Das Mikrobiom der Langlebigkeit: Wie das Ökosystem unseres Darms unsere Lebensspanne bestimmt

Welche Faktoren beeinflussen, wie alt ein Mensch werden kann? Die Forschung hat bereits zwei Genome dingfest gemacht, deren Expression allerdings stark durch epigenetische Mechanismen beeinflusst wird. Eine dritte Komponente rückt erst jetzt ins Blickfeld.

Welche Faktoren beeinflussen, wie alt ein Mensch werden kann? Die Forschung hat bereits zwei Genome dingfest gemacht, deren Expression allerdings stark durch epigenetische Mechanismen beeinflusst wird. Eine dritte Komponente rückt erst jetzt ins Blickfeld.

Seit Anbeginn der Zeit hat die Menschheit nach Möglichkeiten gesucht, die ihr durch die Sterblichkeit gesetzten Grenzen zu durchbrechen. Die Geschichte überliefert uns zahlreiche Berichte über Kaiser, Könige und Königinnen, die ihre Weisen und Alchemisten in alle Winkel der Erde ausschickten, um nach Tonika und Tränken zu suchen, die die Langlebigkeit fördern sollten. Meist ging es dabei um die Suche nach Substanzen oder sonstigen Mitteln, die von außerhalb des menschlichen Körpers stammten. Dank neuer und maßgeblicher wissenschaftlicher Entdeckungen kennen Forscher jetzt eine weitere Schlüsselkomponente – doch der Schlüssel befindet sich dieses Mal in unserem eigenen Inneren.

Die genetischen Komponenten für ein langes Leben

Die Schulmedizin hat ihre biologische Forschung auf den so hochgeschätzten Gencode ausgerichtet und sucht darin nach Antworten für alle menschlichen Probleme, die Frage des Alterns und der Langlebigkeit eingeschlossen.

Die Genetiker entdeckten im menschlichen Körper drei Genome, die den gesundheitlichen Zustand und die Langlebigkeit eines Menschen bestimmen. Als Erstes ist das Kerngenom (nDNS) zu nennen, auf das sich die Forschung bei ihrer Suche nach spezifischen Codes für Langlebigkeit in erster Linie konzentrierte. Das zweite wichtige Genom befindet sich in den Mitochondrien (mtDNS). Dieses Genom steuert eine große Anzahl von Zellreplikationen für spezifische Gene. Was Alterung und Langlebigkeit betrifft, so werden diese beiden Genmechanismen in hohem Maß durch ihre komplexe Wechselwirkung mit Lebensstil und Umwelt bestimmt.

Aber auch eine dritte genetische Komponente muss berücksichtigt werden – das Mikrobiom.1

Mit dem Begriff Mikrobiom bezeichnet man die Gene innerhalb der Mikrobiota des Darms. Der durchschnittliche Erwachsene trägt etwa ein Kilogramm dieses dynamischen mikrobiellen Ökosystems in sich, das damit annähernd so viel wiegt wie das Gehirn.

Die Zahl der Mikrobiom-Gene liegt erheblich über der aller anderen Gene. Die Mikrobiom-Gene sind in der Lage, eine ganze Reihe von wechselseitig kommunizierenden, neuroaktiven Verbindungen einzugehen, die unbewusst das Verhalten, die kognitive Funktion, die Immunität und das Altern regulieren.

Den meisten Menschen ist nicht klar, in welch hohem Maße der menschliche Körper aus Trillionen mikrobieller Formen besteht, die gemeinsam mit uns die evolutionäre Entwicklung durchlaufen und durch eine wechselseitige Kommunikation mit unseren Genen unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden steuern. Die Vorstellung, dass der Körper einem großen, mit Bakterien und Viren angefüllten Zellcontainer gleicht und symbiotisch mit diesen Lebensformen zusammenlebt, dürfte die meisten Menschen schockieren. Allerdings ist dieses Konzept nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt. Die alte medizinische Einstellung, wonach es sich bei allen Bakterien und Viren um Pathogene handelt, die es zu vernichten gilt, ist längst nicht mehr gültig.

Das neue Bild des Körpers

Das Ökosystem des Mikrobioms besteht überwiegend aus Bakterien, enthält aber auch Archaeen, Protozoen, Pilze und Viren, die alle gemeinsam mit ihrem menschlichen Wirt die Evolution durchlaufen. Diese Mikroorganismen erfüllen Funktionen, die für die menschliche Gesundheit essenziell sind, und regulieren beispielsweise den Metabolismus komplexer, unverdaulicher Polysaccharide, die Synthese von Vitaminen aus der Nahrung oder die Inhibition pathologischer Formen.2,3

Die Darmbakterien beeinflussen den menschlichen Metabolismus, indem sie die Produktion der Metaboliten, beispielsweise der Galle, steuern, die für die Fettverbrennung und die Peristaltik (die Muskelkontraktionen im Darm) entscheidend sind. Außerdem beeinflussen die Darmbakterien die Produktion von Cholin und von kurzkettigen Fettsäuren (SCFAs), die neben anderen Vorteilen für die Gesundheit der Leber und die Gedächtnisfunktion eine Rolle spielen.4

Dank der Forschung über das menschliche Mikrobiom wissen wir heute um den Zusammenhang zwischen Veränderungen in der Diversität des Mikrobioms und Krankheitsbildern wie Diabetes, rheumatoider Arthritis, Muskeldystrophie, multipler Sklerose, Fibromyalgie, aber auch neurologischen Störungen wie der Parkinson­krankheit, Autismus-Spektrum- oder geistigen Störungen wie Angst, Depression und anderen.5

Eines der frühesten Symptome, das bereits 15,3 Jahre vor einer eventuellen motorischen Dysfunktion im Rahmen neurologischer Erkrankungen auftreten kann, ist Verstopfung. Derzeit werden neue Behandlungsansätze mit Probiotika entwickelt, die bei psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen Einsatz finden sollen.6

Bei neurologischen Erkrankungen übernimmt die Blut-Hirn-Schranke die Regulierung des molekularen Verkehrs zwischen dem Kreislaufsystem und der zerebrospinalen Flüssigkeit des Zentralnervensystems (ZNS). Wie in einer Studie nachgewiesen werden konnte, vermag das Mikrobiom des Darmes die Expression von Tight-Junction-Proteinen wie Occludin und Claudin-5 hochzuregulieren. Deren Aufgabe besteht darin, wie eine Art Mörtel die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke zu verhindern.7

Den vollständigen Artikel können Sie in NEXUS 84 lesen. Die Ausgabe können Sie hier erwerben.

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