für eine gewisse Zeit schützt, ist eine Auffrischungsimpfung angebracht. Ich möchte wissen, wie oft wir neu geimpft werden sollen. Jenner sagt, einmal sei genug; Dr. Thorpe Porter […] sagt, er glaube nicht an eine Auffrischungsimpfung; […] Sir William Jenner sagt, man solle sich einmal im Säuglingsalter impfen lassen, dann noch einmal mit sieben Jahren und jedes Mal, wenn eine Epidemie auftritt (Gelächter); Dr. Oakes sagt, man solle sich alle zehn Jahre impfen lassen; und ein großer deutscher Impfarzt […] sagt, man solle sich alle vier Monate impfen lassen, bis man nicht mehr geimpft werden kann. (Gelächter)“

– Dr. Hadwen

Ein „Booster“ alle vier Monate? Klingt vertraut.

Nebenwirkungen der Impfung

Von Anfang an war die Impfung für einige mit Schädigungen und Todesfällen verbunden. Jenners zweite Versuchsperson starb,4und 1799 gab Dr. Woodville, Direktor des Pockenimpfkrankenhauses in London, der Hunderte von Personen geimpft hatte, zu:

„In mehreren Fällen haben sich die Kuhpocken als eine sehr schwere Krankheit erwiesen. In drei oder vier von 500 Fällen geriet der Patient in erhebliche Gefahr, und ein Kind ist sogar gestorben.“

– Dr. Woodville 8

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