Psychopharmaka und die Priesterschaft der Gehirnwäsche

Früher Pharmasetzte die Psychopharmaka-Industrie auf Überredung und Glauben, um ihre Diagnosen und Tabletten zu verkaufen. Heute jedoch verfolgt sie, unterstützt von Gesundheitsbehörden und dem neuen Handbuch der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung (APA), eine Strategie von Zwang und Verordnungen, um neue Krankheiten zu erfinden, für die noch mehr Medikamente benötigt werden.

Wenn die Anziehungskraft psychotroper Rezepturen nachlässt, was einige der aktuellen Branchen- und Markttrends vermuten lassen, wird es entscheidend wichtig – mit welchen Mitteln auch immer – ein neues Bedürfnis nach entsprechenden Therapien und Produkten der Pharmaindustrie zu erzeugen. Die befürchtete Flaute bei den Verkäufen von Antidepressiva und die gleichzeitige weitläufige Akzeptanz, auf die Psychiater bei westlichen Regierungen treffen, wenn sie sich in ihrer oberflächlichen Art über abweichende menschliche Verhaltensweisen und deren Behandlung auslassen, vermögen sehr gut zu erklären, warum in letzter Zeit wie wild Studien publiziert werden, in denen von einer wachsenden Epidemie psychischer Erkrankungen die Rede ist und warum staatliche Programme aufgelegt werden, die obligatorische Untersuchungen der psychischen Gesundheit bei Jugendlichen und die dazugehörigen Behandlungen vorsehen.

Was genau macht eine psychische Störung aus, die einer Behandlung bedarf? Das bald erscheinende diagnostische und statistische Handbuch für psychische Störungen, Version 5, bietet ein Sammelsurium von Eigenartigkeiten, die uns als Hinweise dafür dienen können, wonach bei solchen Untersuchungen in Zukunft gesucht werden soll. Ein Mensch, der sich darüber auslässt, dass er gelegentlich eine Zigarette genießt, wird die Diagnose erhalten, dass er an einer „Tabakmissbrauchs-Störung“ leidet.

Ein Mensch, der in Gesellschaft ab und an ein Gläschen trinkt, wird mit dem Etikett „Alkoholmissbrauchs-Störung“ versehen werden. Einem Menschen, der regelmäßig zu viele Tassen Kaffee oder Eistee trinkt, könnte eine „Koffeinvergiftung“ oder schlimmer noch eine „Koffeininduzierte nervöse Störung“ bescheinigt werden. Wer zu häufig im Netz surft, Spiele- oder Pornoseiten besucht oder zu oft einkaufen geht, wird vielleicht als „internetsüchtig“, „spielsüchtig“, „hypersexuell“ oder „kaufsüchtig“ bezeichnet und entsprechend medikamentös therapiert werden.17

Je weiter sich die Psychiatrie unter staatlichem Schutz ausbreitet, besteht zudem durchaus die Möglichkeit, dass politische Dissidenten im sowjetischen Stil mundtot gemacht werden, wie der jüngste Fall des amerikanischen Marinesoldaten Brandon Raub zeigt.18

Beharrt man hartnäckig darauf, dass Wettermanipulationen stattfinden oder diskutiert man über den nicht zu erklärenden Einsturz von Gebäude 7 des World Trade Centers am 11. September, so könnte das für die Diagnose „paranoide Wahnvorstellungen“ ausreichen. Aktivisten, die dazu ansetzen, auf die fragwürdigen Begründungen für den „Krieg gegen den Terror“, die Federal Reserve Bank oder den überbordenden Polizeistaat aufmerksam zu machen, könnten nur allzu leicht die Diagnose „oppositionelles Trotzverhalten“ erhalten.

Da somit eine breite Auswahl an Krankheiten zur Verfügung steht, die der subjektiven Auslegung des jeweiligen Psychiaters unterliegen, kann nahezu jeder in den Radar des psychopharmazeutischen Kartells gelangen, besonders wenn dieser seine Arme nach jüngeren Altersgruppen ausstreckt.

„Das [Affordable-Care-Gesetz] ist darauf angelegt, bessere Anreize für Ärzte und andere im Bereich Gesundheit und psychische Gesundheit tätige Berufsgruppen zu schaffen, sich bei der Behandlung von Menschen des gesamten Spektrums von Behandlungsmöglichkeiten zu bedienen“, betont der Psychologe John M. Grohol, Herausgeber der beliebten Website PsychCentral. „Forschungsergebnisse belegen, dass diese Art integrierter, koordinierter Versorgung dem Patienten letztlich zugutekommt. So können Gesundheitsprobleme aufgedeckt werden, ehe sie sich zu ernsten Störungen auswachsen.“19

Die wachsende Epidemie psychischer Erkrankungen beziehungsweise die Behauptung der psychiatrischen Berufsgruppe, dass es eine solche gäbe, hat ernste Folgen nicht nur für den persönlichen Kummer des Einzelnen, sondern auch für ganze Wirtschaftsregionen.

Experten für psychische Gesundheit behaupten, dass nahezu 40 Prozent der Europäer psychisch krank seien, ein Problem, das die europäische Wirtschaft jährlich einige Hundert Milliarden Euros kostet. Eine Studie aus dem Jahr 2011 kommt zu dem Schluss, dass 165 Millionen Bürger der Europäischen Union an irgendeiner psychischen Erkrankung leiden.

„Die immense Lücke […] bei der Behandlung psychischer Erkrankungen muss geschlossen werden“, behauptet die Verfasserin der Studie. „Da psychische Störungen häufig schon früh im Leben beginnen, haben sie massive negative Auswirkungen auf das spätere Leben […] Nur die gezielte Behandlung junger Menschen kann wirksam das Risiko ausschließen, dass es in der Zukunft eine zunehmend größere Zahl schwerkranker Patienten geben wird.“20

In den Vereinigten Staaten, in denen das „Affordable Care“-Gesetz „die Wichtigkeit einer integrierten und koordinierten Zusammenarbeit der physischen und psychischen Gesundheitsdienste“ betont, und „Anreize für Behandler“ schafft, „integrierte Behandlungssysteme anzuwenden“,21 wird ein Patienten, der eine Klinik aufsucht, um sich wegen einer Krankheit oder Verletzung körperlich untersuchen zu lassen, immer häufiger einer Untersuchung und Beurteilung nach den Standards des diagnostischen und statistischen Handbuchs für psychische Störungen unterzogen, besonders dann, wenn er privatversichert ist.

Der Bericht der Gesundheitszentren über die Überwachung der psychischen Gesundheit aus dem Jahr 2011 betont, dass 25 Prozent der Amerikaner psychisch krank sind und einer von zwei Amerikanern im Laufe seines Leben eine psychische Erkrankung erleiden wird.

Also soll ein Programm „öffentlicher Gesundheitsüberwachung“ aufgelegt werden, an dem „Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Akademiker, Therapeuten und Lobbygruppen“ mitarbeiten, um „verschiedene Überwachungssysteme“ ins Leben zu rufen, die das Auftreten, die Häufigkeit, die Schwere und die wirtschaftlichen Auswirkungen psychischer Krankheiten verringern helfen […]; die Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und anderen chronischen Zuständen (wie beispielsweise Fettleibigkeit, Diabetes, Herzerkrankungen oder Alkohol- und Substanzmissbrauch) aufdecken; Bevölkerungsgruppen identifizieren, die einem besonders hohen Risiko psychischer Erkrankungen ausgesetzt sind und für diese gezielte Interventions-, Behandlungs- und Vorsorgemaßnahmen vorsehen; sowie Ergebnisparameter erstellen, um Interventionen bei psychischen Erkrankungen beurteilen zu können.“22

Im Rahmen des Projektes wird das diagnostische und statistische Handbuch für psychische Störungen zur Identifizierung und Diagnose solcher Erkrankungen herangezogen werden.

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