Bullshit-Jobs

Wie stehen Sie eigentlich zu ihrem Beruf? Sind Sie zufrieden damit, vielleicht sogar glücklich? Oder fühlen Sie sich womöglich gefangen in „eine[r] Form der bezahlten Anstellung, die so vollkommen sinnlos, unnötig oder gefährlich ist, dass selbst derjenige, der sie ausführt, ihre Existenz nicht rechtfertigen kann“? Das wäre schade, aber nicht verwunderlich. Denn dann gehören Sie zur Masse derer, die in etwas feststecken, das Anthropologe David Graeber mit dem poetischen Ausdruck Bullshit-Job belegt hat.

Während der britische Ökonom John Maynard Keynes bereits 1930 die 15-Stunden-Woche prophezeite, sieht Graeber bei seiner Analyse unserer heutigen Arbeitswelt schwarz: Statt zu sinken, ist unsere durchschnittliche Arbeitszeit gestiegen, aber zugleich üben immer mehr Menschen Tätigkeiten aus, die keinen sinnvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten – und sind sich dessen vollauf bewusst. Selbst offensichtlich sinnvolle Beschäftigungen werden durch immer mehr Verwaltungsarbeit gnadenlos „bullshitisiert“.

Nach einer ganzen Reihe an Beispielen für die verschiedenen Kategorien der Bullshit-Jobs, beschäftigt Graeber sich mit den psychischen Auswirkungen sinnloser Tätigkeiten auf den Menschen und unseren gesellschaftlichen Ansichten zum Thema Arbeit. Dann widmet er sich der Frage, warum in jüngster Zeit die Bullshit-Jobs wie Pilze aus dem Boden schießen und es niemandem auffällt. Dazu beschreibt er die historische Entwicklung der Wirtschaft und nimmt Bezug auf verschiedene Ökonomen und ihre Theorien. Interessante Ansätze, es krankt nur an Folgendem:

Wenn man Graeber – abgesehen von seiner Subjektivität – eines vorwerfen kann, dann ist es sein Hang zur Geschwätzigkeit. Damit tut er seiner eigenen Argumentation nichts Gutes, denn bei der 137. Bullshit-Job-Anekdote fragt man sich als Leser durchaus, warum genau man jetzt wissen muss, dass ein anonymer Steve oder Eric nur beschäftigt wurde, um die Fehler des Vorgesetzten auszubügeln oder darauf zu achten, dass das Bonbonglas auf dem Schreibtisch immer gefüllt ist. Einerseits bieten die Beispiele und Anekdoten den eigentlichen Unterhaltungswert des Buchs, andererseits unterbrechen sie Graebers Argumentation immer wieder an den unnötigsten Stellen und verlangen es dem Leser ab, einige Seiten zurückzublättern, um den Faden nicht zu verlieren.

„Bullshit-Jobs“ ist weder eine todlangweilige noch wirklich erhellende Lektüre. Vor allem in den ersten Kapiteln stellt Graeber seine Ausführungen kurzweilig und nachvollziehbar dar. Dieser positive erste Eindruck wird leider durch die künstlich in die Länge gezogenen Ausführungen in der zweiten Buchhälfte wieder zunichtegemacht, und wer auf objektive Lösungsansätze, wissenschaftliche Herangehensweisen und eine übersichtliche Strukturierung hofft, wird enttäuscht. Eine Kürzung um 200 Seiten und ein roter Faden hätten Graebers „Bullshit-Jobs“ sicherlich gutgetan. So blieben mir letzten Endes mehr Fragen als Antworten (damit hat der Autor sein Ziel, „zum Nachdenken und Diskutieren [...] anzuregen“, immerhin erreicht), aber auch die beruhigende Gewissheit, selbst lediglich mit einem „Teilweise-Bullshit-Job“ geschlagen zu sein.

David Graeber
Klett-Cotta
464 Seiten
ISBN: 978-3-608981-08-7
€ 26,00

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