„Ich habe von derart sonderbaren Begebenheiten gehört, Sir. Ein entmasteter Mann hört niemals auf, seinen alten Pfosten zu spüren, nein, von Zeit zu Zeit zwickt er ihn weiterhin.“
Der Zimmermann zu Kapitän Ahab, „Moby-Dick“ von Herman Melville
Einige Menschen, denen eine Gliedmaße amputiert wurde, können diese weiterhin spüren – zum Teil so deutlich, dass sie darin hineingelegte Gegenstände fühlen oder gar unter Schmerzen leiden, bei denen kein Medikament anschlägt.
Die Medizin erklärt die seltsamen Sensationen mit dem Begriff „maladaptive Neuroplastizität“ – einer Art Fehlerinnerung des Gehirns an einstmals vorhandene Physiologie. Doch wie können nicht vorhandene Körperteile schmerzen? Ein pensionierter Psychiater geht auf Spurensuche.
Die Geschichte der Lebensenergie ist lang und vielfältig und in jüngster Zeit vor allem durch ihre problematische Handhabung in der modernen, westlichen Medizin geprägt. Da energiebasierte Therapien jedoch auch in unserem Gesundheitssystem nach und nach Anerkennung finden, weitet sich unser Blick auf Energie und darauf, was sie uns über unser Bewusstsein und die Wirklichkeit verraten kann. Auf eines der besten Beispiele für das aufschlussreiche Potenzial der Energie stoßen wir im Bereich der Schmerztherapie: das klinische Symptom der Phantomschmerzen, die nicht selten nach Amputationen auftreten.
Kapitän Ahab, der wohl berühmteste Amputierte in der amerikanischen Literatur, litt unter ebensolchen Phantomschmerzen. Obwohl ihm schon Jahre vor der eigentlichen Romanhandlung das Bein vom großen Weißen Wal Moby-Dick abgebissen wurde, hat Ahab immer noch Empfindungen, die von seiner alten Gliedmaße ausgehen. Seine Schmerzen sind nicht so stark, dass sie ihn behindern, und wenn er in den Genuss einiger neuerer energiemedizinischer Behandlungsansätze kommen könnte, hätte er vielleicht gar keine Beschwerden.
Phantomschmerzen verdeutlichen exzellent die Bedeutung feinster Energien für unsere Gesamtgesundheit und veranschaulichen, wie sich ein Energieungleichgewicht auf das Gehirn auswirkt. Außerdem trennt uns nur noch ein einziger technischer Durchbruch von dem endgültigen Beweis, dass Menschen in erster Linie Energiewesen und erst in zweiter Linie biologische Wesen sind. Wenn es so weit ist, muss unser gesamter Blick auf die Welt komplett auf den Kopf gestellt werden.
Zur Verdeutlichung dieser Punkte sollten wir zuerst die Eigenschaften chronischer Schmerzen im Allgemeinen betrachten und uns anschließend auf den Phantomschmerz konzentrieren – worum handelt es sich dabei, wie kann man ihn behandeln und was kann uns sein Energiemuster über das Leben an sich verraten?
Chronische Schmerzen
Über 50 Millionen erwachsene Amerikaner leiden unter chronischen Schmerzen, also unter jeglicher Art beeinträchtigendem Schmerz, der trotz Behandlung mehr als sechs Monate andauert. Die jährlichen Kosten dieses Krankheitsbildes betragen mittlerweile 500 Milliarden Dollar, verursacht durch die Belastung des Gesundheitssystems und die negativen Auswirkungen auf die Arbeitskraft der Betroffenen – und aufgrund der anhaltenden und mit diesem Phänomen überlappenden Opioid-Epidemie in den letzten Jahren steigt diese Summe noch weiter an. Man muss sich eingestehen: Amerika verliert den „Krieg gegen den Schmerz“, weil das Problem vollkommen falsch angegangen wird.
Würden wir all unsere „Feinde“ – Schmerz, Krebs, Armut, Terror – nicht als Widersacher, sondern als Symptome ansehen, könnten wir zu den ihnen zugrunde liegenden Ursachen vordringen, indem wir ihre Botschaften ernst nehmen, anstatt die Alarmsignale einfach mit Schmerzmitteln und Nervenblockaden zum Schweigen zu bringen.
Schmerz ist ein wichtiger Warnhinweis, der uns über Ungleichgewichte im System informiert. Dennoch versuchen Schmerztherapeuten immer wieder, diese Informationen in ein Modell zu pressen, das so nicht mehr funktioniert.
Ein Beispiel: MRT-Anomalien korrelieren nicht mit dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Schmerz. Gerade einmal 36 Prozent der schmerzfreien Probanden einer Studie von Jensen und Brant-Zawadzki aus dem Jahr 1994 zeigten bei einem MRT-Scan des unteren Rückenbereichs keine Auffälligkeiten.1 Auch Hiroaki Nakashima stellte 2015 im Rahmen einer weiteren Studie bei über 85 Prozent seiner Probanden ohne Nackenschmerzen eine Bandscheibenvorwölbung fest.2 Wie diese unterschiedlichen Studien zeigen, gibt es im Grunde keinen Zusammenhang zwischen Schmerzintensität und strukturellen Anomalien – ein weiterer Beweis dafür, dass Descartes sich mit seiner Annahme irrte, Schmerzen seien die direkte Folge von peripheren Schäden. Stattdessen scheint vielmehr die Gate-Control-Theorie zuzutreffen, die den Fokus auf die Interpretation durch das Gehirn legt. Wenn wir Schmerzsignale mit Respekt behandeln und korrekt deuten, können wir große Veränderungen und tiefgehende Heilungsprozesse ermöglichen.
Phantomschmerz
Eine der behandlungsresistentesten Arten chronischer Schmerzen tritt bei über 30 Prozent aller Amputationspatienten auf: der Phantomschmerz. Die Betroffenen leiden unter teils starken Schmerzen, die von ihren fehlenden Gliedmaßen auszugehen scheinen, obwohl sie sich des Fehlens des jeweiligen Körperteils vollkommen bewusst sind. Der Schmerz wird als brennend, stechend, drehend, elektrisch oder ätzend empfunden, so wie es bereits der französische Militärchirurg Ambroise Paré 1545 in einer Abhandlung über die Behandlung von Schusswunden durch Arkebusen und andere Feuerwaffen beschrieb – Verletzungen, die wir in meiner Zeit am Spaulding Rehabilitation Hospital in Boston zugegebenermaßen nicht behandelt haben.
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