Geheimnisse der irischen Rundtürme (Teil 1)

Alanna Moore - Kraftturm 100px - 72dpiÜberall in Irland ragen massive Rundtürme aus den Ruinen alter Klöster empor. Obwohl sie mutmaßlich im christlichen Mittelalter errichtet wurden, sind sie mit keltischen Symbolen verziert und stehen im Zentrum alter Rituale. Welchem Zweck sie ursprünglich dienten, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Während viele Historiker sie als Glockentürme bezeichnen, gibt es Anzeichen dafür, dass sie besondere Kraftorte markieren und wie steinerne Antennen kosmische Energien in den Boden übertragen.

Feuertempel?

O’Brien nahm an, dass einige Rundtürme mit der Verehrung heiliger Feuer in Verbindung standen. Er bemerkte, dass sich der heilige Beda Venerabilis in seinem Werk „Vita Sancti Cuthberti“ darüber beschwerte, in Irland würde es zahllose Feuerschalen aus heidnischer Zeit geben. Die Überreste niedriger, steinbedachter „Feuerhäuser“ – ähnlich den zoroastrischen Feuertempeln Persiens – stehen laut O’Brien in direkter Verbindung mit den Türmen von Ardmore, Killaloe, Down, Kerry und Kells.2 Der an die schottische Kathedrale von Brechin angrenzende Rundturm wird auch „Feuerturm“ genannt.11

Es ist gut möglich, dass der Feuertempel zu den ältesten Bauwerken in irischen Ringfort-Siedlungen zählt. Im Zentrum der Klosterruinen von Inishmurray steht ein etwa 1.000 Quadratmeter großes Trockensteincashel, das im Innern durch niedrige Mauern unterteilt ist. Zwei Kirchen aus Mörtel und Stein gehen auf die Jahre 700 bis 900 n. Chr. zurück, während die Außenwand wahrscheinlich aus der Eisenzeit stammt. In der westlichen Ecke des Cashels befinden sich zwei Gebäude: eine Kirche und ein „Haus des Feuers“, das laut Peter Harbison aus dem späten Mittelalter stammen könnte.

Insgesamt zwei Eingänge befinden sich auf je einer der beiden langen Seiten des rechteckigen Gebäudes, in dessen Mitte eine quadratische Feuerstelle angelegt ist. In der Nähe findet man die berühmten Fluchsteine, altertümliche Bienenkorbhütten (runde Gewölbebauten aus Trockenmauerwerk) und ein Schwitzhaus neben einem heiligen Brunnen.8

Bis annährend in unsere Zeit hinein wurde die Göttin Brigid – oft in Gestalt der heiligen Brigid – in ihrem Schrein in Kildare nahe des dortigen Rundturms verehrt. Das Betreten des Schreins war allein Frauen vorbehalten. Neunzehn „vestalische“ Jungfrauen unterhielten ein ewiges Feuer, das am 20. Tag des Feuerzyklus auf wundersame Weise angeblich von Brigid selbst bewacht wurde.

Musk

Ein Rundturm in Musk mit seinen im Spätmittelalter angebauten Glockentürmen

Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurde der alten Göttin ein Lied gesungen: „Brigid, höchste Frau, jähe Flamme, möge die feurighelle Sonne uns in das ewigliche Königreich führen.“

Die normannische Eroberung

Während ihrer Glanzzeit erfuhren die Türme eine ganze Palette von Ungerechtigkeiten, wie aus den Annalen hervorgeht. Grund dafür waren oftmals die Habgier benachbarter Könige und vereinzelte Überfälle der Wikinger. Der Unterschied zwischen einer irischen und einer Wikingerattacke bestand darin, dass die Wikinger keine Rücksicht auf die Heiligkeit der Stätten nahmen, wobei sich auch die Iren gelegentlich darüber hinwegsetzten. Die Wahrung der Kampfesregeln und der sozialen Ordnung in Irland ließ die Türme als Schutzstätten in Kriegszeiten erscheinen, doch die Realität sah oftmals erschreckend anders aus.

Als die Normannen gebeten wurden, Krieger nach Irland zu schicken, um einen Lokalherrscher dabei zu unterstützen, seine geraubte Frau zurückzuerobern, markierte das den Anfang vom Ende der organischen Gesellschaftsstruktur und Autonomie Irlands. Die streng geordnete Lebenswelt der Normannen, die sich in ihrer geradlinigen Architektur widerspiegelte, verdrängte den natürlichen, wellenförmigen modus operandi der einheimischen Iren und führte in eine gut 800-jährige Phase der britischen Unterdrückung. Die Ureinwohner Irlands wurden von ihren fruchtbaren Ländereien vertrieben und in mehr oder weniger unwirtlichen Regionen sich selbst überlassen. Fortan wurden keine Türme mehr errichtet.

In den 1840er Jahren starben etwa 800.000 Menschen infolge einer katastrophalen Kartoffelfäule, die viele Iren dazu veranlasste, nach Amerika und Australien auszuwandern. Die englischen Kolonisten leisteten keine nennenswerte Hilfe, während die Iren sich zu Tode hungerten. Die Bevölkerung der Grünen Insel sank von vormals etwa neun Millionen auf rund 6,5 Millionen im Jahr 1851 (und liegt heute noch niedriger). Erst im Jahr 1949 etablierte sich im Süden eine unabhängige Irische Republik.

Die Engländer unterdrückten die irische Sprache und enthielten der einheimischen Bevölkerung sogar grundlegende Bildungsmöglichkeiten vor, weshalb es wenig wundert, dass sie bald als dumm erachtet und zur Zielscheibe von irenfeindlichen Witzen wurde. Kev Livingston – ein scharfer Gegner der Politik Margaret Thatchers – gewann in den 1970er Jahren bei den Wahlen zum Greater London Council genügend Einfluss auf die lokale Politik, um als erste Amtshandlung ein stadtweites Verbot von Irenwitzen durchzusetzen.

Die Briten wiederholten ihren kulturellen Genozid in Australien und rechtfertigten ihre Invasion (die ihre eigenen Gesetze missachtete) mit der Behauptung, die australischen Ureinwohner seien eine minderwertige Rasse, die ohnehin zum Aussterben verdammt sei – eine Prophezeiung, die erst durch den britischen Völkermord bittere Wirklichkeit wurde.

Das Rundturm-Revival

Im 18. Jahrhundert erstarkte der Nationalismus in Irland, und das Volk romantisierte die typisch irischen Türme als die Quintessenz ihrer Kultur. Da sie neben den Irischen Wolfshunden als Nationalsymbole angesehen wurden, begann man damit, überall auf der Insel neue Türme im selben Stil zu errichten. Bis zum 19. Jahrhundert nahm die Kirche viele der alten Türme wieder in Betrieb, baute sie wieder auf oder „restaurierte“ sie, allerdings nicht immer entsprechend ihres ursprünglichen Aussehens.

Sie wurden mit Böden und Leitern ausgestattet und ihre Spitzen wurden so umgestaltet, dass sie als ordentliche Kirchtürme genutzt werden konnten. Viele der Turmhauben waren bereits infolge von Blitzeinschlägen zerstört worden, weshalb wir uns ihrer eigentlichen Form wohl nie gänzlich versichern können. Überhaupt stellte Blitzschlag schon immer die größte Gefahr für die Türme dar, da sie meist über unterirdischen Quellen errichtet wurden, was stark anziehend auf Blitze wirkt.

Zu den Verschönerungsmaßnahmen des 19. Jahrhunderts zählte auch die segensreiche Installation von Blitzableitern. Die Trennung von Kirche und Staat im Jahr 1871 beschied das Ende der klerikalen Nutzung der Türme.7

Was die Türme vermutlich nicht waren

Einige seiner Vorstellungen über die Türme hat Callahan aus Barrows Buch übernommen, das laut Lalor keine verlässliche Quelle darstellt. Barrow hatte etwa behauptet, der Raum zwischen Parterre und Keller der Türme sei mit Erdhaufen aufgefüllt worden. Callahan wiederum schloss daraus, die Mönche hätten damit die „steinernen Antennen“ auf bestimmte kosmische Hochfrequenzen eingestellt.

Ich habe in keinem Turm Irlands Belege dafür entdecken können, und die architektonischen Überlegungen in Lalors Buch lassen eher auf das Gegenteil schließen: Tatsächlich sind leere Kellergeschosse die Regel – eines weist sogar ein Fenster auf – und es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass Schatzsucher die Keller vor langer Zeit ausgeschachtet haben könnten.

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