Alkohol als Treibstoff-Alternative – Aufräumen mit den Vorurteilen

Die bösartige Verunglimpfung des Treibstoffs Alkohol ist gänzlich fehl am Platze. Wenn wir Ethanol mit Weitblick und unter Einsatz der biologischen Landwirtschaft verwenden – wenn wir also die industriellen Anbaumethoden vollständig durch nachhaltige Methoden ersetzen –, dann kann es unsere Energieprobleme lösen. Und zwar alle – wenn wir es nur wollen.

Mythos Nr. 4: Nahrung kontra Treibstoff – Zwischen dem Anbau von Nahrungsmitteln und dem von Treibstoff wird es zum Konkurrenzkampf kommen. Wir sollten Nutzpflanzen für die Massen von Hungernden anbauen, und nicht für unsere Autos!

Als Erstes gilt es zu begreifen, dass eine Nahrungsmittelknappheit momentan weder existiert noch droht. Der weltweite Ernteertrag zeigt, dass wir zweimal so viele Kalorien produzieren, wie wir benötigen, um alle Menschen zu ernähren. Was wir sehr wohl haben, ist eine Geldknappheit. Nahrung ist eine Ware, kein Anrecht: Nur derjenige, der sie bezahlen kann, bekommt sie auch.

Zudem besteht ein großes Ungleichgewicht zwischen der Produktion von Stärke und der von Protein (dass in der amerikanischen Landwirtschaft hauptsächlich Mais angebaut wird, habe ich ja bereits erwähnt). Bei Unterernährung spielt meist vor allem ein Proteinmangel eine Rolle. Die vier weltweit am meisten verbreiteten Nutzpflanzensorten sind Reis, Weizen, Mais und Kartoffeln. Diese Getreidearten bzw. Knollen bestehen bis zu 75 Prozent aus Stärke. Bohnen, die eine wichtige Proteinquelle für die Armen der Welt darstellen, schaffen es nicht unter diese ersten vier Sorten.

Als ich in den 1980er Jahren den Anbau von Pilzen untersucht habe, kam ich zu dem Schluss, dass wir den weltweiten Bedarf an ausgewogenem Protein mit nur 25 Prozent des aus Getreidehalmen gewonnenen Strohs decken könnten, das jährlich verbrannt wird – indem man auf diesem Austernpilze züchtet. Diese Pilze verwerten das Protein aus dem verholzten, trockenen Stroh höchst effizient. Alle Menschen dieser Welt zu ernähren, wäre also nicht schwer, selbst ohne ein einziges Tier zu schlachten.

Die Menschheit hat gerade erst begonnen, landwirtschaftliche Methoden zu ersinnen, mit denen sich Sonnenenergie auf vielfältige Weise nutzbar machen lässt. Angesichts des enormen Potentials von polykulturell erwirtschafteten Ernten erscheinen aus monokultureller Sicht erstellte Studien zum Thema Ethanolproduktion beinahe lächerlich, wenn man sie aus ökonomischer, energietechnischer und ökologischer Sicht betrachtet.

Da Mais die in den USA am häufigsten angebaute Nutzpflanze ist, wird er dort auch in der Alkoholproduktion vorwiegend verwendet. Dies betrachten viele als fragwürdig, da Mais in den von Armut besonders betroffenen Ländern dieser Welt als Grundnahrungsmittel gilt. Was die Meisten nicht wissen, ist, dass 87 Prozent des in den USA erzeugten Maisertrags zu Viehfutter verarbeitet wird.12 In den meisten Jahren verkauft Amerika knapp 20 Prozent seiner Maisernte an andere Länder. Schätzungen zufolge könnten diese Exporte einen Großteil des Hungers in der Welt tilgen. Stattdessen aber geht der Mais als Viehfutter an die reichen Länder. Zudem würde kaum ein armes Land diesen Mais annehmen, selbst nicht als Spende, da er genetisch verändert wurde und daher als zum Verzehr ungeeignet gilt.

Zudem kann die Alkoholproduktion die Qualität von Viehfutter enorm aufwerten. Um aus Getreide Alkohol herstellen zu können, muss zunächst die Stärke entfernt werden. Protein, Fett, ein Teil der Zellulose sowie viele Vitamine und Mineralien bleiben jedoch erhalten, wie auch die Hefe von der Fermentation. Dieses Restprodukt nennt sich Trockenschlempe oder auch DDGS (Dried Distiller’s Grains with Solubles) und nimmt nur noch ein Drittel des Volumens des ursprünglichen Getreides ein, weil die Stärke ja zuvor entfernt wurde.

Abb 6
Verwendung von amerikanischem Mais. Es ist hinreichend bekannt, dass 87 Prozent der gesamten amerikanischen Maisernte als Viehfutter endet. Das Vieh aber kann die Maisstärke nicht effizient nutzen. Die Fleischproduktion könnte gesteigert werden, indem aus dem Mais Alkohol gewonnen würde, wobei als Nebenprodukt Trockenschlempe anfiele. Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen durch den Transport und Export von Mais könnten so um zwei Drittel gesenkt werden, da Schlempe eine sehr viel kompaktere Protein- und Fettquelle darstellt. Die Verwertung von amerikanischem Mais durch den Menschen macht nur einen einstelligen prozentualen Anteil aus, abgesehen vom Maissirup (HFCS).32 Wobei sich darüber streiten ließe, ob Letzerer nicht eher ein Indus­trieprodukt ist.

Trockenschlempe wird schon seit über 100 Jahren als hochwertiges Viehfutter verwendet. Wenn man statt 100 Pfund Mais 33 Pfund Schlempe verfüttert, erhält man 14 bis 17 Prozent mehr Fleisch in 30 Prozent weniger Zeit und bei sehr viel geringeren Tierarztkosten.13 (Da die natürliche Nahrung von Rindern eigentlich Gehölze sind, wandern bis zu 80 Prozent der von den Tieren aufgenommenen Stärke praktisch ungenutzt und unverdaut durch ihren Organismus und sorgen so für Gesundheitsprobleme.)

Fermentierter Mais aus der Alkoholproduktion führt also zu mehr Fleisch, als wenn das Getreide direkt an das Vieh verfüttert wird.

Wie ineffizient ist die Ölförderung überhaupt?
Der Biologe Jeffrey Dukes von der Universität von Massachusetts setzte sich genauer mit dem Entstehungsprozess von Erdöl auseinander. Im Gegensatz zu anderen Forschern, die anzunehmen scheinen, dass es sich bei Kohle und Rohöl um fast kostenlose Energie handelt, untersuchte Dukes, welche natürlichen Prozesse zur Entstehung von Rohöl führen und wie der Mensch an dieses herankommt. Er fand heraus, dass für knapp vier Liter Benzin etwa 90 Tonnen (198.000 Pfund) an altem Pflanzenmaterial erforderlich sind. Die 1997 verbrannten fossilen Stoffe, so seine Berechnungen, stammten aus einer Menge an pflanzlichem Material und Energie, die der 400-fachen Menge der heutigen jährlichen Nettoprimärproduktion (NPP) entspricht.27 Die NPP bezieht sich auf die Photosynthese sowohl der an Land angebauten Nutzpflanzen als auch auf Algen und Plankton.28
Für die Nutzung von Erdöl und Gas ergab sich eine Effizienz von weniger als 0,01 Prozent. Nehmen wir pro Gallone bzw. pro 3,8 Liter Benzin einen Heizwert von 120.000 British thermal units (Btu) an, dann wären 1,2 Milliarden Btu nötig, um einen großen Geländewagen 25 Kilometer weit anzutreiben. Eine Energiezufuhr von 10.000 Btu pro einer Btu Energieertrag ist ein unglaublich negativer Effizienzwert.
In krassem Gegensatz dazu steht Dukes’ Schätzung, dass gerade einmal 22 Prozent von Amerikas an Land erzeugter NPP nötig wären, um nicht nur den Kraftfahrzeugverbrauch an fossilen Brennstoffen, sondern den gesamten Bedarf an fossiler Energie durch Alkohol zu decken. Richtig: Pflanzen könnten unseren gesamten Energieverbrauch decken. Permakulturell durchgeplante Polykulturen von energiereichen Nutzpflanzen können zehnmal produktiver sein als die gegenwärtige Nettoprimärproduktion.

Mythos Nr. 5: Allein die Großkonzerne profitieren von Ethanol-Subventionen, und der Steuerzahler hat nichts davon!

Selbst US-amerikanische Fernsehserien wie „The West Wing“ haben das Thema schon aufgegriffen.14 Jeder innerhalb der Alkoholtreibstoffindustrie befürwortet die Abschaffung von Zuschüssen – aber nur, wenn dies für alle Energielieferanten gilt. Die amerikanischen Subventionen für Erdöl und andere nicht erneuerbare Energien sind gigantisch und werden geschickt im Dickicht der Einkommensteuerstruktur verborgen. Dadurch wird Energie für Unternehmen (die keine Einkommensteuer zahlen) günstig, da das, was sie an der Zapfsäule zahlen, nicht dem eigentlichen Energiepreis entspricht. Privatpersonen zahlen den Aufpreis über die Einkommensteuer. Den enormen Subventionen haben wir es zu verdanken, dass Benzin noch immer Teil unseres Alltags ist.

Was aber kostet Benzin nun wirklich? Die ausführlichste, umfassendste und bestens belegte Studie zu dieser Frage wurde vom International Center for Technology Assessment in Washington, DC, durchgeführt. Die fünf Hauptbereiche, die erfasst wurden, sind: (1) Steuervergünstigungen für die Erdölindustrie, (2) Subventionen im Rahmen von Regierungsprogrammen, (3) Versicherungskosten für den Öltransport und Kfz-Wartungskosten, (4) Kosten in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Soziales, die durch die Verwendung von Benzin entstehen, und (5) weitere bedeutsame externe Effekte durch den Einsatz von Kraftfahrzeugen. Alle Bereiche zusammengenommen verschlangen zur damaligen Zeit pro Jahr zwischen 558,7 Milliarden und 1,69 Billionen Dollar. Wenn wir dies zu dem damals noch relativ niedrigen Benzinpreis hinzuaddieren, erhalten wir pro US-Gallone (3,8 Liter) einen Preis von gut 5,60 Dollar – wobei eine komplexere Berechnung auf 15,14 Dollar pro Gallone kommt.15 In einem aktualisierten Bericht von 2005 werden die Kosten noch einmal um 21 bis 32 US-Cent angehoben, ausgehend vom Dollarwert 2003.16 (Seit 2003 ist es wohl gerechtfertigt, die Kosten für die Besetzung des Irak hinzuzurechnen, da auch diese mit Erdöl zu tun hat.) Dadurch, dass diese Kosten in den Steuern versteckt werden, wird die Last von den Schultern der energieverbrauchenden Konzerne genommen und stattdessen dem US-Bürger auferlegt.

Die Studie eines Obersten Rechnungshofs in den USA zeigte, dass die amerikanischen Ölkonzerne zwischen 1968 und 2000 Subventionen in Höhe von 149,6 Milliarden Dollar erhielten (die Militärsubventionen nicht mitgerechnet) – Ethanol dagegen wurde mit gerade einmal 116,6 Millionen Dollar gefördert.17 Dennoch haben die Ölkonzerne in den vergangenen 25 Jahren keine neuen Raffinerien gebaut, sondern im Gegenteil in den letzten 15 Jahren 50 bestehende Raffinerien geschlossen.18 Warum sollte man auch neue Raffinerien bauen, wenn man doch weiß, dass es nicht mehr allzu viel Öl zum Raffinieren geben wird?

Kommentare

04. Dezember 2008, 18:54 Uhr, permalink

winne

gute seiten ,bin erstaunt

16. Juli 2011, 17:39 Uhr, permalink

sissi brautkleider

Dann kann es unsere Energieprobleme lösen. Und zwar alle – wenn wir es nur wollen.
Awesome!

Kommentar schreiben

Folgende Art von Kommentaren sind unerwünscht und werden von uns entfernt:

  • (Schleich-)Werbung jedweder Art
  • Kommentare die nichts zum Thema beitragen
  • Kommentare die der deutschen Sprache nicht gerecht werden
  • Geplänkel mit anderen Kommentarschreibern
  • Kontaktanfragen an die Redaktion (benutzen Sie hierfür bitte das Kontaktformular)

Bitte beachten Sie unsere Datenschutzhinweise