Primärwahrnehmung und Biokommunikation: ein Interview mit Cleve Backster

BiokommSämtliche Lebensformen, seien es Pflanzen, Bakterien oder menschliche Zellen, haben die angeborene Fähigkeit, ihre Umwelt wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Diese Entdeckung verlangt nicht nur nach einer Neudefinition des Begriffs Bewusstsein, sie verspricht auch Interessantes für die künftige Kommunikation zwischen verschiedenen Spezies.

Die Tür zur Kommunikation mit anderen Lebensformen öffnet sich

Ich interviewte Cleve Backster (1924–2013) vor beinahe 20 Jahren zum Thema Pflanzenintelligenz. Nein, Backster war kein Botaniker. Vielmehr galt er weltweit als Experte für Polygrafen, die man auch als Lügendetektoren bezeichnet. Ich weiß, dieser Zusammenhang mag auf den ersten Blick merkwürdig klingen. Doch hören Sie sich seine Geschichte erst einmal an, dann wird Ihnen alles klar werden.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Backster als Verhörspezialist bei der CIA und gründete die Backster-Schule für Lügendetektion, um dort Polizeibeamte auszubilden. Diese Schule ist die älteste bestehende Polygrafieschule der Welt.

Backster kann sich ganz genau an den Moment erinnern, in dem sich seine Lebensausrichtung für immer veränderte und er vom Gebiet der Lügendetektion zu dem der Pflanzenintelligenz überwechselte. Es war der Morgen des 2. Februar 1966, als das Zeitdiagramm, das er gerade erstellte, bei der Marke 13 Minuten und 55 Sekunden stand. Backster hatte die Unversehrtheit seines Versuchsobjekts in der Hoffnung bedroht, eine Reaktion zu erhalten. Und tatsächlich reagierte das Versuchsobjekt elektrochemisch auf diese Bedrohung. Bei dem Versuchsobjekt handelte es sich um eine Pflanze. Hier folgt die Geschichte:

„Ich beschäftigte mich eigentlich nur am Rande mit Pflanzen. Doch weil das Blumengeschäft im Erdgeschoss des Gebäudes, in dem ich arbeitete, einen Räumungsverkauf veranstaltete, brachte meine Sekretärin einige Pflanzen mit ins Büro, darunter einen Gummibaum und eben jenen Drachenbaum. Ich goss die Pflanzen bis zur Sättigung, das heißt, ich hielt sie unter den Wasserhahn, bis das Wasser aus den Topfböden austrat. Nun war ich gespannt zu erfahren, wie lange die Feuchtigkeit brauchen würde, um bis an die Spitze der Pflanzen zu gelangen. Der Drachenbaum interessierte mich dabei besonders, denn er musste die Feuchtigkeit den ganzen langen Stamm hinauf bis ans Ende der langen Blätter weiterleiten. Ich ging davon aus, dass der auf dem Prinzip der galvanischen Hautreaktion basierende Detektor des Polygrafen, den ich am Ende eines Blattes angebracht hatte, ein Absinken des Widerstands feststellen und auf Papier aufzeichnen würde, sobald die Feuchtigkeit zwischen die Elektroden gelangt war […]. Auf dem Diagramm entdeckte ich allerdings etwas, das der menschlichen Reaktion auf einen Polygrafen durchaus ähnelte. Es bildete bloß keineswegs das ab, was ich erwartet hätte, als das Wasser das Blatt erreichte.

Lügendetektoren machen sich die Tatsache zunutze, dass Menschen in vorhersehbarer Weise reagieren, wenn sie sich in ihrem Wohlbefinden bedroht fühlen. Wenn man einen Polygrafen im Rahmen einer Mordermittlung einsetzt, kann man den Verdächtigen beispielsweise fragen: ‚Waren Sie derjenige, der den tödlichen Schuss auf Soundso abgefeuert hat?‘ Wenn die richtige Antwort ja lautet, dann hat der Verdächtige Angst, beim Lügen ertappt zu werden. Folglich registrieren die Elektroden auf seiner Haut die physiologische Reaktion, die durch diese Angst hervorgerufen wird.

Ich überlegte mir also, wie ich das Wohlbefinden der Pflanze bedrohen könnte. Mein erster Versuch bestand darin, ein Nachbarblatt in eine Tasse mit warmem Kaffee zu tauchen. Die Pflanze zeigte allenfalls eine Reaktion, die ich heute als gelangweilt bezeichnen würde – die Linie auf dem Diagramm verlief einfach konstant weiter nach unten. Dann aber, bei der Marke 13 Minuten und 55 Sekunden, kam mir in den Sinn, das Blatt zu verbrennen. Ich sprach das nicht laut aus, ich berührte die Pflanze nicht und ich berührte auch das Gerät nicht. Die Pflanze drehte durch. Der Stift sprang buchstäblich über den Rand des Diagrammpapiers hinaus. Jedoch war der einzige neue Faktor, auf den die Pflanze reagiert haben konnte, mein mentales Bild.

Ich ging ins Nebenbüro, um Streichhölzer vom Tisch meiner Sekretärin zu holen. Dann zündete ich eines der Streichhölzer an und brachte es ein paar Mal vorsichtig in die Nähe eines Nachbarblatts. Dabei war mir allerdings klar, dass bei der ohnehin bereits extremen Reaktion eine weitere Steigerung gar nicht mehr feststellbar sein würde. Ich versuchte es also anders: Ich setzte der Bedrohung ein Ende, indem ich die Streichhölzer auf den Schreibtisch meiner Sekretärin zurücklegte. Sofort beruhigte sich die Pflanze wieder. Ich erkannte sogleich, dass hier etwas ganz Wesentliches vor sich ging. Eine konventionelle wissenschaftliche Erklärung fiel mir dazu nicht ein. Niemand anderer war in den Laborräumen anwesend und ich hatte nichts getan, was ein mechanisches Auslösen hätte bewirken können. In jenem Bruchteil einer Sekunde veränderte sich mein Bewusstsein für immer, und von da an widmete ich mein ganzes Leben der Aufgabe, dieses Phänomen näher zu erforschen.“

Primärwahrnehmung bei allen Lebensformen

Diese Reaktion der Pflanze bezeichnete Backster als Primärwahrnehmung, und er fand heraus, dass nicht nur Pflanzen dazu fähig sind.

„Die Wahrnehmungsfähigkeit, die wir bis hinunter zur Ebene der Bakterien feststellen können, hat mich erstaunt. Eine Joghurtprobe reagierte beispielsweise darauf, dass eine andere Joghurtprobe Nährstoffe erhielt. So als wollte sie sagen: ‚Die dort bekommt etwas. Was ist mit mir?‘ Dieses Phänomen tritt mit einem gewissen Maß an Wiederholbarkeit auf. Schließt man eine Joghurtprobe an Elektroden an und träufelt Antibiotika auf eine andere Probe, dann zeigt der angeschlossene Joghurt eine gewaltige Reaktion auf den Tod des Nachbarn. Dabei braucht es sich nicht einmal um dieselbe Art von Bakterien zu handeln.

Die erste siamesische Katze, die ich hatte, pflegte nur Hühnerfleisch zu fressen. Ich bewahrte also ein gekochtes Huhn im Kühlschrank des Labors auf und trennte jeden Tag ein Stück ab, um die Katze damit zu füttern. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Huhn fast aufgebraucht war, wurde das Fleisch natürlich zunehmend älter und es begannen sich Bakterien darauf zu bilden. Eines Tages, nachdem ich gerade eine Joghurtprobe verkabelt hatte, holte ich das Huhn aus dem Kühlschrank, um wieder einige Fleischstücke abzutrennen. Der Joghurt reagierte darauf. Als ich das Huhn unter eine Wärmelampe legte, um es auf Zimmertemperatur zu bringen, nahm ich bei dem Joghurt eine sehr starke Reaktion wahr, sobald die Wärme die Bakterien erreichte.“

Ich fragte Backster, wie er sich sicher sein konnte, dass nicht er den Joghurt beeinflusste.

„Ich wusste zu dem Zeitpunkt überhaupt nichts von dieser Reaktion. Überall im Labor befanden sich Piepschalter. Bei jeder Handlung, die ich durchführte, betätigte ich einen dieser Schalter, der dann dafür sorgte, dass auf irgendeinem entfernten Diagramm eine Aufzeichnung stattfand. Erst später verglich ich die Reaktion des Joghurts mit dem, was zu der entsprechenden Zeit im Labor stattgefunden hatte.“

Reagierte der Joghurt auch, als die Katze zu fressen begann?

„Interessanterweise scheinen Bakterien über einen Verteidigungsmechanismus zu verfügen, der sie bei extremer Gefahr in eine Art Schockzustand fallen lässt. Sie werden praktisch ohnmächtig. Viele Pflanzen reagieren genauso. Wenn man ihnen genügend zu Leibe rückt, dann zeigt ihr Diagramm eine gerade Linie. Bei den Bakterien war das offenbar ebenso der Fall, denn sobald sie in den Verdauungstrakt der Katze gelangten, ging das Signal aus. Ab diesem Zeitpunkt gab es nur noch eine gerade Linie.“

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