Die Welt - eine Computersimulation?

Digit Bew IconLeben wir in einer virtuellen Wirklichkeit? Tatsächlich häufen sich in der Philosophie und den Naturwissenschaften Indizien für diese Annahme: Die Realität scheint sowohl digitaler Natur zu sein als auch von unserem Bewusstsein generiert zu werden.

Die zweite Möglichkeit dürfte auszuschließen sein, wenn man bedenkt, dass wir Menschen keine Technik unerforscht lassen – ungeachtet ihres Risikos (vgl. z. B. Kern-, Nano- oder Klontechnik). Obendrein scheinen sich die mit Simulationstechnologie verbundenen Risiken auch in Grenzen zu halten – warum sollte man sich also dagegen entscheiden, diese technischen Möglichkeiten zu erkunden? Ganz im Gegenteil führt das Vergnügen, das simulierte Fantasiewelten bereiten können, zur Schaffung immer ausgefeilterer Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiele (MMORPGs); außerdem erleben die Technologien zur virtuellen Realität derzeit durch das Aufkommen einer neuen Generation von Datenhelmen ihre zweite Blütezeit.

Materie als Daten

Es war Demokrit, der im alten Griechenland die Idee in Umlauf brachte, dass Körper aus Atomen eines bestimmten Elements bzw. Materials zusammengesetzt sein müssten. Man stellte sich diese Atome als winzige, unteilbare Objekte vor, vergleichbar mit kleinen Billardkugeln, die aus einer bestimmten Art von „Stoff“ bestehen. Sie liegen entweder dicht beieinander – nämlich im Falle fester Körper – oder sind durch eine Leere (Raum) voneinander getrennt. Durchdenkt man diesen Ansatz, ergibt sich bezüglich der räumlichen Struktur folgendes Bild: Wenn die kugelförmig gedachten Atome maximal dicht beieinander liegen, dann füllt die Materie im Prinzip 74 Prozent des Raumes aus, in dem sie sich befindet – der restliche Raum bleibt leer. Hält man also beispielsweise einen Barren Gold in der Hand, so macht der Gold-„Stoff“ in Wirklichkeit nur maximal 74 Prozent seines Volumens aus.

Datenhelm

Abb. 2: Mittendrin statt nur dabei: Neueste Datenhelme machen virtuelle Welten plastisch erlebbar.

Diese Modellvorstellung von der Materie wurde im frühen 19. Jahrhundert von John Dalton wiederbelebt und nach der Entdeckung der Elektronen durch J. J. Thomson entsprechend erweitert. Zu jener Zeit stellte man sich die Atome wie eine Art Plumpudding vor, wobei die Elektronen im Protonenpudding eingebettet wären. Doch die Dichte des „Stoffes“ änderte sich damit noch nicht. Das geschah erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Ernest Rutherford herausfand, dass Atome in Wirklichkeit aus einem verdichteten Kern und einer Elektronenhülle bestehen. Weitere Experimente ergaben, dass all diese subatomaren Partikel (Protonen, Elektronen und später auch die Neutronen) im Vergleich zum Gesamtumfang eines Atoms äußerst winzig sind – oder anders gesagt, dass das Atom zum allergrößten Teil aus leerem Raum besteht. Dieses Atommodell sowie die Erkenntnis, dass die Atome auch in festen Körpern einen gewissen Abstand voneinander haben müssen, bewirkten eine vollständige Veränderung unserer Vorstellung von der Dichte der Materie. Unser Goldbarren besteht jetzt nur noch zu einem Billiardstel (10–15) aus „Stoff“.

Aber auch diese Einschätzung änderte sich, als etwa Mitte der 1960er die Quarktheorie entwickelt wurde. Sie besagt, dass jedes Proton und jedes Neutron wiederum aus jeweils drei Quarks besteht. Mittlerweile wird diese Theorie weitgehend akzeptiert. Die Größe der Quarks beträgt nach experimentellen Schätzungen nur etwa ein Tausendstel bis ein Millionstel der Größe der subatomaren Partikel, die von ihnen gebildet werden. Somit ist die Materie um den Faktor 109 bis 1018 geringer als bis dahin angenommen. Von unserem Goldbarren bleibt also lediglich etwa ein 1030stel übrig (ein Quintillionstel plus / minus ein paar Größenordnungen), das wirklich aus „Stoff“ besteht, während der Rest leerer Raum ist. Zum Vergleich: Die Zahl an Sandkörnern, die man bräuchte, um eine Kugel von der Größe der Erde zu formen, beträgt 1032. Also entspricht die Dichte der Materie in etwa dem Verhältnis eines Sandkorns zum Erdvolumen.

Die moderne Stringtheorie wiederum besagt, dass die subatomaren Partikel eigentlich Stückchen sogenannterStringssind, die mit bestimmten Frequenzen schwingen. Die Ausdehnung jedes Strings entspricht dabei der Planck-Länge. Das würde bedeuten, dass subatomare Partikel mit Ausnahme eines 1038stels aus leerem Raum bestehen und in unserem Goldbarren nur noch einer von 1052 Anteilen „Stoff“ enthält.

Langsam wird es absurd, oder? An diesem Punkt ahnt wahrscheinlich schon mancher, worauf es hinausläuft.

Wenn nun also alle Partikel aus Strings zusammengesetzt sind, darf man die Frage stellen, wozu man die Vorstellung eines „Stoffes“ überhaupt noch braucht. Würde es nicht genügen, die verschiedenen Arten der Materie über einzelne Zahlen zu definieren – nämlich über die Frequenz, mit der ein String jeweils schwingt?

Materie

Abb. 3: Erforschungsprozess der theoretischen Materiedichte

Was ist Materie überhaupt? Offenbar ist jedem Objekt eine Zahl zugeordnet, die etwas darüber aussagt, wie es sich im Gravitationsfeld verhält. Mit anderen Worten: Materie ist nichts weiter als Information.

Wir nehmen Materie nicht direkt wahr, sondern lediglich eine elektromagnetische Strahlung, die durch ein Objekt, das wir „materiell“ nennen, beeinflusst wird (visuelle Wahrnehmung). Was wir „Tastsinn“ nennen, ist die Wirkung der elektromagnetischen Kraft infolge der Abstoßung zwischen den Ladungen der Elektronenhüllen der Atome in unseren Fingern und im Objekt.

Anders gesagt: Wir erfahren Gesetzmäßigkeiten.

Wenn man den Forschungsprozess bezüglich der theoretischen Dichte der Materie zugrunde legt (siehe Abb. 2), lässt sich folgendes annehmen: Das Verhältnis zwischen tatsächlichem „Stoff“ und dem Raum, den er benötigt, tendiert mit zunehmendem Wissen gegen Null. Dies legt nahe, dass Materie aller Wahrscheinlichkeit nach einfach eine Menge von Daten ist. Die Kräfte, durch die wir Materie auf die uns bekannte Weise erfahren, wären dann einfach die Regeln, nach denen die Daten miteinander interagieren. Auffällig ist außerdem, dass die Gleichungen zur Beschreibung der Thermodynamik und der Informationsentropie die gleiche Form aufweisen. Auch dieser Umstand erhärtet den Verdacht, dass es sich bei Materie bzw. Energie um Information handelt.

Gleichungen erschaffen Realität

Mathematische Gleichungen sind nach unserem gewöhnlichen Verständnis ein Werkzeug, mit dem wir die Vorgänge, die wir in der natürlichen Welt beobachten, empirisch beschreiben können. Gibt es vielleicht auch Hinweise darauf, dass unsere Welt das Produkt von Gleichungen bzw. Algorithmen ist? Dazu sei hier nur eines von vielen Beispielen angeführt. Es wurde gezeigt, dass sich die Lösungen der Maxwell’schen Gleichungen für negative Frequenzen in Form von Lichtkomponenten äußern.5 Wenn unsere Realität wirklich das wäre, wofür wir sie halten, dann sollten die Lösungen von Gleichungen nur im Rahmen der Beschreibung der Realität Sinn ergeben. Doch in einigen Fällen verhält es sich offenbar umgekehrt: Daten und Gesetzmäßigkeiten leiten sich dann nicht aus der Realität ab, sondern erschaffen diese.

Die Quantenmechanik und die Ähnlichkeit unserer Realität mit rechnergestützten Systementwürfen

Es wären unendlich viele Ressourcen nötig, um eine kontinuierliche Realität zu erschaffen; für eine gequantelte Wirklichkeit hingegen nur eine endliche Menge. Die Berechnungsmechanismen eines Digitalcomputers unterscheiden sich prinzipiell nicht von einer diskreten Interpretation der Quantenmechanik: Bei beiden gibt es eine Reihe von Zuständen und nichts existiert oder geschieht außerhalb dieser Zustände. Die Auflösung innerhalb eines Programms ist analog zur räumlichen Rasterung unserer Realität; lediglich die Größenordnung ist eine andere.

Viele Forscher haben außerdem darauf hingewiesen, dass das Simulationsmodell das philosophische Problem des „ersten Bewegers“, also der treibenden Kraft, lösen würde. Während die Urknalltheorie die Entstehung des Universums aus dem Nichts nahelegt – eine Vorstellung, die in der objektiven Realität jeder Grundlage entbehrt –, könnte eine virtuelle Realität problemlos in einer externen Umgebung gestartet und „hochgefahren“ werden.

Kommentare

18. Februar 2016, 13:26 Uhr, permalink

Buntes Papier

Als Informatiker kenne ich natürlich diese Überlegungen, die als Modellüberlegung sehr wichtig sind und tatsächlich ernst genommen werden müssen. Dennoch wehre ich mich mit Händen und Füßen dagegen, daß diese Modellüberlegung besonders viel mit unserem realen Leben zu tun haben soll. Mit einem Gedankenmodell oder einem mathematischen Modell können wir uns behelfen, Strukturen und Zusammenhänge die wir in unserer Erfahrungswelt wahrnehmen, besser zu verstehen. Die Realität kann dennoch ganz anders aussehen.

Als Informatiker ist es mir theoretisch möglich, ein so komplexes Computerprogramm zu schreiben, daß man meinen könnte, dieses Programm sei intelligent und bewußt. Das Programm selbst könnte dabei tatsächlich auf die Idee kommen, daß es eine bewußte und komplexe Persönlichkeit repräsentiert.

Es ist sogar möglich, diesen Algorythmus so zu entwerfen, daß er einen irrationalen, also einen sich nie wiederholenden beliebig komplexen Programmablauf ermöglicht. Wir können theoretisch sogar einen Algorythmus entwickeln, der eine Kosmologie abbildet, die um ein vielfaches komplexer ist, als die Kosmologie, in der wir Menschen leben. Wir könnten sehr leicht auf die Idee kommen, daß dies eine echte kosmische Schöpfung darstellt.

Das kann menschliche Eitelkeiten ganz schön faszinieren, aber auch schwer deprimieren.

Solche Gedankengänge entstehen leicht, weil wir einerseits nicht vor den Anfang der kosmischen Schöpfung blicken können und andererseits nicht über das "Ende" des Kosmos hinausschauen können. Das verursacht zwei Brüche in allen Weltbildern die wir uns immer wieder neu zusammenzimmern.

Ich kann mir die Unendlichkeit sehr gut vorstellen. Aber das was vor dem Anfang war und das was nach dem Ende sein wird, das kann ich mir derzeit überhaupt nicht vorstellen.

In einer modellhaften Abstraktion des Lebens kann ich mir also vorstellen, daß wir eine Simulation sind.
Dies steht im Einklang einer elitären philosophischen Ströung, die eine dehumanisierung der Menschheit vertritt.
Wir können dies auch als eine satanische Strömung bezeichnen, weil sie meiner Meinung nach der gesunden und aufbauenden Entwicklung des Menschen großen Schaden zufügen kann.

Ein nicht definierbares Gefühl sagt mir, daß unser Leben etwas völlig anderes ist.
Auch wenn ich nicht weiß, was Leben ist.
Und was fangen wir nun damit an?

Lasst uns gemeinsam lebend das Leben immer wieder neu entdecken!

11. März 2016, 17:48 Uhr, permalink

Gerechtigkeit

Sehr gut kommentiert!!

06. April 2016, 12:21 Uhr, permalink

Thomas Kirschner

@Buntes Papier:
Ich kann deine Bedenken bez. potentieller satanistischer Strömungen im sog. Transhumanistischen Bewegung gut nachvollziehen. Aber wir sollten deshalb nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wie Frank Tipler schon vor langer Zeit in seinem noch immer sehr, sehr lesenswerten Buch "Die Physik der Unsterblichkeit" darlegt, dürfte eine überlegene Intelligenz sehr bald entdecken, dass altruistisches Verfahren schon allein aus Gründen der Spieltheorie dauerhaft lohnender und daher "besser" ist, als eine unkooperative (und daher auch eine satanistische) Spielweise.
D.h. wahre Intelligenz wird letztlich immer zu Gott finden. Für mich besteht kein Widerspruch in der gleichzeitigen Annahme eines Gottes und der Hypothese, dass dieser Gott seine Schöpfungen in einem digitalen Universum verwirklicht.

23. November 2017, 12:33 Uhr, permalink

Martin

Ein hervorragender Artikel und zu 99% das, woran ich mittlerweile glaube. Der Beweis fällt schwer, vielleicht ist er sogar unmöglich. Denn wenn die Simulation absolut perfekt ist, kann sie nicht als Simulation enttarnt werden.

Meine Theorie ist, dass diese "Software", aus der alles besteht, die alle Realitäten simuliert, sogar das große Ganze ist - etwa, das schon immer da war und immer da sein wird. Wenn es überhaupt Zeit gibt, was ich nicht glaube - in meinen Augen ist Zeit ein Hilfskonstrukt, das uns dabei hilft, die Dinge einzuordnen und das unabdingbar für unser Bewusstsein ist, damit es innerhalb der Simulation funktionieren kann.

Somit folgere ich, dass alles, was existiert, ein Teil des "Großen Ganzen" ist, kein Produkt dessen. Verkürzt gesprochen, sind wir alle ein Bestandteil dessen, was gerne mal als "Gott" bezeichnet wird.

Einige Überlegungen fand ich sehr gut, z.B. die des RLL. Es würde sogar ansatzweise den Sinn des "Lebens" erklären. Auch die Theorie, dass Dinge erst beim Beobachten detailliert ausgearbeitet werden und so zu der Gestalt finden, als die wir sie wahrnehmen und erforschen können, klingt für mich einigermaßen plausibel.

Nur eine einzige Frage habe ich noch: wer hat sich das alles ausgedacht? Und warum? Ich frage schon gar nicht, seit wann es das alles geben könnte, denn Zeit habe ich ja schon fast ausgeschlossen in meinen Überlegungen.

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