Rizinusöl und seine vergessenen Anwendungen

RizinusDer Arzt D. C. Jarvis rückt gerade die Brille einer 62-jährigen Patientin zurecht, da entdeckt er ein kleines Papillom an ihrer linken Augenbraue. Er schlägt ihr vor, das Papillom bei jeder Mahlzeit mit Rizinusöl zu betupfen. Sechs Wochen später ist die Wucherung verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.

Der Bericht ist nur einer von vielen, die in der Volksmedizin zusammengetragen wurden und zeigen, dass Rizinusöl weit mehr ist als ein Abführmittel. Der „schlafende Prophet“ Edgar Cayce hatte offenbar gute Gründe, das Mittel in vielen seiner Readings als Packung anzuempfehlen. Sollten wir es wieder aus der hintersten Ecke des Medizinschranks hervorkramen?

Geschichte der medizinischen Anwendung von Rizinusöl

Auf den ersten Blick könnte man dazu neigen, Rizinus­öl als traditionelles, aber überholtes Abführmittel einzuordnen, das schon längst keinen Platz in der Haus­apotheke mehr haben sollte. Der Gedanke ist durchaus verständlich, da dies der einzige Einsatzzweck ist, den die schulmedizinische Pharmakologie überhaupt erwähnt. Manche Hausärzte verschreiben Rizinusöl jedoch immer noch, trotz der lautstarken Proteste ihrer Patienten, und einige Radiologen bevorzugen dieses Abführmittel gegenüber anderen Präparaten zur Vorbereitung von röntgenologischen Darmuntersuchungen.

Beschäftigt man sich näher damit, ist Rizinusöl eine außergewöhnliche Substanz mit einer langen und bemerkenswerten Geschichte. Theoretisch ergibt es keinen Sinn, einen Stoff, der sich durch Vielseitigkeit, Nützlichkeit, Anwendungsgeschichte, Geruch und Geschmack auszeichnet, in die sprichwörtliche hinterste Ecke des Medizinschränkchens zu verbannen. Ganz im Gegenteil – all diese Eigenschaften sollten das Mittel zu einem medizinischen Segen machen.

Betrachtet man die Geschichte des aus Rizinussamen gewonnenen Öls, stößt man auf Eigenschaften, die es besonders wertvoll machen. Berichte darüber sind zwar selten, aber es lohnt sich, sie zu analysieren und zu überprüfen. In der medizinischen Literatur ist davon nicht viel zu finden, andere schriftliche Quellen könnten da ergiebiger sein. Mündliche Überlieferungen dazu sind noch seltener zu finden, doch es gibt sie: Mehr als 14.000 übersinnliche „Readings“ (Lesungen), das Lebenswerk des Mediums Edgar Cayce (1877 – 1945) aus Virginia Beach im US-Bundesstaat Virginia, stellen die umfassendste Informationsquelle dar, die eine größere Menge schriftlicher Aufzeichnungen über Rizinusöl als Medizin beinhaltet. Die Analyse dieser Readings macht, gemeinsam mit meinen eigenen Erfahrungen, den Großteil der vorliegenden Arbeit aus.

Rizinusöl wird aus dem Samen von Ricinus communis­1 gewonnen, auch bekannt als Rizinuspflanze, Wunderbaum oder Christuspalme. Dieses Öl empfahl Edgar Cayce in sehr vielen Fällen zur Anwendung in Form einer Packung.

Wahrscheinlich benutzte bereits Kleopatra Rizinusöl als Grundlage ihres Make-ups, um ihre Augen noch mehr strahlen zu lassen. Auch heute ist das Öl noch oft in Lippenstift und Make-up zu finden, vermutlich aufgrund seiner stabilisierenden und glättenden Eigenschaften. Im Papyrus Ebers (etwa 1500 v. Chr.) wird die Verwendung von Rizinusöl als Augentropfen zum Schutz vor Entzündungen beschrieben.2 Die ersten dokumentierten Anwendungen dieses ungewöhnlichen Öls stammen also aus dem alten Ägypten, einem Land voller Geheimnisse. Im Laufe der Jahrhunderte vertiefte sich das Wissen um den Nutzen des Rizinusöls, gelegentlich erweitert um neue Anwendungen – doch die wahre Wirkung des Rizinusöls, wie in den Readings von Cayce dargestellt, blieb den Ägyptern verborgen.

Eine umfassende Recherche in der medizinischen Literatur aus insgesamt 49 Jahren brachte nur sehr wenige, wenngleich faszinierende Ergebnisse. Douglas W. Montgomery, MD, etwa schrieb 1918 von einem Öl, das von einer schönen Pflanze mit großen, palmenartigen Blättern stammte, oft auch „Christuspalme“ genannt.3

Er schrieb, ein wenig scherzhaft, wie ich vermute:

„Wenn ich diesen klangvollen Namen bereits als Kind gekannt hätte, hätte ich vielleicht etwas weniger gelitten, wenn man mich wieder einmal gezwungen hatte, das Öl zu nehmen. Eine sehr resolute und energische schottische Tante betrachtete das ‚Schlückchen Öl‘, wie sie es nannte, als universelles Heilmittel mit außerordentlicher Wirksamkeit bei allen moralischen und physischen Eventualitäten; seine reinigende Wirkung auf das Innere steht tatsächlich außer Frage.“

Im selben Artikel berichtet Montgomery von einer Beobachtung, die auch für die heutigen Hausärzte zweifellos interessant und wichtig ist. Zudem scheint es Zusammenhänge mit einigen Kommentaren in Cayces Readings zur Anwendung von Rizinusöl zu geben. Montgomery stellte fest, dass die Anwendung von Rizinusöl bei Hautkrankheiten ebenso wirksam war, wie ein sauberer Verdauungstrakt für eine reine, gesunde Haut von Bedeutung ist.

„Die Substanz entfaltet ihre Wirkung scheinbar im aufsteigenden Dickdarm, was interessant ist, da die stärker reaktiven Hautläsionen ihre Ursache meist in Giften haben, die im Blinddarm gebildet wurden. Dieser ist eine bevorzugte Brutstätte proteolytischer, anaerober Bakterien.“

Montgomery wies auch darauf hin, dass Walter B. Cannon, MD,4 von einem Versuch berichtete, bei dem Tieren Rizinusöl zusammen mit ihrem Futter verabreicht worden war. Beobachtet wurde jedes Mal eine starke Aufspaltung des Futters im aufsteigenden Dickdarm, gefolgt von einer Antiperistaltik, die den Futterbrei zurück in den Dünndarm beförderte – eine Reaktion, die sehr geeignet sei, die Haustren des Dickdarms zu säubern, „jene Ausbuchtungen, die bei Trägheit des Dickdarms besonders verschmutzt sind“.

Diese Erwähnung zeigt auch, dass wichtige Erkenntnisse oft unbeachtet blieben, selbst wenn sie in den klügsten Fachbüchern beschrieben wurden. Louis Goodman, MD, und Alfred Gilman, PhD,5erklärten in ihrem Lehrbuch zur Pharmakologie, wie das Öl im Dünndarm von fettspaltenden Enzymen in Glyzerin und Rizinolsäure aufgespaltet wird. Letzteres sorgt durch die bekannte reizende Wirkung für die Reinigung, indem es die (parasympathische) Bewegung des Darms ankurbelt und für einen raschen Weitertransport des Dünndarminhalts sorgt. Im Text steht ebenfalls:

„Der Dickdarm wird etwas angeregt, da die Rizinolsäure ebenso wie andere Fettsäuren bei der Passage durch den Dünndarm absorbiert wird.“

Den vollständigen Artikel können Sie in NEXUS 111 lesen.

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