Burnout als Initiation: Wie wir die Energiekrise weise nutzen

energieVon Holz zu Öl, von Öl zu Sonne, von Sonne zu Nullpunktenergie – wir werden immer wieder vor denselben Problemen stehen, wenn wir nicht etwas ändern. Grundlegend. Charles Eisenstein sagt, was.

Hingabe rundet den Zyklus von Geben und Empfangen ab. Mittels menschlicher Kreativität werden die Energien der Natur zu ihrem Ursprung zurückgeleitet. Wenn dieser Aspekt außer Betracht bleibt, können Energietechnologien niemals harmlos sein. Sie werden vielmehr ein Ungleichgewicht schaffen. In Maßen genutzt, werden sie zwar kaum Schaden anrichten, doch im Überfluss eingesetzt, werden sie sich alle als zerstörerisch erweisen. Ein paar verstreute Windturbinen an idealen Standorten sind harmlos, doch wie beeinflussen sie die Wettermuster, die Vogelwanderung und vieles mehr, wenn sie in großer Zahl ganze Landstriche prägen? Einmal sprach ich mit einem Angehörigen eines indigenen Volkes, der mich vor den Konsequenzen warnte, mit denen wir rechnen müssten, wenn wir „den Wind stehlen“. Er konnte nicht genau vorhersagen, was geschehen würde, doch er wusste, dass unsere Herangehensweise nichts Gutes verhieß.

Kürzlich hörte ich von einer neuen geothermalen Technologie, bei der die Erdkruste angezapft wird, um Elektrizität zu erzeugen.3 Mithilfe präzise fokussierter Millimeterwellen bohrt man bis 20 Kilometer tief in die Erde hinein, wo eine Temperatur von 500 Grad herrscht. Das in das Bohrloch eingeleitete Wasser kommt als überkritischer Wasserdampf zurück, der Turbinen antreiben kann. Für diese Technologie kann man die bereits bestehende Infrastruktur nutzen (und konvertierte Ölbohrfelder weiterbetreiben) und auch das bisher in Öl- und Gas­anlagen tätige Personal einsetzen. Das generierbare Energiepotenzial scheint unerschöpflich. Mit dem Hitzereservoir des Erdinneren könnte man den Energiebedarf der Zivilisation für Milliarden von Jahren decken.

Doch schon Stanley Jevons erkannte seinerzeit im 19. Jahrhundert, dass unser Energieverbrauch mit der zur Verfügung stehenden Menge wächst. Wenn wir es an Hingabe mangeln lassen, werden wir mit jeder neuen Energiequelle verschwenderisch umgehen und sie bis an ihre Grenzen ausbeuten. Wer kann schon wissen, welche Auswirkungen es auf den Vulkanismus, die Plattentektonik, den Geomagnetismus und andere Prozesse haben wird, wenn wir ohne jede Einschränkung „die Hitze der Erde stehlen“?

Wenn ich sehe, wie wir heute mit Elektrizität und Kraftstoffen umgehen, bin ich mir nicht sicher, ob es gut wäre, deren Verfügbarkeit noch mehr auszuweiten. Brauchen wir wirklich noch mehr elektronische Geräte, Plastikartikel, größere Häuser, Straßen, Flugzeuge, Maschinen aller Art und Technologien für jeden Aspekt unseres Lebens? Welche positive Vision für die Zukunft der Menschheit verlangt eine Steigerung der Energieerzeugung? Ist es unser Ziel, den nordamerikanischen Lebensstil in die ganze Welt zu tragen? Angesichts der Begleiterscheinungen dieses Lebensstils (Süchte, Depressionen, chronische Krankheiten, häusliche Gewalt, geistlose Routinen, zwanghaftes Konsumverhalten etc.) sollten wir die Annahme hinterfragen, dass ein höherer Energieverbrauch pro Kopf auch zu größerem Wohlergehen führt.

Noch erschreckender sind die sogenannten „freien Energien“, die aus dem Nullpunktfeld gezogen werden. Sind solche Energien wirklich frei? Welche Unausgewogenheiten könnten im Gewebe des Kosmos entstehen, wenn wir dieses Feld zu stark beanspruchen? Oder besser gesagt: Wenn wir jetzt sofort Zugang zu unerschöpflicher Energie bekämen, würden wir sie dann weise verwenden? Wir dürfen nicht vergessen, dass wir den letzten großen Sprung in der Energietechnologie zuallererst nutzten, um eine Bombe zu bauen.

Auf freier Energie beruhende Geräte liegen derzeit noch außerhalb unserer Konsensrealität, und das ist ein Glück. Ich glaube, wir sind noch nicht reif genug, um sie verantwortungsbewusst einzusetzen.

Jede Art von Energiequelle entspricht einem bestimmten Bewusstseinszustand und einer bestimmten Phase der Zivilisation. Die fossilen Brennstoffe basieren auf dem Prinzip der Expansion. Durch Verbrennung kommt es zu kleinen Explosionen, die die umgebende Luft ausdehnen und zur Gas- oder Dampfbildung führen. Dieses Expansionsbewusstsein war einer Phase angemessen, in der die Zivilisation wuchs. Es symbolisiert aber auch eine Ablösung von der Natur. Im Gegensatz zur Verwendung von Holz oder der Stärke von Tieren lag die Energiequelle jetzt außerhalb der belebten Welt. Das passt genau zu einer Mentalität, bei der der Mensch die Natur von außen kon­trolliert. Die Ausschöpfung der Ressourcen geht Hand in Hand mit der Erschöpfung dieser Zivilisationsweise und generell dieser menschlichen Lebensart. Doch wir haben diese Phase noch nicht ganz abgeschlossen und versuchen derzeit, sie durch den Einsatz von Sonnen- und Windkraft oder Biokraftstoffen zu verlängern. Diese Technologien leisten das Gleiche wie die fossilen Brennstoffe, nur auf deutlich schlechtere Weise.

Um das wahre Potenzial dieser und anderer neuer Technologien zu entfalten, bräuchten wir Durchbrüche, die mit einer Geistes­haltung der Getrenntheit niemals erreicht werden können. Wir werden die gewaltigen Energiequellen, die wir mit ihnen anzapfen könnten, erst erschließen, wenn unsere Zivilisation und unsere Denkweise in eine neue Phase eingetreten sind.

Die fortgesetzte Nutzung fossiler Brennstoffe scheint in zweierlei Hinsicht an ihre Grenzen zu stoßen. Die beiden Gründe scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. Der erste Grund liegt in der begrenzten Verfügbarkeit leicht zugänglicher Vorkommen. Der zweite Grund betrifft die ökologischen Grenzen. Beide dürften jedoch auf eine ganz andere, bisher ignorierte Art von Grenze zurückzuführen zu sein: die Grenze, die einer hingebungsvollen Geisteshaltung immanent ist. Wenn wir uns verantwortungsbewusst die Frage stellen, ob eine bestimmte Energie­nutzung wirklich dem Leben und der Schönheit dient, dann wird die Antwort oftmals lauten: Nein.

Die Tatsache, dass wir an ökologische und Nachschubsgrenzen stoßen, zeigt uns, dass unser Nehmen weit über unser Geben hinaus aufgebläht worden ist. Das ist ein entscheidender Punkt – falls Sie das überrascht, halten Sie bitte kurz inne und denken Sie über das nach, was ich geschrieben habe. Dass wir in Sachen Versorgung und Ökologie an unsere Grenzen gelangen, bedeutetnicht,dass wirwenigerEnergie verbrauchen sollen. Es bedeutet, dass wir Energie anders verwenden sollen. (Und wenn wir Energie anders verwenden, werden wir auch weniger verbrauchen.) Erst durch eine von Hingabe getragene Energienutzung werden wir Geben und Nehmen wieder ins Gleichgewicht bringen.

Wenn uns das gelingt, haben wir die Initiationsprüfung bestanden und es werden sich uns neue Energiequellen erschließen. Bis dahin kann uns keine Erfindung retten. Die Doppelkrise aus Energieknappheit und ökologischem Kollaps macht unsere Lage immer ungemütlicher und wir müssen uns dringend fragen: Wer wollen wir eigentlich sein? Das Universum in seiner Großzügigkeit wird nicht zögern, unseren Zustand so auf die Spitze zu treiben, dass wir die Augen nicht länger verschließen können.

Vieles von dem, was ich hier ausgeführt habe, gilt auch für unsere persönliche Energiebilanz. So manch einer von uns lebt heute am Limit. Ein Symptom namens Burnout hält uns den Spiegel vor und läuft synchron mit der Erschöpfung der fossilen Brennstoffe. Ein Burnout lässt sich aber nicht kurieren, indem man mehr Kaffee in sich hineinschüttet, mehr isst oder bessere Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt, und auch nicht, indem man immer so weiter macht wie bisher und nur ein klein wenig kürzer tritt. Entsprechend lässt sich auch die Problematik mit den fossilen Brennstoffen nicht lösen, wenn wir durch Fracking noch mehr Öl aus dem Boden ziehen, unsere Energieversorgung durch „erneuerbare“ Energien ergänzen oder Energie sparen (Energieerhaltung), solange wir die Energie grundsätzlich genauso nutzen wie zuvor. Ein Burn­out signalisiert uns, dass es an der Zeit ist, unsere Energie anderen Zielen zuzuwenden. Das heißt nicht, dass unsere alten Ziele falsch waren, sondern nur, dass eine Änderung angesagt ist.

An dieser Stelle wollte ich meinen Aufsatz eigentlich beenden, doch dann sah ich, wie sich das Wasser am Strand kräuselte und fast wie Glas wirkte, als es sich über den glatten Sand ergoss. Mein Sohn Cary vergnügte sich mit diesen Wellen. Das Kräuseln entrückte mich in die Zeitlosigkeit. Was motiviert eigentlich diese Hingabe, von der ich sprach, diesen Dienst zum Wohle von Leben und Schönheit? Liebe, könnten Sie sagen. Doch woher kommt diese Liebe? Auch Hingabe braucht Nahrung, und diese finden wir in der Kontemplation über das Wunder, die Schönheit, das Mysterium und die Großartigkeit der Schöpfung. Fehlt es daran, kann Hingabe leicht zu einer Pantomime oder zu bloßer Pflichterfüllung verkommen. In diesen Augenblicken, als das Wasser meine Zehen umspülte, konnte ich alle Gedanken an Produktivität hinter mir lassen. Ich fragte mich nur, wie ich etwas für die überwältigende Schönheit zurückgeben könnte, die mich umgab. Ich war ganz und gar empfänglich. Meine empfangsbereite Aufmerksamkeit war alleine schon ein Geschenk an das Objekt meiner Betrachtung.

Über die Schönheit der Schöpfung zu kontemplieren, ist die nützlichste Beschäftigung, der wir im Moment nachgehen können. Das kann sinnvolles Handeln zwar nicht ersetzen, aber inspirieren. Wenn wir von dankbarer Ehrfurcht erfüllt sind, befruchten wir damit all unser Tun. Wir sehnen uns danach, der Großartigkeit, der Lebendigkeit und der Schönheit, die wir so überschwänglich bewundern können, etwas hinzuzufügen. Den Gedanken, all das zu vermindern, können wir nicht ertragen. Das ist die Quelle der Hingabe – und die Lösung für unsere Energiekrise.

Endnoten

  1. Wenn wir natürliche Ökosysteme durch Biotreibstoff-Felder ersetzen, verschlimmern wir die Instabilität des Klimas noch weiter, denn gesunde Ökosysteme regulieren die Wasserzyklen und kühlen die Erde.
  2. Eine solche Gesinnung findet man bei Revolutionären. Alle Traditionen sind Hindernisse auf dem Weg zu einer neuen Gesellschaft und müssen allesamt in den Abfalleimer der Geschichte gekehrt werden.
  3. Siehe Quaise.energy

Kommentar schreiben

Folgende Art von Kommentaren sind unerwünscht und werden von uns entfernt:

  • (Schleich-)Werbung jedweder Art
  • Kommentare die nichts zum Thema beitragen
  • Kommentare die der deutschen Sprache nicht gerecht werden
  • Geplänkel mit anderen Kommentarschreibern
  • Kontaktanfragen an die Redaktion (benutzen Sie hierfür bitte das Kontaktformular)

Bitte beachten Sie unsere Datenschutzhinweise