Die hohe Kunst der Plünderung

Wie einl ußreiche britische, europäische und US-amerikanische Familien und Konzerne, die mit Hitler vor dem Krieg Handel trieben, auch vom Fall Berlins profitieren und die Schätze der Nazis nicht den alliierten Regierungen in die Hände fallen lassen wollten.

Der Plan, der als „Operation Comet“ bekannt wurde, wurde von Eisenhower abgewiesen. Dagegen aber begehrte Montgomery auf, und so einigte man sich am 10. September 1944 schließlich auf eine überarbeitete Version des Plans, die den Namen „Operation Market Garden“ erhielt und an der bedeutend mehr Truppen beteiligt werden sollten als an der ursprünglichen „Operation Comet“. Die Brücke von Arnheim war die letzte Brücke, die von der britischen Luftwaffe eingenommen und bis zum Eintreffen der Panzertruppen gehalten werden mußte.

Zufällig ließ Feldmarschall Model die stark angeschlagene, aber erfahrene Zweite SS-Panzerdivision unter SS-Obergruppenführer Bittrich am 4. September in der Gegend von Arnheim ein Lager aufschlagen, damit die Soldaten sich ausruhen und erholen konnten. Bittrich gab später an, es habe „keinen besonderen Grund dafür gegeben, daß Model sich ausgerechnet die Gegend von Arnheim aussuchte – außer dem, daß es eine friedliche Gegend ohne besondere Vorkommnisse war“.21

Wenn man heute zurückblickt und sich vor Augen hält, daß Bormann neun Monate brauchte, um sein Kapitalfluchtprogramm abschließen zu können, fragt man sich, ob Models Entscheidung nicht doch auch von anderen, tiefgründigeren Faktoren beeinflußt worden war. War etwa Verrat im Spiel?

Die Bruderschaft

Tatsache ist, daß Prinz Bernhard von den Niederlanden von Königin Wilhelmina zum Oberbefehlshaber der niederländischen Truppen ernannt worden war. Während der Wochen nach dem „D-Day“ stand Prinz Bernhard in engem Kontakt zu seinen Ministern, dem US-Sonderbotschafter William Bullitt, Anthony Biddle sowie General Bedell Smith.22 Dieser enge Kontakt war kaum Zufall. Wie wir noch sehen werden, sollte Bormanns „Bruderschaft“ nichts dem Zufall überlassen.23

Thomas Bradish Biddle – ein Vorfahre Anthony Biddles – wurde 1839 als eines der ersten Mitglieder in den 1833 gegründeten Skull&Bones-Orden aufgenommen. Anthony Biddle, dessen voller Name Anthony Joseph Drexel Biddle junior lautete, war selbst kein Mitglied des Ordens. Dennoch war er kein Unschuldslamm.

Während der ersten Monate nach Kriegsbeginn war Biddle als stellvertretender US-Botschafter in Paris. Hier freundete er sich mit dem Herzog und der Herzogin von Windsor an, die beide die Nazis unterstützten und die eine ganze Weile bei Baron Eugene de Rothschild logierten.

Biddles bester Freund in Paris aber war der Botschafter William Bullitt. Auch Bullitt befürwortete die Ansichten Hitlers. Er war es auch, der den amerikanischen Millionär Charles Bedaux den Windsors vorstellte.

Bedaux war ein enger Freund von Hermann Schmitz von der IG Farben und war gerade zum Leiter des Bereichs Handelsaktivitäten bei diesem Unternehmen ernannt worden. Er traf mit den Windsors nicht zufällig zusammen, sondern war von niemand Geringerem als SS-Führer Heinrich Himmler angewiesen worden, diese dazu zu bringen, Hilfestellung bei der Durchsetzung geheimer Pläne zu leisten, die ein Friedensabkommen mit England vorsahen.

Bei einem geheimen Treffen im Hôtel Meurice in Paris, bei dem Bedaux, Rudolf Heß, Martin Bormann sowie der Hollywoodschauspieler und Nazisympathisant Errol Flynn anwesend waren, versprach der Herzog von Windsor, Heß zu helfen und sich an den Herzog von Hamilton zu wenden – was „1941 letztlich zu Heß’ dramatischer Landung auf dem Anwesen von Hamilton führte“.24

Auch Prinz Bernhard von den Niederlanden hat eine Nazi-Vergangenheit. In Deutschland geboren als Prinz Bernhard zur Lippe-Biesterfeld, trat er Anfang der 1930er der Nazipartei bei und trug ab 1933 den SS-Rock. Ab 1935 war er für die Geheimdienstabteilung NW7 der IG Farben tätig. Es heißt, daß seine Ehe mit Prinzessin Juliana, der Tochter der niederländischen Königin Wilhelmina, von Gerhard Fritze arrangiert worden sei, dem Direktor der IG Farben und Verwandten des NW7-Oberhaupts Max Ilgner.25

Bei der Hochzeit der beiden im Januar 1937 stimmten die engsten Freunde des Prinzen das beliebte Horst-Wessel-Lied an, die Hymne der Nazis. Kurz nach der Eheschließung reiste der adelige Prinz nach Berlin, um Hitler privat zu treffen, der öffentlich bekanntgab, die Hochzeit repräsentiere ein Bündnis zwischen den beiden Nationen – eine Vorstellung, die Königin Wilhelmina entschieden zurückwies.

Bezeichnender noch ist die Tatsache, daß Prinz Bernhard, der nach Ausbruch des Krieges nach England ging und sich dort um einen Posten im Geheimdienst bewarb, vom britischen Marineamt wegen Mißtrauens abgelehnt wurde. Auch General Eisenhower, der Oberbefehlshaber der Alliierten, traute ihm nicht und verweigerte ihm die Einsicht in brisante Geheimdienstinformationen. Durch die Intervention von König George VI. jedoch wurde Prinz Bernhard schließlich in den Kriegsrat aufgenommen. Hoppla!

Um schneller voranzukommen und die ganz besondere Beziehung zwischen Prinz Bernhard und General Walter Bedell Smith – der zweifelsfrei uneingeschränkten Zugang zu den Geheimdienstunterlagen General Eisenhowers hatte – zu verstehen, müssen wir kurz in die Zukunft reisen. Nach dem Zweiten Weltkrieg soll Prinz Bernhard aus dem Schmuggel mit Kunstwerken, die während des Kriegs gestohlen worden waren, nicht wenig Profit geschlagen haben. Laut Ton Biesemaat, der diesen Kunsthändlerring in seinem Exposé mit dem Titel „The Corregio Mystery“26 [Das Rätsel von Corregio] beschreibt, soll Gerben Sonderman, den Prinz Bernhard als den „besten Freund, den ich je hatte“ beschrieb (hatte er Adolf etwa schon vergessen?), als persönlicher Pilot des Prinzen gestohlene Kunstwerke für diesen transportiert haben.

1941 baute Sonderman, ein niederländischer Fokker-Pilot, Kontakte zu Deutschen auf, die am Raub niederländischer Kunstwerke beteiligt waren. Auch pflegte er enge Bande zu Alois Miedl, einem „Bankier, Spion und Kunstschmuggler“, der sich gelegentlich auch in SS-Uniform zeigte.27 Nach dem Krieg arbeitete Miedl für die ODESSA, das SS-Fluchtnetzwerk, das Nazi-Kriegsverbrecher nach Südamerika in Sicherheit brachte – insbesondere nach Argentinien, wohin auch Bormann geflohen sein soll. Dieses Land war nach dem Krieg auch ein beliebtes Reiseziel Prinz Bernhards, und für gewöhnlich begleitete ihn sein Busenfreund Gerben Sonderman.

Ein weiterer Mann, der dem Kunstschmugglerring angehörte, war der ungarische Adlige Prinz Alfred zur Lippe-Weißenfeld, ein Verwandter Prinz Bernhards. Noch ein bemerkenswerter Zufall ist, daß Prinz Alfreds Tochter mit Baron Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza de Kászon verheiratet war, dem Sohn von Fritz Thyssens Bruder sowie Erben des Familienvermögens der Thyssens.

Wie wir bereits erfahren haben, stand Walter Bedell Smith während des Zeitraums, in dem Montgomery seinen ersten Plan zur Einnahme der niederländischen Brücken und dem Vorstoß nach Berlin via dem Ruhrgebiet schmiedete, in engem Kontakt zu dem Prinzen. Wie eng diese Freundschaft war, wird daran deutlich, daß Bedell Smith und Prinz Bernhard nach dem Krieg gemeinsam ein Geschäft aufbauten. Man könnte es als ein „Import-Export-Unternehmen“ beschreiben, weil es einen Kunsthandel namens Bernhard Ltd. miteinschloß, der Militärflugzeuge für die Strecke zwischen Soesterberg – unweit von Prinz Bernhards Palast Soestdijk – und den USA einsetzte.

Im August 1945 stellte Bedell Smith Reinhard Gehlen, einem Führungsoffizier im Geheimdienst der Nazis, und fünf seiner engsten Mitarbeiter seine Privatmaschine für einen Flug nach Washington DC zur Verfügung. Dies stellte einen Verstoß gegen die herrschende US-Politik dar, und laut Autor Charles Higham hätte dies für Bedell Smith vor dem Krieggericht enden können.28

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