Die Jahreszahl in meinem selbst hergestellten Kalksteinblock (siehe Abbildung 5 und das Rezept) habe ich mit einem Kupfermeißel eingeritzt und anschließend mit geschmolzenem Kupfer ausgegossen. Kleiner Scherz am Rande: Das sind nur Geburtstagskerzen mit abgeschnittenem Docht, die ich in das weiche Material gepresst habe. Die drei Pflastersteine habe ich deshalb draufgelegt, um zu testen, ob sie Spuren auf der Oberfläche hinterlassen. Denn an vielen Orten auf der Welt sieht die Oberfläche von gegossenem Kalkstein so aus wie in Abbildung 6.
Wenn man beim Trocknen nicht geduldig genug ist, bekommt man ein solches Ergebnis. Das Foto in Abbildung 6 habe ich auf dem Dach des Tempels von Dendera in Ägypten fotografiert – ein klassisches Beispiel für die Verwendung von gegossenem Kunstkalkstein.
Aber widmen wir uns nun wieder unserem Türsturz aus Kroatien. Bislang sagen uns ja nur Logik und gesunder Menschenverstand, dass er aus künstlichem Kalkstein besteht. Doch das reicht nicht. Wo bleibt der wissenschaftliche Beweis?
Glücklicherweise war ich genau deshalb nach Split gereist, um diesen wissenschaftlichen Beweis zu erbringen. Zu dem Zweck hatte ich ein spezielles Gerät dabei: ein sogenanntes Röntgenfluoreszenz-Handspektrometer. Dieses beschießt das zu analysierende Material mit Elektronen, und die Atome im Material senden je nach Element ein Signal auf einer bestimmten Frequenz zurück, das sagt: „Hier bin ich!“
Ein lustiges Gerät, dieses überdimensionierte Fieberthermometer, denn es lügt, dass sich die Balken biegen. Man muss höllisch aufpassen, wenn man damit wirklich finden will, wonach man sucht. Natürlich lügt es nicht aus Bosheit, sondern weil es genau das, was wir von ihm wollen, eben nicht direkt kann und das gewünschte Ergebnis notfalls eigenmächtig „erfindet“.


Abb. 8: Kalksteine im Diokletianspalast. Links: kein Kalium, rechts: kaliumhaltig. (Bild: Fóti)
Ein Beispiel: Wir würden gern die prozentuale Zusammensetzung der Bestandteile unseres Steins sehen. Das Gerät misst aber lediglich, wie viele Röntgenstrahlen zurückkommen. „Hier haben wir 1.352 Signale auf der Frequenz von Kalium.“
Aber ich will es jetzt gar nicht zu kompliziert machen. Wichtig ist nur: Wenn jemand wie Sie oder ich Kalium in Gestein finden will, kann er die tolle Gerätesoftware, die ganzen aufgehübschten Tabellen und Kreisdiagramme getrost vergessen. Man muss sich direkt die Rohdaten anschauen. Sonst kommt man nämlich wie sämtliche Archäologen bisher zu dem Schluss: „In diesem Türsturz ist kein fremder Stoff enthalten.“
Aber wissen Sie was? Den gibt es doch!
Und zwar Kalium. Ätsch!
An der rot eingekreisten Stelle (Abb. 7, rechts) ruft das Kalium bei einer Energie von 3,31 keV laut und deutlich: „Kuckuck!“
Die genaue Menge hat es nicht mehr aufs Bild geschafft, ist aber im Grunde auch nicht weiter wichtig. Kalium im Kalkstein ist schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit (Stichwort Entstehungsbedingungen, Löslichkeitsregeln usw.).Wenn in diesem Stein also Kalium enthalten ist, dann wurde es von Menschenhand hineingebracht.
Wir haben es hier also mit einem künstlichen Kalkstein-Türsturz zu tun, der Kalium enthält – höchstwahrscheinlich in Form von Kaliumhydroxid, also Kalium aus Holzaschelauge. Es ist ein menschengemachter Kalkstein, ein Geopolymer.
Ich überspringe jetzt den Teil meiner Nachforschungen, ob nicht vielleicht irgendwann jemand diesen Stein mit Kaliumseife abgewaschen hat, um uns an der Nase herumzuführen – also ob wir es nicht doch einfach mit einer oberflächlichen Kaliumverunreinigung zu tun haben und ich mich gerade komplett lächerlich mache.
Aber nein, natürlich hat das niemand getan. (Nicht, wenn er nach den UNESCO-Restaurierungsrichtlinien arbeitet, nicht während Vicko Andris Restaurierungsarbeiten im 19. Jahrhundert usw.)
Selbst wenn ich mich irren sollte, würde ich es durchaus verkraften. Wer nicht arbeitet, macht auch keine Fehler.
Aber nein, dieser Stein wurde nicht mit Kaliumseife behandelt. Und selbst wenn, dann nur stellenweise. Denn dann müssen in diesem Kellerraum einige Steine gewaschen worden sein (die Kalium enthalten), andere wiederum nicht (bei denen kein Kalium nachweisbar ist).
Auf den ersten Blick wirkt das alles völlig willkürlich. Manche Steine in diesem Keller enthalten Kalium, andere nicht. Leider hatte ich nicht genug Zeit vor Ort, um das Muster zu entschlüsseln, weshalb ich zum Abschluss zwei typische Exemplare zeige – eins mit Kalium, eins ohne.
Das Erstaunliche daran: Die beiden Steine liegen nur etwa einen Meter voneinander entfernt. Es ist also nicht so, als befänden sich alle kaliumhaltigen Steine in der einen Ecke und alle kaliumfreien in der anderen. Wir haben es hier mit einer Mischmauer zu tun.
Schauen wir uns das erste Exemplar an (Abb. 8, links): Wenn Sie vermuten, dass dieser SteinkeinKalium enthält, liegen Sie goldrichtig. Überall auf der Oberfläche sind deutliche Meißelspuren zu erkennen, der Stein wurde also eindeutig gemeißelt, nicht gegossen. Und wenn er gemeißelt wurde, dann besteht er aus natürlichem, viele Millionen Jahre altem Kalkstein, in dem kein Kalium enthalten sein kann.
Wenig überraschend zeigte die Messung: kein Kalium enthalten!
Aber nur zwei Steinreihen darüber …
Nanu? Wo sind denn hier (Abb. 8, rechts) die Meißelspuren? Es gibt keine. Stattdessen sieht man Bläschen, Schlieren – und natürlich einen riesigen, tiefen Trocknungsriss unten rechts in der Ecke.
Und ja, in diesem Stein ist Kalium enthalten. Ich habe selbst nachgemessen.
Ja, klar, das sind natürlich keine Bläschen, sondern fossile Einschlüsse. Von mir aus. Spielt keine Rolle. Wenn man Kalkbruchstücke zu irgendeinem Brei zusammenrührt, können da ganz locker Fossilien mit im Spiel sein, sofern niemand sie zuvor herausgesiebt hat.
Zu welcher Schlussfolgerung gelangen wir denn nun? Wir haben einen Palastkeller voller seltsamer, angeblich „unmöglicher“ Kalksteine (mit Schrumpfrissen, Kaliumgehalt usw.). Und meine Geschichte steht der offiziellen Lehrmeinung, dass es sich hier durchweg um natürlichen, behauenen Kalkstein handeln muss, diametral gegenüber.
Also … wer hat recht?
Leider ist das meistens der, der am lautesten schreit. Beweise? Wen jucken die schon!
Aber wenn es mir gelingt, den Chor der „Künstlichen Kalkstein gibt es nicht!“-Krakeeler zu übertönen, dann besteht vielleicht die Chance, dass wir der Wahrheit ein Stück näher kommen. Wenn nicht … dann bleibt wohl alles, wie es ist.
Aber vielleicht habe ich ja genau deswegen diesen Artikel geschrieben: Um dem künstlichen Kalkstein eine Stimme zu geben.
Hinweis in eigener Sache
Diesen Artikel habe ich extra für Sie geschrieben – für die Leser des deutschen NEXUS-Magazins. In meinem auf Englisch erschienenen Buch „The Natron Theory“ gehe ich ausführlich auf alle hier angeschnittenen Fragen und Experimente ein – inklusive einfach nachzumachender Rezepte für künstlichen Granit und die sogenannten Inkasteine. Die wurden übrigens (wie viele andere „Gesteine“) auf wundersame Weise 600 bis 800 Kilometer von ihrem vermeintlichen Ursprungsort entfernt verbaut … was mit ziemlicher Sicherheit bedeutet, dass sie eben nicht von dort stammen.


Man nehme 100 Gramm Kalksteinpulver, ein paar Gramm Kaliumhydroxid-Flocken und etwas Wasser, vermische das Ganze, gieße es in eine Form und warte. Taadaa! Nach einer Woche ist der Kalkstein fertig. Geht nicht? Probieren Sie es. Der Italiener Marcell Fóti war neugierig und hat es getan. Die Ergebnisse seiner Experimente werfen ein neues Licht auf die Steinmonumente der alten Hochkulturen. Wurden die Granit- und Kalksteinblöcke von Pyramide & Co. etwa gegossen? Chemisch ist es definitiv möglich, und auch die Beobachtungen und Messungen vor Ort geben zu denken – wenn sie nicht als Beweis durchgehen. Ist damit ein oft beschworenes Rätsel der Vergangenheit gelöst?
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