Im Labyrinth der Körperchemie: Das große Gesundheitsinterview

KoerperchemieKeto, Paläo oder Low Carb? Vitamin- und Mineralstoffergänzung – ja oder nein? Wenn ja: Wie viel, wovon und in welcher Menge? Haben den Hormonumbruch in den Wechseljahren nur Frauen? Und wie war das mit der Schwer­metallausleitung?

H. C. Fricke stand vor einem Wust an Fragen, als sein Körper nicht mehr ganz so wollte wie er. Studie um Studie, Molekül um Molekül, Selbstversuch um Selbstversuch hat er sich an die Antworten herangetastet.

Von dem, was er herausgefunden hat, kann womöglich auch Ihr Arzt oder Heilpraktiker noch etwas lernen. Wir haben seine Erkenntnisse in einem Interview zusammengefasst.

NEXUS: H. C., Sie sind Betreiber des Blogs HCFricke.com. Dort behandeln Sie Themen, die eine große Schnittmenge mit unserer Leserschaft haben: Nahrungsergänzungen, Schwermetallausleitung und Amalgamentfernung, Frequenzgeräte und Elektrosmog. Spannend ist hier, dass Sie das meiste davon selbst ausprobiert und in vielen Bereichen bis zum Grund gebohrt haben. Wie kam es dazu, dass Sie sich mit all diesen Themen beschäftigen?

H. C. Fricke (HCF): Vor der Beschäftigung mit diesen komplexen Themen hatte ich mich ab 2009 Stück für Stück mit der Optimierung meiner Ernährung beschäftigt: Keimen, Brot backen, grüne Smoothies, immer mehr Bioprodukte sowie die Übernahme und Wiederbelebung des Familiengartens.

Meine Schlüsselerfahrung in Sachen Ernährung war, dass mein seit der Kindheit anhaltender Dauerschnupfen und die Anzahl der (vielen) Erkältungen stark nachließen, nachdem ich den Konsum von Milchprodukten aller Art über einen längeren Zeitraum deutlich reduziert hatte. Die Idee dazu hatte ich aus einem Forum und dachte erst: irre!

Der Gedanke hat mich jedoch nicht losgelassen. Dann habe ich es umgesetzt, aber nicht weiter darüber nachgedacht … bis mir ein bis zwei Jahre später auffiel, dass sich etwas verändert hatte. Zum Guten.

Ich bin selber mit Kuhstall und Milch von eigenen Kühen aufgewachsen und habe niemals daran gedacht, dass Milchprodukte irgendein Problem für mich sein könnten. Ich habe auch keine Laktoseintoleranz oder Magenverstimmungen nach dem Konsum von Milch. Allerdings scheint mein Immunsystem da irgendwas nicht zu mögen – der Milchkonsum schwächt mich allgemein und macht mich anfälliger für alles Mögliche.

Dann dachte ich: Wenn eine so einfache Veränderung meiner Essgewohnheiten in einem einzigen Aspekt solch eine positive Veränderung bewirkt – was ist dann noch alles möglich?

NEXUS: Das klingt nach einem Augenöffner. Welche Aspekte sind Sie als Nächstes angegangen?

HCF: Die Phase, in der ich mich an Ernährungsfragen durch Eigenversuche herantastete, dauerte circa bis 2016. Dann kamen Bücher, die sich mit den Anteilen der Makronährstoffe, Fette, Kohlenhydrate und anderer Bestandteile unserer Nahrung auseinandersetzten: Dr. John McDougalls Buch „Starch Solution“, Dean Ornish, Caldwell Esselstyn, Dr. Neal Barnard, aber auch Loren Cordains Buch „Paleo Solution for Athletes“. Zudem auch viel von Dr. Greger von NutritionFacts.org, dessen Website ich für Einsteiger immer noch hervorragend finde. So bin ich bei dem gelandet, was heutzutage als „High-Carb“-Ernährung mit viel Gemüse, Linsen und Co. verstanden wird und was Milliarden von Menschen im Grunde schon immer „einfach so“ machen.

Trends wie Low Carb und Keto haben mir nie eingeleuchtet, und heute kann ich auch biochemisch begründen, warum. Cordains Paläo-Ideen haben einige interessante Komponenten, wobei seine Vorstellungen von viel Fleisch fressenden Jägern und Sammlern aus anthropologischer Sicht nicht haltbar sind. Allerdings genieße ich ab und zu ein Steak vom grasgefütterten Bio-Alpenrind, das bei niedriger Temperatur auf Gemüse gegart wird. Sardinen und Sardellen mag ich sehr, jedoch nur frisch vom Fischmarkt an der Küste. Schweinefleisch (Purinstoffe) ist tabu. Ich ernähre mich also explizit nicht vollvegetarisch.

Durch das Lesen der Bücher kam ich dann mit den Mikronährstoffen in Kontakt, weil einige Mängel über die Ernährung schwer zu handhaben sind, zum Beispiel Vitamin B12, D und K2. Da kamen dann die Fragen auf: Brauche ich das überhaupt? Wie viel nehme ich mit der Nahrung auf? Wie viel sollte ich ergänzen? Welche Form soll ich nutzen? Schließlich gibt es B12in vier verschiedenen Varianten, Magnesium in weit über einem Dutzend und auch bei Zink mangelt es nicht an Auswahl (unter anderem als Gluconat, Glycinat, Picolinat, Aspartat, Methionin). Bioverfügbar ist Zink eher nicht in Form von Zinkspänen, abgefeilt von einem Zinkprofil aus dem Baumarkt, sondern wenn die Zinkatome mit etwas anderem verbunden werden, das üblicherweise auch in der Nahrung vorliegt. Das Gleiche gilt natürlich für andere Metalle, Mineralien und Spurenelemente. Da wird es dann komplexer.

Bei Ergänzung mit Vitamin D darf zudem Vitamin K2nicht fehlen, sonst landet das Calcium in den Gefäßen, aber nicht in den Knochen. K2gibt es aber mindestens als MK4und MK7. Brauche ich beide? Reicht eines? Welches? Kann oder sollte ich das Ganze auch kontrollieren, und wenn ja, mit welchen Blutwerten?

Aus den Notizen der Recherchen entstand dann 2016 der Blog. Eigentlich ein verwegenes Projekt, denn was wusste ich schon im Vergleich zu all den Koryphäen!?

NEXUS: Meinen Sie, Ihre Erkenntnisse zum Thema Ernährung bzw. Makronährstoffe lassen sich verallgemeinern? Oder gibt es unterschiedliche Bedürfnisse – Menschen etwa, die Milchprodukte besser vertragen, ja sogar brauchen? Die eher Schwein als Rind essen sollten?

HCF: Das ist eine komplexe Frage. Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass man maximal 20 bis 30 Prozent der Kalorien als Fette verzehren sollte. Das Problem sind der Randle-Zyklus und Acetyl-Coenzym A. Zu viel Fett – also mehr als 30 bis 35 Prozent Anteil in der Ernährung – hemmt die Kohlenhydratverwertung und umgekehrt. Eine fettreiche Ernährung produziert „pro Kalorie“ zudem mehr Acetyl-CoA. Für Letzteres gibt es drei Arten, es zu verwerten: mehr Cholesterin, mehr Triglyceride und/oder es im Citrat-Zyklus zu ATP (unsere universelle Energieeinheit im Körper) umzuwandeln, also zu verbrennen. Und das geht auf jeden Fall nicht als Couchkartoffel.

Letzteres erklärt auch, warum bei vielen Menschen das Cholesterin (und Triglyceride) hoch und pharmazeutische Cholesterinsenker unsinnig sind. Hohes Cholesterin bedeutet in der Regel zu viel Fett in der Ernährung oder Probleme mit dem Energiemetabolismus. Ich selbst konnte durch einewirklichfettarme Ernährung, mit etwa 10 bis 15 Prozent der Kalorien als Fette, in acht Wochen meinen Cholesterinwert von über 200 auf ca. 120 mg/dl senken. Nur durch Weglassen! Das Kaloriendefizit habe ich mit Kohlenhydrat-Leckereien gefüllt, da ich kein Gewichtsproblem habe.

Bei übergewichtigen Menschen kommt neben den (versteckten) Fetten heute oft noch eine Schilddrüsenunterfunktion hinzu. Früher war ein hohes Cholesterin für jeden Arzt bei Übergewichtigkeit ein wichtiges Indiz für eine Unterfunktion der Schilddrüse – und eben nicht für Cholesterinsenker. Heute behandelt man, wie so oft meist erfolglos, das Symptom und nicht die Ursache.

Zum Fleisch: Ich denke da an das Alte Testament, das mir eine gute Grundlage scheint. Wer auch immer das verfasst hat, wusste offenbar, dass Schweinefleisch unter anderem viele Purinstoffe und viel Linolsäure (ein doppelt ungesättigtes Omega-6-Fett) enthält – zumindest aber, dass es gesundheitlich gesehen besseres Fleisch gibt als Schweinefleisch.

Das Problem: Überschüssige Purine müssen als Harnsäure über die Niere ausgeschieden werden. Linolsäure ist ebenfalls sehr schlecht und ist auch in vielen pflanzlichen Fetten enthalten. Einzig Kokosöl und Olivenöl sind hier in Ordnung.

Solange ich die Auswahl habe, würde ich also kein Schwein essen oder dies irgendjemand empfehlen und ich würde den kalorischen Fettanteil in der Ernährung gering halten.

Milchprodukte sind ein schwieriges Thema. Generell denke ich, dass Fermentiertes, zum Beispiel stichfester Naturjoghurt, aber auch Ghee – das reine geklärte Fett der Butter – okay sind. Allerdings sind in Joghurt und in Ghee Reste von Milchproteinen enthalten. Joghurt enthält zusätzlich noch etwa drei Prozent Laktose (Milchzucker). Das muss nicht für jeden passen, und es passt, wie ich festgestellt habe, auch nicht für mich.

Noch ein Thema, das zu den Makronährstoffen gehört, sind Proteine bzw. Aminosäuren. Hier bin ich ebenfalls maßvoll unterwegs. Je nach Ziel und Zweck denke ich, dass 10 bis 15 Prozent kalorisch bzw. 1,0 bis 1,2 Gramm pro Kilo Körpergewicht ausreichend sind. Auf jeden Fall ist hier ein Defizit zu vermeiden. Das ist ganz wichtig, speziell bei Vollvegetariern.

Mehr Konsum hat metabolische Folgen: mehr Schwefelwasserstoff, Ammoniak und Harnstoff. Überflüssiges Protein kann der Körper nicht direkt speichern, und alles Zuviel belastet die Leber. Deswegen esse ich am Abend keine an Protein reiche Mahlzeit, denn meine Leber soll in der Nacht ihre Arbeit tun – sprich das, was landläufig als Entgiften bezeichnet wird.

NEXUS: Auch die Frage nach den Mikronährstoffen kann höchst individuell ausfallen. In populärwissenschaftlichen Zeitschriften liest man oft, dass Vitamin- und Mineralstoffergänzungen Quatsch seien, da wir genug der benötigten Stoffe über die Nahrung aufnehmen. Wir haben zum Beispiel einmal versucht herauszufinden, was den Nährstoffgehalt der Lebensmittel von vor 100 Jahren von den heutigen unterscheidet – die Studien sind nicht leicht zu finden. Was denken Sie – sind Nahrungsergänzungen notwendig?

HCF: Zu dieser Thematik habe ich einige Artikel im Blog. Nach der verfügbaren Studienlage sind die Anteile an Mikronährstoffen aller Art in den Lebensmitteln in den letzten 100 Jahren gesunken. Ich kenne keine Studie, die anderes behauptet. Konventionelle Nahrung schneidet dabei in der Regel schlechter ab als Bio, wobei Bio nicht Bio ist.

Kommentare

13. Februar 2024, 12:38 Uhr, permalink

Ilka Fischer

Vielen Dank für das wunderbare Interview, HC! Die ganze Familie ist stolz auf dich und dankbar für deine langjährige Unterstützung. Deine Schwester aus Hamburg!

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