Maßgebliche Alzheimer-Studie aufgrund erwiesener Datenmanipulation zurückgezogen

alzheimerJahrelang wurden Milliarden von Dollar auf Grundlage der Theorie, dass Amyloid-Plaques die Haupt­ursache der Alzheimerkrankheit sind, in die Alzheimerforschung und die Entwicklung von Medikamenten gepumpt. Pharma­unternehmen entwickelten Behandlungsmethoden, die sich auf ebenjene Plaques konzentrierten, aber keine klinische Studie kam zu aussagekräftigen Ergebnissen – und neueste Erkenntnisse könnten erklären, woran das liegt.

Kürzlich wurde eine viel beachtete Alzheimerstudie, die über fast zwei Jahrzehnte hinweg die Forschung prägte, aufgrund manipulierter Bilder zurückgezogen. Ziel der Studie war es nachzuweisen, dass eine bestimmte Form des Beta-Amyloid-Proteins die Hauptursache für den Gedächtnisverlust ist. Die Bilder, mit denen die Existenz dieses Proteins „bewiesen“ werden sollte, wurden jedoch verfälscht – und nun steht die ganze Theorie auf äußerst wackligen Füßen.

Wenn das Beta-Amyloid nie existiert hat oder nicht der Auslöser für Alzheimer war, wie von Forschern lange vermutet, dann wurden Abermillionen an Forschungsgeldern fehlinvestiert, Patienten in die Irre geführt und Geld für wirkungslose Behandlungen verschleudert.

Das wirft unangenehme Fragen auf: Wenn sich schon diese weithin anerkannte Theorie auf gefälschte Nachweise stützt – wo könnten in diesem Forschungsfeld noch weitere unzuverlässige Datengrundlagen zu finden sein? Und wie viel Vertrauen können wir der Medizinforschung noch entgegenbringen, wenn ein derart wichtiger Teilbereich wie die Alzheimerforschung von Betrügereien betroffen ist?

Wie die Datenmanipulation entlarvt wurde

Im Juli 2022 brachte ein in Science veröffentlichter Bericht manipulierte Bilder der viel beachteten Studie „A specific amyloid-βprotein assembly in the brain impairs memory“ aus dem Jahr 2006 ans Tageslicht, die in der Fachzeitschrift Nature publiziert worden war. Diese Studie präsentierte das Protein Beta-Amyloid*-56 als Schlüsselfaktor für den mit der Erkrankung einhergehenden Gedächtnisverlust.

In der Studie unter Leitung des Neurowissenschaftlers Sylvain Lesné von der University of Minnesota wurde die These aufgestellt, dass Beta-Amyloid*-56 unmittelbar mit Gedächtnisstörungen bei Mäusen in Verbindung stehe – eine zur damaligen Zeit bahnbrechende Behauptung, da sie völlig neue mögliche Behandlungswege aufzeigte. Die beteiligten Forscher gingen davon aus, dass ein gezielter Eingriff in dieses Protein das Fortschreiten der Alzheimerkrankheit verlangsamen oder sogar aufhalten könnte.

Allerdings fand der Arzt und Neuro­wissenschaftler Matthew Schrag von der Vanderbilt University, der im Jahr 2021 mit seinen Nachforschungen begann, heraus, dass die in der Studie präsentierten Beweise offenbar manipuliert worden waren.

Wichtiges Bildmaterial der Western-Blot-Methode zur Identifizierung von Proteinen hatte man so dupliziert, verändert oder neu zusammengefügt, dass es Lesnés Hypothese entsprach. Und dies, so vermuten einige Experten mittlerweile, hat die Alzheimerforschung 16 Jahre lang in eine vollkommen falsche Richtung geführt, wie es in dem Science-Artikel heißt.

Andere forensische Bildanalytiker kamen zu demselben Schluss. Die Molekularbiologin Elisabeth Bik und die unabhängige Beraterin Jana Christopher überprüften Schrags Untersuchungsergebnisse und konnten bestätigen, dass es sich bei vielen Bildern in Lesnés Arbeiten um Manipulationen handelte. Einige Abbildungen schienen aus verschiedenen Experimenten zusammengesetzt worden zu sein, und in einigen Fällen wurden Proteinbanden einfach kopiert und an anderer Stelle eingefügt, um Ergebnisse zurechtzubasteln.

Durch diese Täuschung kam Beta-Amyloid*-56 eine wesentlich höhere Bedeutung zu, als es tatsächlich der Fall ist. Mittlerweile zweifeln Alzheimerexperten gar seine Existenz an. Science zufolge scheiterten zahlreiche Labore, die versuchten, Lesnés Resultate zu replizieren, schon am Nachweis von Beta-Amyloid*-56.

Jahrzehntelange Forschung baut auf einer Lüge auf

Wie sich nun herausstellt, haben Lesnés Manipulationen ein ganzes Forschungsgebiet in die Irre geführt. Auf der ganzen Welt haben Wissenschaftler ihre Forschung auf diesen gefälschten Daten aufgebaut, Fördergelder in Millionenhöhe und jahrelange Arbeit in Folgestudien und klinische Versuche investiert. Wenn es sich bei Beta-Amyloid*-56 um nichts weiter als ein Lügenmärchen handelt, dann verlieren mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zahllose Studien, die auf Lesnés Ergebnissen aufbauen, ihre Gültigkeit.

Dass dieser Betrug nicht früher aufgedeckt wurde, wirft beunruhigende Fragen zu wissenschaftlichen Kontrollprozessen auf. Über einen Zeitraum von 20 Jahren haben weder Fachmagazine noch Institutionen oder Gutachter das manipulierte Bildmaterial identifiziert. „Die Nature-Abhandlung wurde in mehr als 2.300 wissenschaftlichen Artikeln zitiert – nur vier weitere Grundlagenforschungsberichte zum Thema Alzheimer fanden seit 2006 häufiger Erwähnung“, berichtet Science.

Namhafte Fachzeitschriften griffen auf mehrere Forschungsarbeiten mit gefälschten Daten zurück. Das Journal of Neuroscience beispielsweise publizierte einige Arbeiten von Lesné, die manipulierte Bilder enthielten, doch erst nach Schrags Untersuchungen wurden vom Magazin selbst Bedenken geäußert.

Auch nachdem erste Warnungen laut geworden waren, sahen einige Fachmagazine noch keinen Handlungsbedarf. Der renommierte Alzheimerforscher John Forsayeth gab zu: „Zeitschriften und Institutionen, die Forschungsprojekte finanzieren, wissen nicht, wie sie mit Bildmanipulationen umgehen sollen.“

Noch beunruhigender ist der Umstand, dass bei der internen Überprüfung der University of Minnesota im Fall von mindestens zwei der beanstandeten Bilder keine Hinweise auf wissenschaftliches Fehlverhalten gefunden wurden. Es stellt sich daher die Frage, ob Institutionen überhaupt imstande sind, ihre eigenen Wissenschaftler objektiv zu durchleuchten, insbesondere wenn Ruf und Fördergelder auf dem Spiel stehen.

Unabhängige Experten plädieren dafür, dass solche Fälle extern überwacht werden sollten, um zu verhindern, dass Interessenkonflikte die Forschungstransparenz beeinflussen.

Alles auf dem Rücken der Patienten

Für Alzheimerpatienten und deren Angehörige hat die ganze Situation verheerende Folgen. Jahrzehntelange Forschungen mit Blick auf Amyloid-bezogene Behandlungen, die zu großen Teilen auf Studien wie der hier beanstandeten fußen, haben keine wirksamen Therapien hervorgebracht. In der Zwischenzeit fanden andere vielversprechende Forschungsansätze wie Entzündungen, Stoffwechselstörungen und der Einfluss des Immunsystems keine Beachtung.

Schrags Untersuchungen haben nun zu einer erneuten Überprüfung durch die Fachzeitschriften geführt, im Zuge derer Wissenschaftler weitere von Lesné publizierte Studien unter die Lupe nehmen. Während einige Arbeiten bereits korrigiert oder zurückgezogen wurden, erweist sich dieser Prozess jedoch als langwierig, und solange er andauert, werden viele der fehlerbehafteten Studien munter weiter zitiert.

Experten warnen, dass dies möglicherweise nur die Spitze des Eisbergs sein könnte. Wissenschaftsbetrug ist bekanntermaßen schwierig aufzudecken, und den Fachmagazinen fehlen oft sowohl die Mittel als auch der Wille, verdächtige Daten ordnungsgemäß zu überprüfen.

Dass diese Studie nun wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, untergräbt nicht nur das Vertrauen in die Alzheimerforschung, sondern schürt auch größere Bedenken hinsichtlich der Integrität der biomedizinischen Forschung. Wenn über einen Zeitraum von 20 Jahren niemand auffällt, dass eine derart große Studie in einem der höchstfinanzierten Forschungsgebiete gefälscht wurde, wie mag es dann in anderen Bereichen aussehen? Und was viel wichtiger ist: Wie viele Patienten mussten unter diesen wissenschaftlichen Verirrungen leiden?

Die Wissenschaftsgemeinschaft steht nun vor der Herausforderung, nicht nur die Vergangenheit korrigieren zu müssen, sondern auch für höhere Standards hinsichtlich Verantwortlichkeit und Transparenz bei künftigen Studien zu sorgen.

Seniorautorin willigt ein, fehlerhafte Studie zurückzuziehen

Nach einem fast zwei Jahre andauernden Überprüfungsprozess hat sich eine der Autorinnen des diskreditierten Forschungsprojekts zu Wort gemeldet und sich dazu bereit erklärt, die Studie zurückzuziehen. Mit ihren weit über 2.000 Referenzen in anderen Forschungsarbeiten dürfte es sich damit um eine der meistzitierten Rücknahmen in der Geschichte der Wissenschaft handeln.

Karen Ashe, Neurowissenschaftlerin an der University of Minnesota und Seniorautorin der Studie, gestand, dass es sich bei einigen der Abbildungen tatsächlich um Manipulationen handele.

Lesné, eigentlich Ashes Protegé, hat sich bislang nicht zu diesem Widerruf geäußert. Er behält seine Professur an der University of Minnesota und bezieht weiterhin Fördergelder von den National Institutes of Health.

Die Universität behauptet währenddessen, dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorliege, was ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Voreingenommenheit von Institutionen aufwirft. Universitäten haben ein finanzielles Interesse daran, sich zur Wahrung ihres Rufs hinter ihre Fakultätsmitglieder zu stellen, weshalb unabhängige Experten dafür plädieren, dass solche Untersuchungen von externen Organisationen durchgeführt werden, um Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Wissenschaft zu garantieren.

Darüber hinaus haben auch Fachmagazine nur sehr verhalten reagiert und viele warteten die interne Untersuchung der University of Minnesota ab, bevor sie sich dafür entschieden, ihre eigenen Artikel zu widerrufen, sehr zum Unmut vieler Forscher, die sofortigen Handlungsbedarf sahen.

Donna Wilcock, eine Neurowissenschaftlerin an der Indiana University und Herausgeberin des Magazins Alzheimer’s & Dementia merkt an: „Es ist bedauerlich, dass die Widerrufe erst nach zwei Jahren erfolgt sind. Die Hinweise auf Manipulation waren erdrückend.“

Fachzeitschriften berufen sich auf Peer-Reviews, um die Gültigkeit von Studien zu beurteilen, aber Bild­analysen sind oft nicht Teil dieses Prozesses. Infolgedessen können betrügerische oder manipulierte Daten unentdeckt bleiben und ganze Forschungsbereiche beeinflussen, bevor irgendjemand genauer hinsieht.

Quellen

Mercola.com, 06.03.2025, tinyurl.com/mrysyvrk; Piller, C.: „Blots on a Field?“, Science.org, 21.07.2022, t1p.de/bg699; Originalstudie in Nature, t1p.de/p6xbt

Thema vertiefen:

Wir vergessen nichts – zum Zusammenhang zwischen „Alzheimer und Aluminium“ schrieb Dr. Foster in NEXUS 2; „Die bakterielle Ursache der Alzheimer-Krankheit“ meint Dr. Broxmeyer in NEXUS 68 gefunden zu haben.

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