Laut einem Bootheram – einer Schöpfungsgeschichte der Aborigines – soll einst ein Kampf auf dem untergegangenen Kontinent Kumari Kandam stattgefunden haben, bei dem die matriarchalischen Gesellschaften von patriarchalischen Eindringlingen aus dem Norden verdrängt wurden. Die „weibliche“ Version der Geschichte wird bis heute totgeschwiegen.Die meisten Menschen denken, die Origine Lore – die Überlieferung der Aborigines – muss, da sie ausschließlich mündlich weitergegeben wurde, ziemlich fehleranfällig sein. Denn wie sollte ein mündlicher Tatsachenbericht seit Anbeginn der Zeiten unverfälscht bleiben, wenn selbst beim „Stille Post“-Spielen die Botschaft schon nach drei Personen völlig verdreht ist?
DruckansichtWas die meisten aber nicht wissen, ist, dass die Sterne, wenn man sie nur in ihrem Gang über das Himmelsgewölbe zu lesen versteht, tatsächlich die gesamte Schöpfungsgeschichte – oder Bootheram, wie die Aborigines sagen – erzählen. Durch dieses Wissen um bestimmte Sterne und Konstellationen entsteht ein gigantischer Kalender am Himmel, der uns an bedeutende globale Ereignisse erinnert.
Ein solches globales Ereignis ist Inhalt der mündlichen Überlieferung des Bandjalang-Stammes von Evans Head an der Ostküste von New South Wales, Australien. Die Legende berichtet über einen großen Krieg, der zwischen den matristischen Stämmen der gefiederten Schlange aus der alten Welt und den patriarchalisch organisierten Eindringlingen aus der neuen Welt tobte. Die Eindringlinge aus der neuen Welt stammten aus der Gegend rund um das Kaspische Meer und marschierten nach Süden, um die alten Völker Indiens zu unterwerfen. Dadurch wurden Letztere gezwungen, weiter nach Süden in Richtung des steinzeitlichen Australiens zu fliehen.
Dieser Krieg fand vor mehr als 10.000 Jahren statt und leitete den Beginn der Ausbreitung der „Kultur der neuen Welt“ über den südlich gelegenen Kontinent Australien ein. Zeitgleich hatte eine globale Naturkatastrophe, von der es in der Geschichte des Planeten viele gab, evolutionäre Veränderungen eingeleitet und die Menschen zu größeren Wanderungen gezwungen.
Die Eroberer mit ihrer patriarchalischen Kultur führten bereits seit Tausenden von Jahren Krieg mit den matristischen Stämmen der nördlichen Hemisphäre. Das Einzige, was sie abhielt, die „alte Welt“ Australiens komplett einzunehmen, war ein Anstieg des Meeresspiegels als Folge ebenjener großen Naturkatastrophe. Dadurch wurde Australien von den Landmassen im Norden abgeschnitten und die matristische, sternenkundige Kultur der alten Welt blieb bestehen.
Der Kontinent im Süden hatte seit dem Alcheringa – dem Beginn der Traumzeit –, also über Jahrmillionen und mehrere Eiszeiten hinweg an seinem angestammten, matristischen Wissen festgehalten. In dieser Zeit waren unzählige Eindringlinge gekommen, doch erst die Auswanderungswelle vor mehr als 10.000 Jahren, gekoppelt mit der kriegerischen Invasion, konnte die uralte Kultur der Aborigines spalten. Es entstand eine zweite kulturelle Strömung, eine patriarchalische mit ihren eigenen Riten und Zeremonien, und viele matristische Gebiete wurden im Zuge dessen von den Neuankömmlingen in Besitz genommen. Diese Welle kultureller Anomalien findet sich auch in den wissenschaftlichen Arbeiten der frühen Anthropologen wieder. Aus einem Krieg vor 10.000 Jahren entstand der Anfang einer neuen Phase der Kultur der Aborigines Australiens.
Da sich die Geschichte wiederholt, sollte ich vielleicht zuallererst die kulturelle Spaltung Australiens in der Gegenwart näher erklären. Wie schon angedeutet, haben wir einerseits das kulturelle System aus der Zeit vor der britischen Eroberung, das sowohl die Kulturen der steinzeitlichen alten als auch der steinzeitlichen neuen Welt enthält. Heute, nach der Eroberung durch die Briten, haben wir allerdings auch ein durch die Kolonialisierung entstandenes kulturelles System, das über die steinzeitlichen Kulturen gestülpt wurde. Dieses britische System ist ein rein patriarchalisches Kolonialsystem, das nur die relativ jungen, patriarchalischen Traditionen der Aborigines anerkennt und gutheißt. Die matristischen Überlieferungen werden völlig außen vor gelassen.
Das Nationensystem und die alten Überlieferungen
Diese exklusive Schirmherrschaft ist noch keine 20 Jahre alt. Die Entwicklung in diese Richtung begann vor etwa 50 Jahren, weil eine Eingliederung der nach der anfänglichen britischen Besetzung verbliebenen Aborigines in die Verwaltung notwendig geworden war. Seit damals hat sich das System jedoch weiterentwickelt. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre schuf die australische Regierung ein Verwaltungssystem, das sie „Aboriginal Nations“ nannte.
Dieses Nationensystem, in das die Aborigines eingestuft wurden, tauchte erstmals auf, nachdem zu Beginn der 1990er Jahre der Native Title – eine Rechtsauslegung, die den Aborigines in bestimmten Fällen legales Anrecht auf Land zurückgab – vor Gericht gegen die Regierung des Commonwealth erstritten worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in der Überlieferung der Aborigines keine Nationen.
Heute bestimmt dieses Nationensystem alle Bereiche des Lebens der Aborigines. Unter anderem bedient man sich dabei des Apartheid-Systems, indem man eine Kultur umsiedelt, die dann das angestammte Land einer anderen in Besitz nimmt und verwaltet. Diese Vorgehensweise wird als „Zwangsverlegung“ von Aborigine-Clans bezeichnet. Die Clans werden enteignet, ihnen wird das Land ihrer Vorfahren entzogen und sie werden zu Flüchtlingen in zentral verwalteten Gebieten.
Das Nationensystem führt zu einer Veränderung in der überlieferten Kultur und Sprache, was wiederum Namensänderungen von geografischen Gebieten auf den Landkarten zur Folge hat. Die Namensänderung beeinflusst ihrerseits, wer sein Besitzrecht an einem Landstück (vor Gericht) beweisen kann. Das Ergebnis sind eine Menge Streitereien, die noch mehr Behörden auf den Plan rufen, die „einschreiten“ und regulieren. Ein Teufelskreis.
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