Psychopharmaka und die Priesterschaft der Gehirnwäsche

Früher Pharmasetzte die Psychopharmaka-Industrie auf Überredung und Glauben, um ihre Diagnosen und Tabletten zu verkaufen. Heute jedoch verfolgt sie, unterstützt von Gesundheitsbehörden und dem neuen Handbuch der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung (APA), eine Strategie von Zwang und Verordnungen, um neue Krankheiten zu erfinden, für die noch mehr Medikamente benötigt werden.

Will man ein öffentliches Glaubensbekenntnis zu der zweigesichtigen Gottheit Pharmazie und Psychiatrie konstruieren, so gilt es, bestimmte für das Werbe- und PR-Geschäft typische Verfahrensweisen zu beachten. Beispielsweise ersinnen Linguistik-Experten Markennamen, die auf

„verschiedene Synapsen im Gehirn ihrer Kunden zugreifen, welche die einfachen Klänge der Vokale und Konsonanten zu sogenannten Phonemen zusammenfügen und mit bestimmten Bedeutungen oder auch Emotionen verbinden.“10

Auf genau diese Weise kam der Name für das erste archetypische ASWHem-Medikament zustande. Der Name Prozac® wurde konzipiert, um im Kopf des Kunden eine bestimmte Resonanz auszulösen.

„Prozac: Pro mag noch ein relativ schwerfälliger Anfang sein, doch die Buchstaben p, z und k sind Volltreffer, wenn es um Qualitäten wie aktiv / wagemutig geht. Diese knisternden, summenden Laute suggerieren unterschwellig Aktivität und unterstützen damit die Sequenz ac, die an das Wort Aktion anklingt.“

Der Name von Prozacs engem Verwandten Zoloft war ebenfalls das Ergebnis angewandter linguistischer Ingenieurskunst.

„Zoloft: Zo bedeutet im Griechischen Leben und loft erhebt das Konzept in luftige Höhen.“11

Japan ist der weltweit drittgrößte Markt für Pharmazeutika. Das Beispiel dieses Landes veranschaulicht, wie es der Pharmaindustrie gelang, eine Gesellschaft so zu manipulieren und zu verführen, dass sie bestimmte psychoaktive Substanzen in großen Mengen zu sich nimmt. Im Jahr 1988 lockerte das Land die Kontrollbestimmungen für den Verkauf und die Bewerbung von Medikamenten. 2001 boomte die direkt an den Verbraucher gerichtete Medikamentenwerbung amerikanischen Stils, und amerikanische Firmen kontrollierten nahezu 50 Prozent von Japans pharmazeutischen Umsätzen in Höhe von 364,2 Milliarden Dollar. Die wachsende Popularität und Verfügbarkeit von medizinischen Markenprodukten in einem nicht-westlichen kulturellen Milieu bereitete den Weg für Verkaufsstrategien, die sich brüsk über kulturelle Grenzen hinwegsetzten und die öffentliche Wahrnehmung so drehten, dass Nachfrage erzeugt wurde.

In den 1980er Jahren, als das japanische Pharmaunternehmen Meiji Seika kurz davor stand, mit Zustimmung der Kontrollbehörden ein Medikament zur Behandlung von Zwangsneurosen (OCD) auf den Markt zu bringen, stellten die Firmenmanager fest, dass es in Japan gar keine Standarduntersuchungen für die Diagnose von Zwangsneurosen gab. Das Unternehmen fertigte daher kurzerhand selbst eine schriftliche Definition an, für die ihm amerikanische Beschreibungen als Vorlage dienten. In den späten 1990er Jahren hob Meiji Seika diese Praxis auf eine völlig neue Stufe, als das Unternehmen das kontrollbehördliche „Okay“ für den Verkauf seines eigenen ASWHem-Medikaments mit dem Namen Luvox® erhielt.12 Nachdem es die Genehmigung erhalten hatte, focht die Firma einen harten Kampf aus, um das Medikament in einem Land akzeptabel zu machen, in dem nach einer von der Weltgesundheitsorganisation in den frühen 1990er Jahren durchgeführten Umfrage bei „Stimmungsstörungen“ am häufigsten ein mildes Beruhigungsmittel verschrieben wurde.13 Angesichts dessen bewirkten Meiji Seika und einige andere interessierte Konzernpartner „nichts Geringeres als einen umfassenden kulturellen Wandel“, wie ein Beobachter es beschrieb.

„Ein wichtiger Schritt: Veränderung der Sprache, die die Menschen verwenden, wenn sie sich über Depression unterhalten. Das japanische Wort für eine klinische Depression, utsu-byo ließ die Assoziation mit schweren psychiatrischen Erkrankungen aufkommen. Also begannen Meiji und Partner damit, den Satz kokoro no kaze einzuführen, was frei übersetzt so viel bedeutet wie: ‚Die Seele holt sich eine Erkältung.‘ Die Botschaft: Wenn Sie Tabletten einnehmen, um im Winter eine verstopfte Nase zu kurieren, warum behandeln Sie Ihre Depression dann nicht genauso?“

Der Marketing-Direktor bei Meiji sagte, dass er regelmäßig den Satz kokoro no kaze verwendete, wenn er japanischen Reportern erklärte, „warum das Tabu, das diese Krankheit umgab, aufgehoben werden sollte.“14

Amerika war Japan weit voraus, was die Anerkennung von Pharmazeutika zur Behandlung psychischer Erkrankungen anbelangte. Die Vorstellung, dass Depressionen potenziell epidemischen Charakter haben und der „Behandlung“ bedürfen, wurde bereits einige Jahre vor der Einführung des äußerst populären ASWHem-Medikaments Prozac im Jahr 1988 ins öffentliche Denken eingepflanzt. Dennoch bedurfte dieses Konzept der kontinuierlichen Bestärkung. Das galt auch für das fragliche System der „Untersuchungen“, um potenziell schädliche „Stimmungen“ oder Verhaltensweisen aufzuspüren, eine Praxis, die derzeit in einigen amerikanischen Gesundheitszentren Anwendung findet. Dabei werden die Klassifizierungen des diagnostischen und statistischen Handbuchs für psychische Störungen, Version 5, zugrunde gelegt.

Die Architektur des Überwachungsapparates

„Die Wissenschaft verfügt über keine Technologien, um in einem lebenden Gehirn biochemische Unausgewogenheiten feststellen zu können“, bemerkte der Arzt und Autor Peter R. Breggin, MD. „Die Spekulation, dass ein solches biochemisches Ungleichgewicht bestünde, ist tatsächlich nichts weiter als eine Verkaufsstrategie der Arzneimittelfirmen, um Medikamente zu verkaufen.“15

Deshalb fehlen bei „Untersuchungen“ der psychischen Gesundheit sowohl der objektive wissenschaftliche Maßstab als auch die körperlichen Parameter, um das Vorhandensein von Störungen feststellen zu können. Stattdessen basieren Gutachten auf den Antworten des Untersuchten zu einer Reihe von gestellten Fragen.

In den letzten Jahren wurden allen Ernstes Marketingmethoden an amerikanischen Colleges angewendet, um eine Generation so zu konditionieren, dass sie Untersuchungen der psychischen Gesundheit als Routineangelegenheit akzeptiert. In den frühen 2000er Jahren sponserte Wyeth, der Hersteller des Antidepressivums Effexor, „Erziehungskampagnen für psychische Gesundheit“ an zehn Colleges. Das 90-minütige Programm mit dem Titel „Depression auf dem College: Die reale Welt, das reale Leben, die realen Probleme“ wurde in den Filmsälen der Hochschulen vorgeführt und von der MTV-Berühmtheit und Effexor-Konsumentin Cara Kahn präsentiert. Die zu dem Programm gehörende „Untersuchung“ auf Depressionen, die heute alltäglicher Bestandteil der öffentlichen Gesundheitsfürsorge ist, wurde mit aufmunternden Slogans wie „Gestresst? Finden Sie heraus, wie sehr“ oder „Kommen Sie und lassen Sie Ihre Stimmung testen“ propagiert. Vertreter der Branche konnten feststellen, dass solche Aufforderungen bei potenziellen Teilnehmern auf ein stärkeres Interesse stießen als das eher prosaisch klingende „Untersuchung auf Depression“.16

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